die gute kita handlungsempfehlungen fuer die fruehpaedagogik 978 3 451 39826 1 84772Angesichts der intensiv und kontrovers geführten Debatte um Fachkräftemangel, „KiTa-Krise“ oder gar „KiTa-Kollaps“ sowie entsprechender Gegenmaßnahmen ist das Thema der Qualitätsentwicklung aktuell bedenklich in den Hintergrund geraten. Dem sind die prominenten Autor*innen Ilse Wehrmann, Franziska Martinet, Gabriele Haug-Schnabel und Joachim Bensel nun mit dem Buch „Die gute Kita“ begegnet und legen konkrete Handlungsempfehlungen für die Qualitätsentwicklung vor.

Die Pädagogische Hochschule Niederösterreich hat eine Online-Toolbox herausgebeben, die alle elementarpädagogischen Fachkräfte unterstützen soll, die sich vom KiTa-Alltag gestresst und belastet fühlen. Sie erfahren hier, wie Sie für sich selbst Sorge tragen können. Sie üben, den Blick auf das eigene Befinden zu lenken. Sie achten darauf, Ihr Wohlergehen wichtig zu nehmen.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Fortsetzung und Weiterentwicklung des KiTa-Qualitäts- und Teilhabeverbesserungsgesetzes (20/12771) wird von Sachverständigen als nicht ausreichend empfunden, um die im Koalitionsvertrag angekündigte Qualitätsentwicklung mit bundesweiten Standards zu erreichen. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montag, 23. September 2024, deutlich. Positiv vermerkten die Sachverständigen, dass sich der Bund 2025 und 2026 mit jeweils zwei Milliarden Euro an den Kitakosten der Länder beteiligen will. Kritik gab es aber an der Höhe der Fördersumme und dem eingeschränkten Förderzeitraum, der keine langfristigen Planungen ermögliche.

Fachkräftesicherung und Fluktuation

Der Gesetzentwurf sei für die Beschäftigten in den Kitas eine Enttäuschung, befand Elke Alsago von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Bundesweit gleichwertige Standards ließen sich auf dieser Grundlage nicht herstellen. Notwendig sei eine Fördersumme von mindestens sechs Milliarden Euro und eine auf Dauer gestellte Finanzierung – „verbunden mit einem Stufenplan zur Erreichung von Standards, insbesondere beim Personalschlüssel“, sagte sie.

Karola Becker vom Internationalen Bund, einem der großen freien Kita-Träger, bemängelte die Unterteilung von Bundesinvestitionen in die frühkindliche Bildung durch maximal Zwei-Jahres-Verträge „ohne Zusicherung von Kontinuität“. Immer wieder zeitlich begrenzte Unterstützungspakete verunsicherten das Personal und erhöhten die ohnehin bereits hohe Fluktuation der Kolleginnen und Kollegen in den Teams, sagte sie.

Bundeseinheitliche Standards fehlen

Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsmann-Stiftung sagte, die Fortsetzung der Bundesförderung für zwei Jahre sei „besser als nichts“. Es sei aber zu wenig, „um nicht zu sagen inakzeptabel“. Gut sei aus Steuerungsperspektive, dass das Handlungsfeld Fachkräftesicherung und -gewinnung fokussiert werde. „Allerdings besteht eine hohe Unverbindlichkeit der Maßnahmen mangels bundeseinheitlicher Standards“, sagte Bock-Famulla.

Matthias Dantlgraber vom Familienbund der Katholiken hält mindestens eine Inflationsanpassung in Höhe von 2,4 Milliarden Euro zusätzlich für erforderlich, „um das ursprüngliche Niveau der Förderung zu erhalten“. Dantlgraber begrüßte ebenfalls die im Gesetz enthaltene Priorisierung auf Fachkräfte und Qualitätsentwicklung. Verbindlicher festgelegt werden müsse aber, dass die Länder die Mittel auch so einsetzen, „dass sich die Qualität in der Kindertagesbetreuung auch tatsächlich angleicht“.
Finanzierung durch den Bund

Aus Sicht von Barbara Dorn von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) geht der Entwurf in die richtige Richtung. Es sei gut, dass der Einsatz der Bundesgelder für eine pauschale Beitragsfreiheit mit dem Gesetz ausgeschlossen werde. Damit profitierten die Kinder direkt von einer besseren Qualität.

Prof. Dr. Rahel Dreyer von der Alice-Salomon-Hochschule Berlin sieht durch den Gesetzentwurf dringende Probleme adressiert. Angesichts der aktuellen Herausforderungen und erheblichen Handlungsbedarfe reiche jedoch eine Aufrechterhaltung des Status quo nicht aus. „Nur durch eine kontinuierliche finanzielle Förderung des Bundes und mit einheitlichen Qualitätsstandards kann sichergestellt werden, dass alle Kinder – unabhängig von ihrer sozialen Herkunft – gleiche Chancen auf hochwertige Bildung, Betreuung und Erziehung erhalten“, sagte sie.
Ausgabenanstieg um acht Prozent jährlich

Ein Rückzug des Bundes aus der Finanzierung wäre laut Niels Espenhorst vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband eine Katastrophe gewesen. „Insofern ist es gut, dass der Worst Case nicht eingetreten ist.“ Der aktuelle Schritt sei aber zu klein, auch wenn die inhaltliche Fokussierung zu begrüßen sei, sagte Espenhorst. Die öffentlichen Ausgaben für Kitas stiegen jährlich um acht Prozent, machte er deutlich. Ohne eine Dynamisierung schmelze daher der Anteil des Bundes „wie Schnee im Frühling“.

Heiko Krause vom Bundesverband für Kindertagespflege gelangte zu der Einschätzung, dass das Ziel, einheitliche und verbindliche bundesweite Standards gesetzlich festzuschreiben, nicht erreicht werde. Trotz der Bemühungen des Bundes um eine stärkere Vereinheitlichung und Vergleichbarkeit auch im Bereich der Kindertagespflege seien die Rahmenbedingungen in den einzelnen Bundesländern höchst unterschiedlich. „Wir nehmen sogar ein stärkeres Auseinanderdriften der Rahmenbedingungen wahr“, sagte Krause.

Elternvertretungen und multiprofessionelle Teams

Irina Prüm von der Bundeselternvertretung für Kinder in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege kritisierte die im Entwurf vorgesehene Streichung des Handlungsfeldes 10, in dem die Zusammenarbeit mit den Eltern verbessert werden sollte. Es fehlten immer noch gesetzlich verankerte Landeselternvertretungen, bemängelte Prüm. Auch die Elterngremien auf Stadt-, Kreis- und Jugendamtsebene seien noch nicht flächendeckend vorhanden und würden noch nicht ausreichend unterstützt.

Waltraud Weegmann von Deutschen Kitaverband sagte, der Entwurf bleibe hinter der Erwartungshaltung der Kitaträger zur Vorlage eines wirklichen Qualitätsentwicklungsgesetzes zurück. Entscheidend in der gesamten Qualitätsdebatte sei, „was am Ende beim Kind ankommt“. Um dem Anspruch an eine möglichst hochwertige frühkindliche Bildung gerecht zu werden und gleichzeitig dem Fachkräftemangel zu begegnen, sehe der Deutsche Kitaverband großes Potenzial in multiprofessionellen Teams, sagte Weegmann. Der Gesetzentwurf sollte ihrer Ansicht nach dem Wechsel hin zu multiprofessionellen Teams und der in der Praxis teilweise bereits gängigen Entwicklung mehr Rechnung tragen.

Steigende Kosten durch Kitaausbau

Durch den quantitativen und qualitativen Kitaausbau seien auch die Kosten in den letzten Jahren enorm angestiegen, sagte Ursula Krickl vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Sie hätten 2009 noch bei 15,5 Milliarden Euro gelegen. 2023 seien es mehr als 43 Milliarden Euro gewesen. Voraussetzung des Ausbaus sei immer gewesen, dass sich der Bund „dauerhaft und angemessen“ an der Kitafinanzierung beteiligt, sagte Krickl. Dem komme der Gesetzentwurf „in keinster Weise nach“. Bei einer nur zweijährigen Beteiligung fehle es zudem Kommunen und Trägern an Planungssicherheit.

Auch Regina Offer vom Deutschen Städtetag forderte eine Verstetigung der Bundesmittel. Zugleich müssten sie sich durch eine Dynamisierung an die steigenden Kosten anpassen, um eine nachhaltige Verbesserung in der Praxis der Kindertagesbetreuung erzielen zu können. (hau/23.09.2024)

Zur Aufzeicnung des Hearings geht es hier:

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw39-pa-familie-kinderbetreuung-1017616

Quelle: Deutscher Bundestag
Im Jahr 2004 entstanden in Deutschland die ersten kindheitspädagogischen Studiengänge und damit eine große Aufbruchstimmung für die Akademisierung der frühkindlichen Bildung. Innerhalb kurzer Zeit sprossen zahlreiche neue Studiengänge aus dem Boden und heute sind es rund 90 – davon 14 Masterstudiengänge. Zum zwanzigjährigen Jubiläum fand nun an der Alice Salomon Hochschule in Berlin eine zweitägige Kooperations-Tagung statt, um das Erreichte zu bilanzieren, zu reflektieren und nach vorne zu blicken.

vossZur Begrüßung skizzierte Prof. Dr. Anja Voss, Pro-Rektorin der ASH, die Entwicklung der kindheitspädagogischen Studiengänge „vom visionären Projekt zum regulären Studienangebot“. Heute sei die Kindheitspädagogik eine „Profession im Werden“ und ein „Schlüssel für die Qualitätssteigerung in der frühkindlichen Bildung“. Anja Voss wies auf eine hochdynamische Entwicklung im Feld der frühkindlichen Bildung hin, in dem heute rund 10 Prozent akademisch ausgebildet seien. Derzeit bestehe durch den Fachkräftemangel aber die Gefahr der De-Professionalisierung und die allergrößte Herausforderung sei es „quantitative und qualitative Ziele unter einem Hut zu bringen“ und insbesondere auch der sozialen Ungleichheit zu begegnen. In Anbetracht der derzeitigen KiTa-Krise, so Anja Voss, „brauchen wir dringend die guten Geschichten und eineń mutigen Blick nach vorn“.

In zwei digitalen Grußworten würdigten die Bundesministerinnen Lisa Paus und Bettina Stark-Watzinger die kindheitspädagogischen Studiengänge als „Meilenstein für die Professionalisierung des Berufsfeldes“ und unterstrichen die Bedeutung der frühen Jahre, denn „Die Würfel fallen früh“. Eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung sei daher auch entscheidend für die Chancengerechtigkeit.

rahelIm Auftaktvortrag ließ Prof. Dr. Rahel Dreyer von der ASH Berlin die 20jährige Entwicklung der kindheitspädagogischen Studiengänge noch einmal im Detail Revue passieren. So sei in den 1990er und frühen 2000er Jahren die Bedeutung der frühkindlichen Bildung auch hierzulande immer stärker in das öffentliche Bewusstsein gedrungen und der Blick in anderen europäische Länder habe gezeigt, dass dort die Ausbildung von KiTa-Fachkräften schon fast überall auf Hochschulniveau stattfand. Unter anderem die GEW forderte früh auch für Deutschland eine entsprechende Akademisierung und durch die Bologna-Reform sei dann der notwendige strukturelle Grundstein für die neuen kindheitspädagogischen Studiengänge gelegt worden.

So konnte im Sommersemester 2004 der erste bundesweite Modellversuch an der ASH Berlin unter dem Namen „Erziehung und Bildung im Kindesalter“ starten. Ab 2006 brachte dann das „Profis in Kitas“-Projekt der Robert Bosch Stiftung einen weiteren Schub für die Akademisierung.

Vom Qualifikationsrahmen zum Kerncurriculum

Wie Rahel Dreyer weiter ausführte, formulierte die Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit (BAG-BEK) aufgrund der großen Unterschiedlichkeit der rasant neu entstehenden Studiengänge 2009 einen „Qualifikationsrahmen“ mit unverzichtbaren inhaltlichen Kernelementen und plädierte für die Bezeichnung der Absolvent*innen als „Kindheitspädagog*innen“. 2010 folgten dann der „Gemeinsame Orientierungsrahmen Bildung und Erziehung in der Kindheit“ von JFMK und KMK und 2011 eine Matrix der Robert Bosch Stiftung für ein erweitertes Qualifikationsprofil. 2022 wurde schließlich vom Studiengangstag u.a. zusammen mit der BAG-BEK ein Kerncurriculum verabschiedet. Als Kernkompetenzen führte sie u.a. folgende Punkte aus:
  • Selbstverständnis als Angehörige einer Profession
  • Gesellschaftskritisches Bewusstsein und Übernahme von Verantwortung
  • Kritisch-reflektierter Umgang mit normativen Vorgaben und ‚Rezeptwissen‘ / Transferkompetenz
  • Forschende Haltung
  • Selbst-reflexiver Umgang mit den eigenen, biografisch geprägten Deutungsmustern, Wert- und Handlungsorientierungen und professioneller Umgang mit Dilemma-Situationen
  • Orientierung an einer prinzipiellen Begründungsverpflichtung pädagogischen Handelns

„Kindheitspädagog*innen“, so unterstrich Rahel Dreyer, „sind ein maßgeblicher Faktor für die Professionalisierung der frühkindlichen Bildung“ und seien heute in allen Bundesländern außer Bremen und Rheinland-Pfalz staatlich anerkannt. Zugleich sei aber ab Mitte der 2010er Jahre eine „Stagnation“ bei der Anzahl der Studiengänge und der Absolvent*innen zu beobachten.

Berufspolitische Stärkung einer "Profession im Werden"

Als zentrale Herausforderungen beschrieb sie die nicht vorhandenen klaren Karrierewege für Kindheitspädagog*innen, die nicht vorhandene tarifliche Honorierung ihrer akademischen Kompetenzen und die noch immer nicht nachhaltig etablierte Berufsbezeichnung. Dringend erforderlich sei daher neben dem gerade in Anbetracht des Fachkräftemangels unabdingbaren Ausbaus der Studienplätze sowie der Forschungskapazitäten auch eine „berufspolitische Stärkung dieser Profession im Werden“.

In einem digitalen Intermezzo wurden auf der Tagung Statements von Studierenden und Absolvent*innen der Kindheitspädagogik eingespielt. Auf den Punkt brachte es dabei die heutige Autorin, Weiterbildnern, Bloggerin und Podcasterin Kathrin Hohmann:

„Ein Studium, das unter die Haut geht und der Beginn einer großen Leidenschaft“.


Statistische Spotlights rund um die kindheitspädagogischen Studiengänge lieferte in einem Online-Vortrag Dr. Christiane Meiner-Teubner von der TU Dortmund, die kurzfristig für die erkrankte WiFF-Leiterin Prof. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin eingesprungen war. Sie konstatierte einen Rückgang der Absolvent*innenzahlen zwischen 2018 und 2021 von gut 2600 auf rund 2150 und begründete diesen u.a. mit der Coronapandemie. Insgesamt seien rund 26.000 Kindheitspädagog*innen ausgebildet worden, wovon aktuell allerdings nur rund die Hälfte in der Kinder- und Jugendhilfe tätig seien – und davon wiederum 85 Prozent in der KiTa und 2 Prozent als Fachberater*innen.

Zwischen Leitung und Ergänzungkraft

Mit Blick auf die konkreten Aufgabenbereiche in der KiTa führte die Forscherin aus, dass 21 Prozent als Leiter*innen tätig sind, 34 Prozent als Gruppenleiter*innen und 26 Prozent als Zweit- bzw. Ergänzungskraft. Letzteres stufte sie angesichts der akademischen Ausbildung als durchaus „erstaunlich“ ein.

Im Resümee unterstrich Christiane Meiner-Teubner, dass „Kindheitspädagog*innen „eine nicht mehr wegzudenkende Gruppe in der Kinder- und Jugendhilfe sind – allerdings auf einem sehr niedrigen Niveau“. Sie empfahl gerade im Hinblick auf diese Akademiker*innen „mehr Aufstiegschancen“ zu schaffen. Immerhin setzten so schon vier Bundesländer (Thüringen, Sachsen-Anhalt, Bremen, Hamburg) ein (kindheitspädagogisches) Studium für eine Leitungstätigkeit in der KiTa voraus.

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In einer interdisziplinären Runde diskutierten Expert*innen im Anschluss die möglichen Aufgabenbereiche und Stärken von Kindheitspädagog*innen. Eleonore Hartl-Grötsch von der Stadt Regensburg brach eine Lanze für ihre Kompetenzen und sah sie in einer „Schlüsselfunktion für die Qualitätsentwicklung“. Sie übernähmen mit ihren wissenschaftlichen Expertise und ihren reflexiven Kompetenzen auch eine „Dolmetscherfunktion“ zwischen den verschiedenen Ebenen des Systems. Kindheitspädagog*innen seien allerdings viel zu wenig sichtbar und das KiTa-System nutze ihre Stärken zu wenig.

Wie das gelingen kann, zeigte die in einer KiTa u.a. als Multiplikatorin für Qualitätsentwicklung tätige Kindheitspädagogin Romina Krüger auf. Sie berichtete von einer guten Zusammenarbeit mit den Erzieher*innen in der KiTa, in der sie auch immer wieder ihre im Studium erlernten konzeptionellen Fähigkeiten einsetzen könne – so zuletzt in einem Projektantrag für die Förderung einer KiTa-Sozialarbeiter*in.

Als BAG-BEK-Vorsitzende unterstrich Prof. Dr. Tina Friederich im Hinblick auf derzeitige Tendenzen, auch unqualifizierte Fachkräfte in die KiTa zu holen: „Wenn wir nach unten aufmachen, brauchen wir umso mehr die Akademisierung nach oben“. Grundsätzlich unterstrich sie die Notwendigkeit, sich interdisziplinär zu vernetzen und auszutauschen und „gemeinsam wirksam zu werden“.

Stärken sichtbar machen und Wirkungsfelder schaffen

Einig waren sich die Diskutant*innen, dass die Stärken von Kindheitspädagog*innen stärker sichtbar gemacht werden müssten und Träger gezielt „Wirkungsfelder“ für sie schaffen sollten. Doreen Siebernik von der GEW forderte entsprechend auch, die Kindheitspädagog*innen explizit in das Tarifsystem mit aufzunehmen.

inaAm zweiten Tagungs-Tag sondierten Prof. Dr. Peter Cloos, Dr. Svenja Garbade, Prof. Dr. Ina Kaul und Prof. Dr. Katja Zehbe als Vertreter*innen des kindheitspädagogischen (Forschungs-) Netzwerks „NetKiD“ die möglichen „Konturen einer kindheitspädagogischen Hochschuldidaktik“.
Dafür hatten sie im Vorfeld eine grundlegende „Kartografierung und Sortierung“ der bisher vorhandenen und diskutierten fachlichen Grundlagen, Methoden und Praxis vorgenommen – vom Anspruch des „forschenden Habitus“, der „Biografiearbeit“ und „Persönlichkeitsentwicklung“ über „Lernwerkstätten“ und „Fachdidaktiken“ bis zu den Herausforderungen und Fallstricken eines doppelten oder gar dreifachen Theorie-Praxis-Bezugs. Zu beklagen sei, dass es bisher nur vereinzelte empirische Erkenntnisse zur kindheitspädagogischen Hochschuldidaktik gebe.

Vom "forschenden Habitus" bis zum doppelten Theorie-Praxis-Bezug

Die Forscher*innen unterstrichen jedoch grundsätzlich, dass eine kindheitspädagogische Hochchuldidaktik sich interdisziplinär aus verschiedenen Quellen wie der Erziehungswissenschaft, Sozialpädagogik und anderen Bezugswissenschaften speisen müsse und es weniger um Abgrenzung, als vielmehr um ein „Spezifizierung“ gehe. Zu unterscheiden sei aber eine „fachübergreifende“ und eine „fachimmanente“ Hochschuldidaktik. Im Hinblick auf die Gestaltung des Lernorts Hochschule plädierten die NetKiD-Vertreter*innen für eine „Lerngemeinschaft aus Studierenden und Lehrenden“.

susanneAls eine der Pionierinnen des kindheitspädagogischen Studiengangs an der AHS beleuchtete Prof. Dr. Susanne Viernickel in einem abschließenden Vortrag die „Anforderungen, Spanungsfelder und Perspektiven“ der Kindheitspädagogik. Neben den formalen Anforderungen wie Modularisierung, Kompetenzorientierung und Credit points solle die Disziplin „Wissen in komplexe Zusammenhänge stellen, überprüfen und weiterentwickeln. Zentral für die Student*innen sei bei enger Theorie-Praxis-Verzahnung der Erwerb von pädagogisch-didaktischen und auch fachübergreifenden Handlungskompetenzen“ sowie „die Entwicklung eines professionellen Selbstbildes und einer Berufsidentität“. Gefördert werden solle im Studium weiterhin das wissenschaftliche Denken sowie die Reflexions-, Diskurs- und Abstraktionsfähigkeit.

Träger mit Wunsch nach Praxistauglichkeit

Im Hinblick auf die Wünsche der Träger konnte Susanne Viernickel anhand kleinerer Studien berichten, dass diese sich vom Studium der Kindheitspädagogik ganz besonders „Praxiserfahrung und -kompetenz“ sowie den „Erwerb von Führungs-, Organisations- und Beratungskompetenz“ wünschen. Als nicht so entscheidend stuften sie den „forschenden Habitus“ und die „Selbstreflexionsfähigkeit“ ein, die wiederum aus Sicht der Absolvent*innen neben der Persönlichkeitsentwicklung zentral sind. „Es gibt hohe und auch unterschiedliche Erwartungen an Kindheitspädagog*innen, die in einem Studium alleine nicht alle zu erfüllen sind“ fasste Susanne Viernickel zusammen.

Im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Studiengänge gebe es sowohl Argumente für eine Homogenisierung wie auch für Pluralität und Profilbildung. Einen Minimalkonsens stellten die vorhandenen Qualifikationsprofile und das Kerncurriculum dar. Übergreifend müssten gemeinsam geteilte pädagogische Orientierungen und Werte gelten wie z.B. der ressourcenorientierte Blick auf das Kind oder eine Diversitätssensibilität.

Studiengänge als Möglichkeitsräume

Letztlich sah Susanne Viernickel die Kindheitspädagogik auch in einem Spannungsfeld zwischen einem „transformatorischen Auftrag“ und einer „möglichst reibungslosen Praxistauglichkeit und Systemkonformität“. Sie selbst plädierte dafür, die Studiengänge auch als „gedanken- und handlungsexperimentelle Möglichkeitsräume“ und damit auch als ein Laboratorium für die konsequente Weiterentwicklung der Kindheitspädagogik zu nutzen.

Orga Team 20Jahre KindheitspaedagogikAn der kooperativen Vorbereitung de Jubiläumstagung waren neben der ASH der Studiengangstag Pädagogik der Kindheit, die Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit e.V., die Kommission Pädagogik der frühen Kindheit der DGfE (PdfK) und der Deutsche Berufsverband für Kindheitspädagogik e.V. sowie weitere Unterstützer_innen beteiligt und haben ihre vielfältigen Perspektiven eingebracht. (Foto: Denis Demmerle)




Karsten Herrmann
Bei der digitalen Vorstellung des Berichts „Bildung in Deutschland 2024“ konstatierten die Autor*innen eine zunehmender Heterogenität der Familien und Kindern in der frühen Bildung. Das sei verbunden mit „starken soziale Disparitäten“: Es „zeigen sich Ungleichheiten entlang sozialer Differenzlinien, etwa in besseren Teilhabechancen für Kinder aus privilegierten Familien (z B Kinder von Eltern mit höherer Bildung oder ohne Einwanderungsgeschichte).

Hochschuldidaktische Entwicklungen in kindheitspädagigischen Studiengängen in Niedersachsen

Im Jahr 2004 entstanden in Deutschland die ersten früh- und kindheitspädagogischen Studiengänge. Der Landesstudiengangstag in Niedersachsen nimmt dieses 20-jährige Jubiläum zum Anlass, kritisch, innovativ und vernetzt auf hochschuldidaktische Entwicklungen der Kindheitspädagogik zu blicken.

Kita-Qualitätsbündnis veröffentlicht Forsa-Umfrage zur Kindertagesbetreuung in Deutschland

Das System der Kindertagesbetreuung ist in der Krise. Probleme wie Personalmangel wiegen schwer, die Anforderungen wachsen. Das ist das Ergebnis einer Forsa-Umfrage zur Kinderbetreuung in Deutschland, den das Kita-Qualitätsbündnis aus Arbeiterwohlfahrt (AWO), Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Verband Katholischer Tageseinrichtungen (KTK) - Bundesverband jetzt in Berlin vorgestellt hat. „Die Politik muss endlich bei der frühkindlichen Bildung Prioritäten setzen“, verlangen die drei Bündnisorganisationen.
Wie können Fachberater*innen in dem schon seit Jahren durch vielfache Krisen und Herausforderungen geprägten KiTa-Feld einen eigenen inneren Kompass für eine professionelle Begleitung und Beratung entwickeln? Diese Frage stand im Zentrum einer gemeinsamen Fachtagung von ver.di und der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit (BAG-BEK) in Berlin. Moderiert wurde die Tagung von Friderike Pankoke aus der BAG-BEK, die zu Beginn auch Mit-Veranstalterin Elke Alsago wegen einer dringenden familiären Angelegenheit entschuldigen musste.
Die Selbstregulationskompetenzen von Kindern und Jugendlichen sind entscheidend für ihr Wohlergehen und ihre Entfaltungsmöglichkeiten, insbesondere ihre psychische und körperliche Gesundheit, Bildung und soziale Teilhabe. Sie umfassen kognitive, emotionale, motivationale und soziale Fähigkeiten, die es erlauben, eigene Ziele zu erreichen und flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Aber viele junge Menschen stehen vor erheblichen Herausforderungen wie psychischen und körperlichen Problemen, Zukunftsängsten und Schulschwierigkeiten.

Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Disziplinen veröffentlichen Aufruf zum Handeln gegen die „Kita-Krise“

 
Zustand und Zukunft des Systems der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) in Deutschland sind alarmierend. Zahlreiche wissenschaftliche Daten und Berichte aus der Praxis belegen: Das System ist stark belastet und steht kurz vor dem Kollaps.

Vor diesem Hintergrund haben vier Wissenschaftler_innen aus unterschiedlichen Disziplinen Mitte Juli einen Aufruf zum Handeln gegen die „Kita-Krise“ initiiert, der heute mit über 300 Mitzeichnungen veröffentlicht wurde. Der Aufruf „Überlastung, Stress und Erschöpfung in vielen Kitas: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schlagen Alarm und fordern die Politik zum schnellen Handeln auf“ richtet sich an politisch Verantwortliche, insbesondere auf Bundesebene.
 
Die vier Initiator_innen des Aufrufs sind Dr. Rahel Dreyer, Professorin für Pädagogik und Entwicklungspsychologie der ersten Lebensjahre an der Alice Salomon Hochschule Berlin, Dr. Jörg Maywald, Honorarprofessor für Kinderrechte und Kinderschutz an der Fachhochschule Potsdam, Dr. med. Michael Schulte-Markwort, Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Medical School Hamburg und Ivonne Zill-Sahm, Professorin für Erziehung und Bildung im frühen Kindesalter an der Evangelischen Hochschule Dresden.
 
„Seit der Corona-Pandemie hat die Arbeitsbelastung von pädagogischen Fachkräften in Kitas stetig zugenommen. Sie gehören zu den Berufsgruppen mit den meisten Krankentagen, insbesondere wegen Erkrankungen der Psyche. Die psychische Gesundheit der Fachkräfte wirkt sich nachweislich auf die Gesundheit der Kinder aus. Die Kinder sind häufig gestresst und zeigen Formen von Erschöpfung und Unwohlsein – und das liegt unter anderem am Personalmangel und an überfüllten Gruppen“, so Prof. Dr. Rahel Dreyer.
 
Dr. med. Michael Schulte-Markwort ergänzt: „Auch in den Familien sind die Belastungen enorm gestiegen. Nach den großen Einschränkungen durch die Kita-Schließungen während der Corona-Pandemie bringt nun die Kitakrise mit reduzierten Öffnungszeiten bis hin zur Schließung von Gruppen und ganzen Einrichtungen viele Familien ans Limit. Es gibt klare Hinweise auf erhöhte Spannungen in den Familien und einen Anstieg familiärer Gewalt.“
 
Der aktuelle Kita-Bericht des Paritätischen Gesamtverbandes unterstreicht die alarmierende Situation in den Kitas. Er zeigt sehr deutlich, dass sich zwischen 2021 und 2023 die Rahmenbedingungen in den meisten Einrichtungen drastisch verschlechtert haben. 68 Prozent der Befragten können mit dem tatsächlichen Personalschlüssel nicht angemessen auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen. Insbesondere Kitas in benachteiligten Sozialräumen gaben an, davon besonders betroffen zu sein.
 
Prof. Dr. Jörg Maywald: „Die aktuelle Situation widerspricht grundlegend den Grundbedürfnissen und Rechten von Kindern: Kinder brauchen stabile Bezugspersonen in verlässlichen Strukturen, die pädagogisch qualifiziert sind und passgenau auf die individuellen Bildungs- und Entwicklungsbedürfnisse von Kindern eingehen können. Die Folgen für Kinder, Eltern, Fachkräfte und die gesamte Gesellschaft sind jetzt schon durch eine Zunahme psychischer Auffälligkeiten sowie eine wachsende Bildungslücke fast irreparabel.“
 
Prof. Ivonne Zill-Sahm betont: „Um den drohenden Zusammenbruch des Systems abzuwenden, sind jetzt erhebliche Investitionen und mittelfristig eine kontinuierliche Erhöhung der Ressourcen für das System der FBBE nötig. Die bildungsökonomische Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass vor allem frühkindliche Bildungsangebote langfristig wirksam sind, weil Kinder davon über ihr gesamtes Leben profitieren. Dies hat auch positive volkswirtschaftliche Auswirkungen, da jeder investierte Euro durch zum Beispiel höhere Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen drei- bis vierfach für die Gesellschaft zurückkommt.“
 
In ihrem Aufruf zum Handeln gegen die „Kita-Krise“ fordern die Initiator_innen, zusätzliche Finanzierungsmittel für weitere Qualitätsverbesserungen aufzuwenden, das Qualitätsentwicklungsgesetz endlich auf den Weg zu bringen und die sogenannte „Gesamtstrategie Fachkräfte in Kitas und Ganztag“ des BMFSFJ um kurzfristige Maßnahmen zu ergänzen sowie mit einem Sondervermögen finanziell ausreichend auszustatten. Außerdem fordern sie, in Bundesländern, wo ein Rückgang der Kinderzahlen zu verzeichnen ist, die freiwerdenden Ressourcen in die Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels zu investieren, Kitas mit einem hohen Anteil von Kindern, die besonders von sozialer Benachteiligung betroffen sind, personell und materiell besser auszustatten sowie die Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Forschung zu stärken, um den Qualitätsprozess kritisch-konstruktiv begleiten zu lassen.
 
Den Aufruf finden Sie hier: https://www.ash-berlin.eu/fileadmin/Daten/News/2024/2024_08_27_Aufruf_aus_der_Wissenschaft_zur_Kitakrise.pdf

Quelle: Presseinfo ASH