Der Fachkräftemangel in Kindertageseinrichtungen hat die Diskussion um alternative Wege und Quereistiege in den Erzieher*innenberuf in den letzten Jahren stark beschleunigt – und zwar sowohl im Hinblick auf die Öffnung des Feldes für Hochschulabsolvent*innen als auch für Fachfremde ohne einschlägige Ausbildung. Der Fachpolitik in den Ländern kommt dabei eine wesentliche Rolle zu, da sie mit der Formulierung von Fachkräftekatalogen und Bildungsplänen über eine hohe Gestaltungsmacht verfügt. In Niedersachsen wartet man nach dem „KiTa-Gipfel“ im Mai aktuell auch auf Vorschläge des Kultusministeriums zur Bekämpfung des Fachkräftemangels und der Überlastung der Fachkräfte und damit auch auf entsprechende Quereinstiegs-Optionen. Parallel haben Vertreter*innen der Fraktionen schon Vorschläge für eine Verbesserung der Anerkennung von Quereinsteiger*innen unterbreitet, bei denen auch eine Erhöhung der Betreuungszeiten mit Arbeitsfeldfremden im Raum steht. (vgl. Idel 2023).

Der Quereinstieg in das Arbeitsfeld wird somit vor allem als Möglichkeit zur Entschärfung der personellen Situation diskutiert. Die Auswirkungen von heterogenen Teams auf die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern sowie die Dynamik und Arbeitskultur in der Einrichtung stehen dabei (zunächst) im Hintergrund. Eine Evaluation von Weltzien et al. in 25 Kitas in Baden-Württemberg hat gezeigt, dass sich die Prozessqualität, das heißt die Qualität der Fachkraft-Kind-Interaktion, mit dem Hinzukommen nicht-pädagogisch qualifizierter Fachkräfte nicht wesentlich verändert (vgl. Weltzien et al. 2016: 18f.). Jedoch entsteht vor allem für Kita-Leiter*innen ein Mehraufwand durch Einarbeitung und notwendige Personalentwicklungs- oder Teambuildingmaßnahmen.
Es stellen sich somit folgende zentrale Fragen:
  • Welche Kompetenzen werden in der Kita gebraucht? Welche (Fach-)Hochschul- oder Berufsausbildungen sollte eine zukünftige Fachkraft ohne pädagogische Qualifizierung mitbringen?
  • Wie können insbesondere pädagogische Kompetenzen und Wissen über frühkindliche Bildungs- und Entwicklungsprozesse nachqualifiziert werden?
  • Wie können bisher noch nicht-pädagogisch Qualifizierte mit ihren Potenzialen in den Kita-Alltag und ins Team integriert werden? Welche Aufgaben sollen sie übernehmen?
  • Welchen Gewinn ziehen die Kitas aus ihrer Arbeit in heterogenen bzw. multiprofessionellen Teams? Wo liegen Stolpersteine und wie kann ihnen begegnet werden?

Das ESF-geförderte Projekt „Unternehmenswandel in multiprofessionellen Kitas aktiv gestalten“ setzt sich mit ebendiesen Fragen auseinander. Die Historisch-Ökologische-Bildungsstätte Emsland in Papenburg e.V. (HÖB) verfolgt gemeinsam mit dem Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung e.V. (nifbe) und dem Bildungs- und Tagungszentrum Ostheide in Barendorf e.V. (BTO) das Ziel eine Blended LearningBlended Learning||||| Blendend Learning bedeutet integriertes Lernen und bezeichnet eine Lernform die auf der einen Seite  traditionelle Präsenzveranstaltungen umfasst, sowie auch die modernen Formen von E-Learning behinhaltet, also elektronische Lernformen übers Internet, die von zu Hause erledigt werden können. Beim Blended Learning findet so soziale Face-to Face-Kommunikation statt, kombiniert mit Lern- und Übungsphasen über das Internet.   -Qualifizierung für Arbeitsfeldfremde zu entwickeln und mit Interessierten zu erproben. Die Qualifizierung soll Interessierte, die bereits eine Ausbildung entsprechend der Niveaustufe 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQRDQR|||||Der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen soll umfassende, bildungsbereichsübergreifende Kompetenzen, die in Deutschland erworbenen wurden, erfassen. Als nationale Realisierung des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) soll er die Besonderheiten des deutschen Bildungssystems berücksichtigen und zur angemessenen Bewertung und Vergleichbarkeit deutscher Qualifikationen in Europa beitragen. Zunächst sollen formale Qualifikationen des deutschen Bildungssystems in den Bereichen Schule, Berufliche Bildung, Hochschulbildung und Weiterbildung einbezogen werden. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. In weiteren Schritten werden die informellen und nonformalen Kompetenzen ebenfalls berücksichtigt.) sowie Sozialkompetenzen mitbringen, zu sogenannten „profilerweiternden Fachkräften“ weiterbilden. Gleichzeitig sollen sich die am Projekt teilnehmenden Kita-Teams mit den Chancen von Multiprofessionalität im Rahmen von Kulturwerkstätten auseinandersetzen. Nicht zuletzt werden die beteiligten Kita-Leiter*innen im Umgang mit den Anforderungen von multiprofessionellen Teams gestärkt: Durch das Zusammenkommen mit Manager*innen aus erwerbswirtschaftlichen Unternehmen werden die pädagogischen Leitungskräfte vor allem zur Bedeutung der Team- und Organisationskultur gecoacht. So wird die Möglichkeit zum Austausch beispielsweise über die Kommunikations- und Feedbackkultur, Konfliktmanagement und Personalbindung und -entwicklung geschaffen.
   
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ESF
       


Umfrage


Das Projektteam möchte zu Beginn des Projektes gern mehr darüber erfahren, wie Multiprofessionalität in und von der Praxis gedeutet wird und welche Chancen und Herausforderungen multiprofessionelle Teams aus Sicht von pädagogisch Tätigen bergen. Daher sind Kita-Akteure aus Niedersachsen dazu eingeladen an der folgenden Forms-Umfrage teilzunehmen:

https://forms.office.com/e/0VsvcuKK0f

Wir freuen uns über Ihre Meinung!



Literatur
  • Idel, Stefan (2023): Kitas in Niedersachsen sind am Limit. Nordwest Zeitung, Nr. 143.
  • Weltzien, Dörte/Fröhlich-Gildhoff, Klaus/Strohmer, Janina/Reutter, Annegret/Tinius, Claudia (2016): Multiprofessionelle Teams in Kindertageseinrichtungen. Evaluation der Arbeitsprozesse und Arbeitszufriedenheit von multiprofessionell besetzten Teams in Baden-Württemberg. Weinheim/Basel: Beltz Juventa.