Jedes der 16 Bundesländer in Deutschland hat mittlerweile einen eigenen Bildungsplan für die (früh-) kindliche Bildung und Erziehung vorgelegt. Doch welche Intentionen stecken hinter den alleine schon in Namensgebung und Umfang so unterschiedlichen Bildungsplänen? Wie werden sie in die Praxis umgesetzt und welche Verbindlichkeit kommt ihnen dabei zu? Taugen die Bildungspläne tatsächlich als Reform-Motoren für die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung?


Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des vom nifbe herausgegebenen und von Prof. Dr. Renate Zimmer eingeleiteten Bandes „Starke Kitas – starke Kinder“. Aus verschiedenen Perspektiven und im Wechsel von wissenschaftlichen Beiträgen und Best Practice-Beispielen werden hier die Bedingungen einer erfolgreichen Umsetzung der Bildungspläne in den Blick genommen und Miss-Erfolgsfaktoren identifiziert.

 

So nimmt Dr. Ilse Wehrmann zunächst auf ebenso kämpferische wie zuweilen auch provokative Art das System der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung mit seinen derzeitigen Rahmenbedingungen in den Blick. Ohne eine tiefgreifende Reform und Verbesserung dieser Rahmenbedingungen sieht sie kaum Chancen für eine nachhaltige Umsetzung der Bildungspläne und eine entsprechende Qualitätssteigerung in den KiTas. In diesem Sinne fordert sie auch einen umfassenden „Marshallplan“ für die frühkindliche Bildung.


Verbindlichkeit als Schlüsselfaktor

 

Mit einem großen persönlichen Erfahrungshintergrund schildert Prof. Dr. Ursula Rabe-Kleberg den schwierigen Schritt von einem Programm wie den Bildungsplänen zu einem tatsächlich flächendeckenden Prozess in der Praxis zu kommen, in dem Professions- und Organisationentwicklung Hand in Hand gehen. Als entscheidende Frage stellt sich für sie dabei der Grad einer rechtlich verbürgten Verbindlichkeit dar.


Welche Anforderungen erwachsen den ErzieherInnen konkret aus den einzelnen Bildungsprogrammen der Länder und in welcher Relation stehen sie zu den strukturellen Ressourcen einer Kita, insbesondere dem Personalschlüssel? Dieser Frage geht Prof. Dr. Susanne Viernickel auf Basis der Expertise „Schlüssel zu guter Bildung, Beziehung und Betreuung – Wissenschaftliche Parameter zur Bestimmung der pädagogischen Fachkraft-Kind-Relation“ nach und fordert angemessene Zeitkontingente auch für die mittelbare pädagogische Arbeit.


Auf welche Weise die Jugendhilfe zu einer nicht nur quantitativen, sondern verstärkt auch qualitativen Bildungsplanung und auch für die Umsetzung der Bildungspläne in den KiTas vor Ort beitragen kann, zeigt nifbe-Geschäftsführer Reinhard Sliwka in seinem Fachbeitrag.
 

In einem Ausblick plädiert Prof. Dr. Hilmar Hoffmann, Leiter der Forschungsstelle Elementarpädagogik des nifbe, schließlich für ein „Projekt der Entschleunigung“. Er fordert eine langfristig angelegte Strategie, in der der Umsetzung der Bildungspläne Priorität eingeräumt wird und auf „das Erfinden immer neuer Themen und Anforderungen zunächst einmal zu verzichten“.
 

In den Best Practice-Beispielen wird anhand von niedersächsischen und bayrischen Kitas die Einführung und Umsetzung der Bildungspläne im pädagogischen Alltag beschrieben – ein spannender Prozess, in dem die KiTas sich auf den Weg machen, zu einer „lernenden Organisation“ zu werden und die „Partizipation“ auf allen Ebenen eine große Rolle einnimmt. Darüber hinaus stellt sich auch das kommunale Qualifizierungsprojekt „QUASI“ aus Heidelberg sowie das Berliner KiTa-Institut vor, das auf exemplarische Weise die Umsetzung der Bildungspläne in einem Bundesland begleitet und auch verbindlich durch interne und externe Evaluationen überprüft – und damit ein nachahmenswertes Beispiel für andere Bundesländer bietet.
 

Nur der erste Schritt ist getan

 

Aus verschiedenen Perspektiven und auf verschiedenen Ebenen zeigen die Beiträge in diesem Band, dass mit der Einführung der Bildungspläne erst ein erster Schritt getan wurde. Für ihre nachhaltige erfolgreiche Umsetzung bedarf es aber weiterer entscheidender Schritte: von der besseren Unterstützung des Prozesses durch Fortbildungen, Informations- und Vernetzungsangebote und bessere Rahmenbedingungen bis hin zu seiner rechtlichen Verbindlichkeit, Überprüfung und letztlich auch Sanktionierung. Erst dann können die Bildungspläne tatsächlich zu qualitativen Reformmotoren in der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung werden.

 

Karsten Herrmann

 

nifbe (Hrsg.): Starke Kitas – starke Kinder. Mit Beiträgen von Hilmar Hoffmann, Ursula Rabe-Kleberg, Susanne Viernickel, Renate Zimmer u.a. Herder, 128 S., 14,95 Euro.