media 101023977Immer öfter klagen pädagogische Fachkräfte über verhaltensauffällige Kinder und fühlen sich dadurch zunehmend an ihren Belastungsgrenzen. Doch was sind „Verhaltensauffälligkeiten“ eigentlich, was steckt dahinter und wie können Fachkräfte im pädagogischen Alltag lösungsorientiert damit umgehen? Diese Fragen beleuchtet das neue nifbe-Buch im Herder-Verlag und geht dabei auch auf aktuelle Entwicklungen wie die Corona-Pandemie, zunehmenden Medienkonsum oder auch hochsensible Kinder ein.

Im Einführungskapitel geben Bettina Lamm und Karsten Herrmann zunächst einen Überblick über die aktuelle Studienlage zur Entwicklung kindlicher Verhaltensauffälligkeiten und skizzieren zentrale Aspekte, um sie zu verstehen und mit ihnen umzugehen. Kritisch fragen sie, was denn eigentlich „normal“ ist und ob der von Fachkräften gespannte Rahmen passt, aus dem Kinder mit ihrem Verhalten herausfallen.

Der eigentlichen Botschaft auf der Spur

Im folgenden Abschnitt wird das kindliche Verhalten intensiv aus einer entwicklungspsychologischen und kulturvergleichenden (Bettina Lamm) sowie einer systemischen Perspektive (Holger Jessel) betrachtet. Des Weiteren geht Jürgen Seewald dem Verstehen des Verhaltens auf den Grund und unterstreicht: „Nur wenn wir uns selbst (besser) verstehen, können wir Kindern und Jugendlichen Orientierung bieten und ihr Verhalten besser verstehen.“ Sehr deutlich wird in diesen Kapiteln herausgearbeitet, dass kindliche Entwicklung von einer hohen Variabilität gekennzeichnet ist und dass kindliches Verhalten von vielen verschiedenen Faktoren und Interdependenzen beeinflusst ist - und daher immer im sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Kontext betrachtet werden muss. Für einen gelingenden Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern erweist es sich darüber hinaus als zentral der eigentlichen Botschaft des Verhaltens auf die Spur zu kommen und als Fachkraft die Fähigkeit zum Perspektivwechsel und zum „Reframing“ zu entwickeln.

Externalisierendes und internalisierende Verhalten im Blick

Im Mittelteil des Buches zeigen Andreas Mayer und Dorothee Gutknecht aus sowohl psychologischer wie pädagogischer Perspektive auf, wie auffälliges Verhalten konkret zu sehen und verstehen ist. Sie nehmen dabei die gängige Unterscheidung von externalisierenden und internalisierenden Verhaltensweisen in den Blick und führen dies exemplarisch an den Phänomenen des Beißens und des Mutismus - also des Nicht-Sprechens - aus. Sie unterstreichen, dass Verhalten erst dann sinnvoll interpretiert werden kann, wenn man sowohl die nach außen gerichteten Ausdrucksformen psychischer Befindlichkeiten als auch die Innenseite beobachteter Verhaltensweisen berücksichtigt, man also „Innen- und Außenseite“ zusammendenkt. Daran anschließend geht Klaus Kokemoor auf zunehmende Entwicklungsgefahren durch einen nicht erst seit der Corona-Pandemie zu beobachtenden übermäßigen Medienkonsum schon im KiTa-Alter ein und Christina Kunay beleuchtet das seit einiger Zeit viel diskutierte und strittige Phänomen der hochsensiblen Kinder.

Grundlagen legen und Zugänge finden

Doch was schützt Kinder schon präventiv vor der Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten? Michaela Kruse und Jörg Maywald führen aus, dass eine verlässliche und wertschätzende Beziehung die Basis und die Kinderrechte der unhintergehbare Rahmen für eine gesunde und soziale Entwicklung von Kindern sind. Ziel muss es dabei sein, ihnen viele Selbstwirksamkeitserfahrungen und damit auch eine Selbstermächtigung zu ermöglichen.

In einem breiten Spektrum werden abschließend konkrete Zugänge, Fallbeispiele und Methoden für den Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern aufgezeigt – von der Resilienzförderung und Ressourcenorientierung (Michaela Kruse / Christoph Elling) über psychomotorische und leiborientierte Ansätze (Fiona Martzy / Peter Kessel, Holger Jessel) und die Natur als Entlastungsraum (Thorsten Späker) bis zur Team-Methode der Fallbesprechung (Michael Lichtblau).

Download Inhaltsverzeichnis

  • Jedes Verhalten hat seinen Sinn. Herausfordernden Kindern in der KiTa begegnen. Hrsg. vom nifbe. Herder-Verlag, 176 S., 28,00 Euro

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