Diskussion mit Kultusminister Grant Hendrik Tonne zeigt Perspektiven für Qualitätsverbesserung auf


Aufgrund der massiven Kritik an der Entwurfsfassung für ein neues KiTaG (s.a. hier) hat die SPD-Fraktion jetzt zusammen mit Kultusminister Grant Hendrik Tonne zu einem offenen Expert*innen-Austausch eingeladen. „Die Jüngsten sind uns etwas wert“ unterstrich Stefan Politze als bildungspolitischer Sprecher einführend und erhoffte sich „einen konstruktiven Austausch zum Wohle der Frühkindlichen Bildung in Niedersachsen“.
DSC 0396Stefan Politze und Kultusminister Grant Hendrik Tonne (Quelle: SPD Landtagsfraktion Niedersachsen)Zum Auftakt schilderte Kultusminister Grant Hendrik Tonne Ziele und Absichten der Novellierung des KiTaG. So habe das bisherige und nur punktuell angepasste KiTaG aus dem Jahre 1993 „grundsätzlichen Novellierungsbedarf“ gehabt und zum anderen gab es im Rahmen des „Gute KiTa Gesetzes“ die verwaltungstechnische Verpflichtung die Kindertagespflege mit aufzunehmen. Tonne betonte den „Bildungs- und Erziehungsauftrag“ der KiTas und einen „besonderen Stellenwert der inklusiven Bildung und gleichberechtigten Teilhabe“ in der frühkindlichen Bildung. Er sprach sich dabei für ein „modernes Verständnis von Inklusion“ aus, das nicht auf Kinder mit Behinderungen reduziert sei.

Forderung nach mehr Qualität berechtigt, aber...

Die Forderung nach der „Verankerung von mehr Qualität im KiTaG“ sah er als „berechtigt“ an, wies aber auf zwei grundsätzliche Probleme hin: So habe die Corona-Pandemie einerseits zu einer „dramatischen Finanzlage“ geführt und andererseits bremse der derzeitige Fachkräftemangel alle Bemühungen um Qualitätsverbesserungen. Ziel müsse es daher sein, die Ausbildungskapazitäten weiter zu steigern und Quereinsteiger*innen in die KiTas zu holen ohne dabei Abstriche bei der Qualifikation zu machen. Hierzu sei auch der Fachkräftekatalog im neuen KiTaG ausgeweitet worden.

Im Hinblick auf das schon Erreichte hob der Kultusminister die „Dritte Krippenkraft“ und die „QUIK“- bzw. „Qualität in KiTas“-Richtlinie heraus, die durch das Gute KiTa Gesetz finanziert wird. Eine weitere Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels sei von den entsprechenden weiteren Bundesmitteln abhängig, die noch nicht gesichert seien.

"Belastende Arbeitssituation"

In der Folge beleuchtete Marco Brunotte als SPD-Mitglied und Vertreter der Freien Wohlfahrtspflege das neue KiTaG aus Sicht der KiTa-Träger. Eine Novellierung sei unabdingbar, weil sich heute eine völlig andere KiTa-Situation darstelle als 1993. Die Aufgaben und Anforderungen an KiTa-Fachkräfte seien massiv gestiegen und vor Ort herrsche eine „belastende Arbeitssituation“. Als notwendig stellte Brunotte einen besseren Personalschlüssel, eine höhere Verfügungszeit sowie die Leitungs-Freistellung dar. Zudem bräuchten Fachkräfte mehr Zeit für Elternarbeit, sozialräumliche Vernetzung und für die Inklusion.

Aber auch Brunotte stellte den Fachkräftemangel als zentrales Problem dar und fürchtete eine „weitere Verschärfung durch den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz“. Er sprach sich daher auch für mehr Quereinsteiger*innen in der KiTa aus, „aber ohne dabei die Fachkraft-Definition aufzuweichen“. Für die Verbesserung der Rahmenbedingungen in der frühkindlichen Bildung müssten Bund, Länder und Kommunen jetzt an einem Strang ziehen.

Fachkräftemangel als zentrales Problem

In der folgenden Diskussion nahm der Fachkräftemangel eine zentrale Rolle ein und Detlef Arting von ver.di wies auf die „massive Fachkräfteabwanderung“ aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen im KiTa-Bereich hin. Hier müsse dringend gegengesteuert werden. Ganz in diesem Sinne wertete Stefanie Lüpke von der LAG Elterninitiativen die „Einführung der dritten Fachkraft“ in Kindergarten-Gruppen als „Maßnahme gegen den Fachkräftemangel“, weil gute Arbeitsbedingungen Fachkräfte anziehen würden. Der Stufenplan für die Einführung der Dritten Fachkraft sei dafür eine gute Blaupause.

Prof. Dr. Tim Rohrmann von der HAWK Hildesheim wies grundsätzlich darauf hin, dass Niedersachsen mit diesem KiTaG zurückfallen wird und dass uns bei einer ausbleibenden Qualitätsverbesserung in der Frühkindlichen Bildung die „Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Entwicklung von Kindern“ vor die Füße fallen werden. Klaus Kokemoor, Inklusionsfachberater in der Landeshauptstadt Hannover, kritisierte scharf den fehlenden Rechtsanspruch auf einen integrativen Kindergarten-Platz im neuen KiTaG und wies daraufhin, dass Niedersachsen in der Inklusion Schlusslicht sei: Während laut Bertelsmann-Stiftung im Bundesdurchschnitt nur 6 Prozent der Kinder mit Behinderungen in Sondereinrichtungen kommen, seien dies in Niedersachsen 42 Prozent. Grant Hendrik Tonne nahm diese Zahlen mit Erstaunen zur Kenntnis und versprach eine Prüfung dieser „Schräglage“.

Verbindlicher Stufenplan als Perspektive?

Im Resümee sagte der Kultusminister, dass es nun gelte „unterschiedliche Interessen“ wie „mehr Plätze, mehr Fachkräfte und mehr Qualität“ zueinander zu bringen. Er sah aber auch die Notwendigkeit „Perspektiven“ aufzuzeigen und zeigte sich aufgeschlossen, zusammen mit dem KiTaG einen verbindlichen Stufenplan für Qualitätsverbesserungen zu verabschieden.

Zum Abschluss versprach auch Stefan Politze die in der Diskussion vorgebrachten Argumente für Qualitätsverbesserungen „in die kommenden Beratungen mit aufzunehmen und insbesondere vor dem Hintergrund der finanziellen Mittel zu beleuchten.“ Auch er brachte einen „Entschließungsantrag mit einem verbindlichen Stufenplan für Qualitätsverbesserungen“ ins Spiel und machte zugleich klar: „dafür brauchen wir aber Rückenwind und alle müssen ihre Stimme erheben“. Diesen Ansporn gilt es nun ernst zu nehmen!

Karsten Herrmann