Die Zusammenarbeit mit Eltern oder sogar eine Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit ihnen ist eine stetige große Herausforderung für pädagogische Fachkräfte in den KiTas – und dies einmal mehr in Zeiten von Corona. Was erwarten aber Eltern von Fachkräften und was sind aus ihrer Sicht die Dreh- und Angelpunkte für einen Dialog auf Augenhöhe? Diese Fragen beantwortete Prof. Dr. Susanne Borkowski von der Hochschule Magdeburg-Stendal jetzt im Rahmen der kostenlosen nifbe-Vortragsreihe „KiTa in Corona-Zeiten“. Eingeführt und moderiert wurde die Veranstaltung von den nifbe-Transfermanagerinnen Gerlinde Schmidt-Hood und Iris Hofmann.

Grundlage für den Vortrag bot die Promotionsstudie von Susanne Borkowski, die auch bereits viele Jahre als Erzieherin und KiTa-Leiterin gearbeitet hat und sich auch aus dieser Perspektive viel mit der Zusammenarbeit mit Eltern beschäftigt hat. In ihrer Studie hat die Professorin für Kindliche Entwicklung und Gesundheit 121 leitfadengestützte Interviews mit 115 Müttern und 6 Vätern durchgeführt. Die Teilnehmer*innne wurden dabei nach psychosozialer Belastungslage und Sozialstatus durch Anwendung des Family Adversity Index (FAI) klassifiziert. Demnach hatten rund zwei Drittel einen niedrigen Sozialstatus und eine hohe psychosoziale Belastungslage und rund ein Drittel eine hohen Sozialstatus und eine niedrige psychosoziale Belastungslage.

Problematische Einstiegs-Phase

Eines der erstaunlichsten Ergebnisse der Studie war für Susanne Borkowski, dass fast alle Eltern die schwierige Zeit des KiTa-Einstiegs heraushoben, in der sie sich unsicher und oftmals zuhause allein gelassen fühlten. Während diese Phase bei Eltern mit hohem Sozialstatus aufgrund der Wiederaufnahme eines Jobs oder eines besseren sozialen Netzwerks relativ kurz war, hielt sie bei Eltern mit niedrigem Sozialstatus länger an. „Die Neudefinition als Eltern eines Kindergartenkindes gelingt sehr unterschiedlich“ fasste sie zusammen und formulierte einen ersten Kernpunkt für die gelingende Zusammenarbeit mit Eltern: „Erziehungspartnerschaft kann nur erfolgreich sein, wenn sie die persönlichen Voraussetzungen der Mütter berücksichtigt und an den individuellen Belastungen und Spannungszuständen ansetzt.“

Wie die Studie weiterhin zeigt, wählen Eltern mit niedrigem Sozialstatus die KiTa für Ihre Kinder stark nach Sympathie zu und Vertrauen in die Fachkräfte aus. Diese Faktoren, so Susanne Borkowski, schwinden aber schnell, „wenn Fachkräfte sich distanziert oder maßregelnd verhalten, wenn sie Eltern bloßstellen oder sie ungleich behandeln.“ Für Eltern mit niedrigem Sozialstatus, die die Fachkräfte aufgrund ihrer Fachlichkeit und ihrer Professionalität als in der Hierarchie über sich stehend wahrnehmen, „ist eine Begegnung auf Augenhöhe unheimlich wichtig.“ In diesem Sinne komme der positiven Ausgestaltung der Beziehungsebene eine nicht zu überschätzende Bedeutung zu.

KiTa als Black Box

Als problematisch zeigte sich in der Studie aus Sicht der Eltern auch die Transparenz der Alltagsgestaltung in der KiTa, „die für viele Eltern eine Art Blackbox darstellt“ und woraus sich viele Missverständnisse oder Konfliktpotenziale ergeben können. In Bezug auf die eigene Partizipation schätzen Eltern mit niedrigem Sozialstatus eher die konkrete Beteiligung am KiTa-Alltag, während sich Eltern mit hohem Sozialstatus auch gerne in Gremien wie Elternbeiräten engagieren. Als verbesserungswürdig zeigte sich in der Studie auch die mit „großen Chancen verbundene“ Vermittlung von weiterführenden (Unterstützungs-) Angeboten wie zum Beispiel der Frühen Hilfen durch KiTa-Fachkräfte an Eltern – möglicherweise ein Hinweis auf eine nicht ausreichende sozialräumliche Vernetzung der Einrichtungen.

Positive Beziehungsgestaltung als Schlüssel

Im Resümee ihrer Studienergebnisse unterstrich Susanne Borkowski, dass für eine gelingende Erziehungs- und Bildungspartnerschaft „die positive Ausgestaltung der Beziehungsebene sich als Schlüsselstrategie erweist“ und dass dann erst der inhaltliche Austausch folge – auch und gerade in der auch für Eltern ungemein wichtigen „Eingewöhnungsphase“. Voraussetzung dafür sei „ein machtsensibles und vorurteilsbewusstes Unterstützungs- und Hilfsangebot durch die Fachkräfte, jenseits von Kompensations- und Frühwarnfunktion“.

Die zentrale Frage von Eltern sei „Wie kann ich meinen Alltag auf die Reihe bekommen?“ und um hier Rat zu geben, sei das Wissen der Fachkräfte um die jeweiligen Lebensumstände der vielfältigen Familien unabdingbar. Kontraproduktiv seien auch „ungefragte Ratschläge“ an die Eltern und, wie es später in einer intensiven Diskussionsrunde eine Teilnehmerin formulierte „Es hilft mehr zu fragen als zu sagen“.

Eine durchgehende Konstante sollten, so Susanne Borkowski, in der Zusammenarbeit mit Eltern auch die Entwicklungsgespräche bilden, in denen vor allen Dingen auch positive Aspekte und nicht nur Defizite angesprochen werden sollten – wie sich Fachkräfte auch überhaupt nicht von einem Defizitblick auf Eltern leiten lassen sollten. In diesem Sinne schrieb auch eine Teilnehmerin: „Jede Mutter möchte das Beste für ihr Kind. Wenn man dann keine Wertschätzung diesbezüglich in erster Weise rüberbringt, kann eine gelungene Erziehungspartnerschaft meiner Meinung nach nicht gelingen.“

Zusammenarbeit mit Eltern in Corona-Zeiten

Zum Abschluss wurde die in Corona-Zeiten ja teilweise aufgrund von Überforderung der Eltern noch wichtigere, aber auch schwierigere Zusammenarbeit mit Eltern thematisiert. Während herkömmliche Formate wie „Tür- und Angelgespräche“ oder „Elternabende“ häufig weggefallen sind, haben viele KiTas aber auch sehr kreative Idee entwickelt, um mit den Eltern in Kontakt zu bleiben – von herkömmlichen Briefen und Telefonaten über Mails, Newsletter und Podcasts bis zu digitalen Konferenzen oder den Austausch über MS Teams. So wurden auch digitale Entwicklungsgespräche geführt und mit einer Auswertungs-MindMap für das Portfolio des Kindes vorbereitet – hier gab es in der Diskussion viele Hinweise und Ideen der Teilnehmer*innen und gerne kann dieses auch perspektivisch spannende Thema in unserem Forum weiter diskutiert werden.

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Zusammenarbeit mit vielfältigen Familien


Karsten Herrmann