nifbe-Tagung "Experimentieren, Entdecken und Gestalten"


Welche Potenziale bieten Lernwerkstätten für die selbsttätige Bildung und Entwicklung von Kindern und insbesondere auch für einen gelingenden Übergang von der KiTa in die Grundschule? Diese Frage stand im Zentrum einer frühzeitig ausgebuchten nifbe-Fachtagung unter dem Titel „Experimentieren, entdecken und gestalten in Lernwerkstätten“ in der Osnabrücker Lagerhalle. Seine Premiere feierte hier auch der neue nifbe-Film „Das Prinzip Lernwerkstatt“.
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IMG 4692Zur Begrüßung freute sich nifbe-Geschäftsführer Reinhard Sliwka insbesondere darüber, dass mit der Tagung sowohl ErzieherInnen wie auch LehrerInnen angesprochen werden konnten. Dies sei ein Beweis, dass „das selbstständige und eigenverantwortliche Lernen heute in vielen Bildungseinrichtungen und insbesondere auch in der öffentlichen Bildungsdiskussion hoch im Kurs steht“. Er betonte die Chance, mit Lernwerkstätten „Brücken für den Übergang zwischen KiTa und Grundschule zu bauen“ und zur „Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von Lernprozessen und Lernzielen“ beizutragen.

Ressourcenorientierte Haltung als Grundlage

breeEine „plastische und persönliche Einführung“ in das Thema der Lernwerkstätten bot Prof. Dr. Stefan Breé von der HAWK Hildesheim. Er umriss die lange Tradition dieses „reformpädagogischen Projektes“, das von Comenius über die Romantiker und Pestalozzi bis zur Montessori- und Reggio-Pädagogik reiche. Im Zentrum hätten dabei jeweils „Handarbeit, Prozessorientierung und kontrollierte Experimentalität“ gestanden. Unabdingbar für das selbstbestimmte und entdeckende Lernen im Dialog sei dabei eine „ressourcenorientierte und entwicklungsfördernde Haltung“. Auch im kurzweiligen Rückblick auf eigene biographische Erfahrungen formulierte er drei Thesen zu Lernwerkstätten:

  • Kindheit ist Lernwerkstatt
  • Der Kopf lernt nur mit Hand und Herz
  • Lernwerkstatt schützt vor Vergessen

Auch Stefan Breé wies auch die „bildungspolitische Bedeutsamkeit“ von Lernwerkstätten für den Übergang von der KiTa in die Grundschule hin, „weil sie Spielen und Lernen verknüpfen“. Resümierend definierte er die Lernwerkstattarbeit „als Haltung, als ein Prinzip und als einen umfangreichen Bildungsauftrag“.

Inspirierende Film-Premiere


wolter hoppeFaszinierende visuelle Einblicke in die Werkstattarbeit bot im Anschluss die Premierenvorführung des nifbe-Films „Das Prinzip Lernwerkstatt“, der von Prof. Dr. Stefan Breé und Prof. Dr. Hilmar Hoffmann von der Universität Osnabrück inhaltlich begleitet und von Annette Hoppe und Bernd Wolter von der Medienwerkstatt Linden umgesetzt wurde. Vorgestellt wird in diesem Film nicht nur die unmittelbare Lernwerkstattarbeit mit Kindern wie an der Grundschule Riemsloh oder beim Osnabrücker „Kindercampus-Tag“, sondern auch die Vermittlung des Lernwerkstattprinzips in der Lehre wie an der HAWK Hildesheim. Hier können angehende KindheitspädagogInnen den bedeutungsoffenen oder auch thematisch fokussierten Umgang mit Materialien aller Art und die dahinter stehende Pädagogik unmittelbar erleben und reflektieren. Sie erfahren dabei, dass nicht das Produkt am Ende das Entscheidende ist („Was soll das werden?“ „Was soll das sein?“), sondern die individuellen Zugänge und kreativen Prozesse, die schon mit einfachsten Materialien und „Abfallprodukten“ aus Industrie und Gewerbe angeregt werden können.

Lernwerkstatt als Übergangs-Instrument

tremelDie Lernwerkstattarbeit im Übergang von der KiTa in die Grundschule stand im Fokus eines Vortrags von Heide Tremel. Sie hatte das vom Land Niedersachsen durchgeführte Pilotprojekt „Kita und Grundschule unter einem Dach“ begleitet und evaluiert (sieh hier: Kita und Grundschule unter einem Dach). An sechs der acht Modellstandorte waren Lernwerkstätten eingerichtet worden, um trotz der unterschiedlichen Traditionen von KiTa und Grundschule zu einem gemeinsamen Bildungs- und Lernverständnis zu gelangen – denn hier könnten sich „spielerische Lernfreude, Wissbegierde und Forschergeist die Hand geben“ und verschiedene kindliche Entwicklungsstadien auf einem Spektrum vom Konkreten zum Abstrakten bedient werden. Entgegen einer weit verbreiteten Meinung führte Heide Tremel aus, dass der Orientierungsplan für KiTa-Kinder mit seinen Lernbereichen und Erfahrungsfeldern sowie die Kerncurricula der Grundschule in Niedersachsen durchaus anschlussfähig sind und die Kinder als eigenaktive und ko-konstruktive Lerner betrachteten.

Grundsätzlich, so Tremel, sei die Lernwerkstatt ein „Raum mit Aufforderungscharakter“ und böte „Anlass zum Staunen und Fragen oder auch zur Irritation“. Sie könnte sowohl themenoffen als auch auf bestimmte Bildungsbereiche wie MINT, Kunst oder Bewegung ausgerichtet sein. In beiden Fällen sei aber eine „strukturierte Lernumgebung mit Regeln und Ritualen“ wichtige Gelingensbedingung. Lernwerkstätten ermöglichten individuelle Lösungswege und seien für die Kinder ideal um jeweils in die nächste Zone der Entwicklung vorzustoßen. Verbunden damit seien:

  • Thesenbildung und Theorieentwicklung
  • Sprechen, Reflektieren, Dokumentieren, Präsentieren
  • Selbstwirksamkeitserfahrungen und Erfolgserlebnisse
  • Teamarbeit
Als einen besonderen Aspekt bei den Lernwerkstätten im Übergang stellte Heide Tremel das „Crossed Aged Tutoring“ dar. In einer Lehr-Lern-Situation würden die Grundschulkinder zu „Peer-Tutoren“, die besondere Aufgaben wie Lesen oder Rechnen übernehmen und die KiTa-Kinder unterstützen könnten.

Von den Pädagogischen Fachkräften und LehrerInnen erforderten Lernwerkstätten eine „ko-konstruktive Lernbegleitung und Prozessorientierung“. Sie „konzipieren, strukturieren, arrangieren, beobachten, dokumentieren und reflektieren und sind die Dialogpartner der Kinder“ resümierte Heide Tremel.

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In sechs verschiedenen Workshops konnten die 120 TeilnehmerInnen der Tagung dann ganz verschiedene Aspekte der Lernwerkstatt-Arbeit erleben, diskutieren und reflektieren – vom Arbeiten mit bedeutungsoffenen Materialien in der NetzWerkstatt einfallsreich! über Ansätze der Ästhetischen Bildung, der Sprach- und MINT-Bildung in Kita und Übergang bis hin zu Lernwerkstätten in der Ausbildung. Allen gemeinsam war, dass die TeilnehmerInnen das Prinzip der Lernwerkstatt mit unterschiedlichsten Materialien und didaktischen Settings hautnah erfahren und viele Anregungen für ihre Einrichtungen mit nach Haus nehmen konnten.

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Wie nifbe-Moderatorin Maria Korte-Rüther in einer Abschlussrunde mit den Workshop-LeiterInnen erfuhr, ist der wichtigste Schritt auf dem Weg zur Lernwerkstatt das „Anfangen“: Hierfür bräuchte man keine eigenen Räume, sondern es genüge zunächst eine kleine Ecke mit wenigen Materialien. Dies könnte dann Stück für Stück ausgebaut werden. „Lassen Sie sich von den zumeist nicht ausreichenden Rahmenbedingungen nicht entmutigen und machen Sie sich auf den Weg zur Lernwerkstatt“ rief Monika Schaarschmidt von der KiTa Eversburg in Osnabrück die TeilnehmerInnen auf und erntete dafür viel zustimmendes Kopfnicken.


Präsentation und Skript Stefan Breé

Präsentation Heide Tremel

Karsten Herrmann