Neue Medien in der Frühpädagogik

Zur Mythologie der neuen Medien in der Frühpädagogik oder Der dritte Lernort

Inhaltsverzeichnis

  1. Mythos 1: Kindergartenkinder nutzen neue Medien nicht
  2. Mythos 2: Neue Medien sind kein Gegenstand der Frühpädagogik
  3. Mythos 3: Die negativen Aspekte der Medien überwiegen
  4. Mythos 4: Der Erzieherinnenberuf ist ein Bildungsberuf
  5. Mythos 5: Neue Medien sind Gegenstand der Erzieherinnenausbildung
  6. Mythos 6: Lehrkräfte in der Erzieherinnenausbildung vermitteln Medienkompetenz
  7. Mythos 7: Wer Erzieherinnen ausbildet, kann auf neue Medien verzichten
  8. Mythos 8: Die Vermittlung von Medienkompetenz ist gleichmäßig verteilt
  9. Mythos 9: E-Learning gehört zur frühpädagogischen Aus-, Fort- und Weiterbildung
  10. Mythos 10: Fachforum im Netz versus Facebook
  11. Mythos 11: Der Dialog zwischen Lernort Schule und Praxis funktioniert online nicht
  12. Zukunftskonzept „Neue Medien in der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte“.
  13. Netz-Tipps für AusbildnerInnen, ErzieherInnen und Kinder
  14. Literatur

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Zukunftskonzept „Neue Medien in der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte“


Die Vergangenheit zeigte, dass die eher bewahrpädagogische Haltung zu elektronischen Medien in der Frühpädagogik nahezu unerschütterlich zu sein scheint. Wie sonst konnten sich Medien-Mythen über mehrere Jahrzehnte derart verfestigen?

Wir brauchen ein umfassendes Zukunftskonzept „Neue Medien in der Frühpädagogik“ – und zwar nicht erst in zehn Jahren. Um den Mythen zu begegnen, müsste ein solches Medien-Konzept folgende Forderungen beinhalten:

  • E-Lernen in der Frühpädagogik ermöglichen;
  • Kompetenz in Sachen neue Medien erwerben;
  • Konzepte und Möglichkeiten der Medienbildung kennen lernen;
  • verbindliche Vorgaben in die CurriculaCurricula|||||Ein Curriculum ist ein Lehrplan, Modulplan oder Lehrprogramm, das Aussagen über Lehrziele und Ablauf des Lehr- Lern – Arrangement gibt und auf einer Didaktik aufbaut. aufnehmen;
  • allen frühpädagogischen Fachkräften Zugang zum Internet verschaffen;
  • neue Medien in die Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte integrieren;
  • ein breites, transparentes Angebot an Fort- und Weiterbildungen für Lehrkräfte und Erzieherinnen entwickeln;
  • bedarfsgerechte, nachhaltige Webangebote entwickeln und virtuelle Lerngemeinschaften gründen.
 

E-Lernen in der Frühpädagogik

Was wollen wir mit E-Lernen in der Frühpädagogik erreichen? Wie können wir Lernportale im Netz so gestalten, dass Erzieherinnen sie selbstorganisiert und nachhaltig nutzen können?

Wenn wir allen frühpädagogischen Fachkräften sinnvolles Lernen ermöglichen wollen, müssen wir didaktisch und methodisch fundiert sowie wissenschaftlich begründet vorgehen. Da stellt sich erst einmal die Frage: Was ist E-Lernen?

Legt man eine breite Definition elektronisch unterstützten Lernens zugrunde, zählen alle Lernformen dazu, bei denen elektronische Medien für die Darstellung und Verteilung von Lernmaterialien sowie zur Unterstützung der Kommunikation eingesetzt werden. Mit dem Internet kann man lernen, wenn man an Internet-Seminaren oder kombinierten Vor-Ort- Internet-Seminaren (Blended-Learning) teilnimmt, sich im Selbststudium oder in Lerngemeinschaften (Learning-Communities) mit Fachthemen beschäftigt oder fachliche Fragen zielgerichtet verfolgt. Die beiden letzteren Lernformen bieten sich für selbstständiges und selbstorganisiertes Lernen in der und für die Kita an.
 

Was wollen wir mit E-Lernen in der Frühpädagogik erreichen?

  • Wir wollen erreichen, dass neue Medien das Lernen am Arbeitsplatz Kita, in der Aus-,Fort- und Weiterbildung ermöglichen und unterstützen – ein selbstorganisiertes, lebenslanges Lernen.
  • Wir wollen erreichen, dass sich Kompetenzen durch die Reflexion in virtuellen Lerngemeinschaften erweitern und dass Problemlösungen mit anderen Interessierten – auch außerhalb der eigenen Kita – diskutiert werden können.
  • Wir wollen erreichen, dass aktuelle berufsspezifische Themen so aufbereitet werden, dass neue Erkenntnisse und Publikationen von Praktikerinnen diskutiert werden können.
  • Wir wollen erreichen, dass das Erfahrungswissen von Praktikerinnen sich mit dem Wissen anderer Expertinnen und Experten vernetzen kann, so dass Kooperationsprozesse entstehen.
  • Wir wollen erreichen, dass das Lernen des einzelnen Menschen zum Erfahrungs- und Wissensschatz aller Beteiligten und der gesamten Organisation werden kann.
  • Wir wollen erreichen, dass alle Beteiligten fachliche und emotionale Unterstützung erfahren,  weil sie ernst genommen werden und ihr Wissen geschätzt wird.
  • Wir wollen erreichen, dass den Nutzerinnen ein jederzeit zugänglicher Lernraum für die (Selbst-)ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.   durch kooperative, multiprofessionelle und prozessorientierte Praxisreflexion zur Verfügung steht.

Das Rad muss nicht neu erfunden werden. Von sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und Co. zu lernen kann hilfreich sein. Allerdings muss ein zielgruppenspezifischer Mehrwert generiert werden: Wer durch die Nutzung etwas erhält, das er sonst so nicht oder nur schwer bekommt, wird die entsprechenden Anwendungen auch künftig nutzen.

Online-basiertes Wissensmanagement muss passgenau auf die Zielgruppe und die Arbeitsfelder zugeschnitten sein. Das heißt: Informationen muss man so sammeln und bündeln, dass sie im Arbeitsprozess schnell und effizient genutzt werden können. In vernetzten Einrichtungen bietet das Internet Erzieherinnen die Möglichkeit, bei der Arbeit durch die Arbeit zu lernen, mit Kolleginnen zu kommunizieren und sich weiterzubilden – nicht nur mittels institutioneller, formeller und von außen organisierter Angebote, sondern auch informell und selbstorganisiert. Schlüsselqualifikationen wie Selbstständigkeit, Teamfähigkeit und Kreativität werden dabei gefördert. Voraussetzung ist allerdings die Öffnung des Internet-Computers für alle Mitarbeiterinnen. Problematisch wird es jedoch, wenn Träger den Abbau betrieblicher Lernarrangements mit dem informellen Lernen begründen und so ihre Verantwortung für die Qualifizierung des Personals abwälzen.

In der Praxis gibt es bereits erste Erfahrungen mit dem E-Lernen in der Frühpädagogik. Zwar sind das noch Insellösungen, aber sie können zusammengefasst, optimiert und in ein Gesamtkonzept integriert werden.

In der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte kann die Kommunikation mit Auszubildenden und Lehrkräften mittels einer pädagogischen Schulplattform – zum Beispiel IServ – effizient erweitert und gestaltet werden. Sie ermöglicht den Kontakt aller am Lernprozess Beteiligten von jedem Internetanschluss aus – jahrgangs- und fächerübergreifend, unabhängig von örtlichen Gegebenheiten und dem in der Schule üblichen Zeitraster. Der Zugriff erfolgt plattformunabhängig mittels eines gewöhnlichen Internet-Browsers über eine konsistente und intuitiv bedienbare Weboberfläche. Es gibt eine eigene Mailadresse für alle Auszubildenden und Dateispeicher für Personen, Gruppen und Klassen. Aufgaben können verteilt, Ergebnisse termingerecht abgeliefert werden. Vertretungspläne und Informationen stehen allen sofort zur Verfügung.

Im Rahmen der Lernortkooperation zwischen Theorie und Praxis kann die Kommunikation mit Hilfe einer Dialogplattform effizienter gestaltet werden, denn parallel gelagerte Arbeitszeiten verhindern häufig die direkte Kontaktaufnahme der Beteiligten. Die Transparenz von Prozessen, Terminabsprachen der Einrichtungen, die Bereitstellung von Ausbildungsunterlagen, die Bekanntgabe freier Praxisstellen und offener Jobs, der schnelle Mailkontakt – all das kann mit der speziell für diese Zwecke programmierten Plattform deutlich verbessert werden. Sie entstand im Rahmen einer Befragung der Erzieherinnen am Lernort Praxis und wurde unter www.dialog.georgsanstalt.de eingerichtet.

Selbstorganisiertes Lernen ist mittels einiger Internetplattformen in Ansätzen bereits möglich. Per www.bibernetz.de können sich Interessierte verbinden und sich online weiterbilden. Dafür stehen kostenlose Online-Kurse zu Themen von „Kita-Management“ über „Sprachförderung“ bis zu „Medienkompetenz“ zur Verfügung. Merlin2go – entwickelt vom NLQ in Niedersachsen – ist ein digitales Werkzeug zur Medienverwaltung, das es ermöglicht, Medien-Ressourcen auch in nicht vernetzten Umgebungen für den Unterricht zu nutzen. Lehrkräfte und Auszubildende finden hier eine Arbeitsumgebung mit freier Software und Angeboten, die von jedem Rechner aus angesteuert werden können. Dadurch können sie selbstorganisiert auf Medien zugreifen, die bislang meist Lehrkräften vorbehalten waren.

 

Kompetenz in Sachen neue Medien erwerben

Die technisch-funktionale Bedienungskompetenz reicht nicht aus, um in sozialpädagogischen Arbeitsfeldern beruflich handlungskompetent mit dem Internet arbeiten zu können. Also muss sich die Ausbildung der Ausbilderinnen verändern, die die Studiengänge des Lehramts in berufsbildenden Schulen mit der Fachrichtung Sozialpädagogik betreuen. Lehrerinnen und Lehrer an Fachschulen und Berufskollegs müssen künftig in der Lage sein, Internetkompetenz zu vermitteln – inklusive der notwendigen Fachdidaktik.

 
Fachkompetenz

  • Einen Internetzugang selbstständig technisch herstellen und gängige Internetdienste (E-Mail, WWW, Web 2.0-Anwendungen, Online-Banking, Smartphone) sicher nutzen können;
  • Kenntnisse über Strukturen, Zusammenhänge, die Geschichte und sozialkritische Aspekte des Internets haben;
  • dieses Wissen den Vorschriften und Gesetzen gemäß systematisch, reflektiert und fachgerecht im Arbeitsfeld einsetzen.


Methodenkompetenz

  • Zielgerichtet Informationen im Internet finden, differenzieren und aufeinander beziehen;
  • verschiedenen Interaktionsmöglichkeiten zum Kommunizieren, Kooperieren (Teamentwicklung, Eltern- und Gemeinwesenarbeit, Praktikantinnenanleitung) und selbstorganisierten Lernen nutzen;
  • mit neuen Formen der Textpräsentation umgehen;
  • Inhalte sach- und nutzungsgerecht für das Web aufbereiten und veröffentlichen.


Sozialkompetenz

  • Neue Formen der Kommunikation (Diskussionsforen, Mailinglisten, soziale Netzwerke, Online-Communities, Chat) in beruflichen und privaten Zusammenhängen konstruktiv, zielgerichtet und reflektiert einsetzen;
  • Möglichkeiten virtueller Team- und Projektarbeit sowie Learning Communities aktiv gestalten und verantwortlich nutzen.


Personalkompetenz

  • Die Informationsflut selbstverantwortlich mittels verschiedener individueller Strategien bewältigen;
  • eigene berufliche Zukunftsentwürfe für das Arbeitsfeld „Neue Medien und sozialpädagogische Arbeit“ entwerfen und umsetzen;
  • Gesundheitsgefahren neuer Medien erkennen und vermeiden.

 
Medienpädagogische Fachkompetenz

  • Interneteinflüsse auf Kinder und Jugendliche – vor dem Hintergrund ihrer Sozialisationsbedingungen – kennen und kritisch einordnen;
  • den Stellenwert der neuen Medien (Handy/Smartphone, Tablet-PC, internetfähige Spielkonsolen) in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen kennen und deren Bedeutung für die Identitätsentwicklung einschätzen können;
  • Aspekte geschlechtsspezifischer Sozialisation beachten;
  • Gesundheitsgefahren neuer Medien kritisch bewerten und in der Praxis reflektieren;
  • Risiken der neuen Medien für Kinder und Jugendliche kennen;
  • technische Möglichkeiten und rechtliche Grundlagen des Kinder- und Jugendmedienschutzes kennen und anwenden.


Medienpädagogische Methodenkompetenz

  • Konzepte für die medienpädagogische Verwendung der neuen Medien in der Kinder und Jugendarbeit kennen, anwenden und entwickeln;
  • medienerzieherische Projekte im Bereich der neuen Medien mit Kindern und Jugendlichen durchführen;
  • Kinder und Jugendliche medienerzieherisch anregen und unterstützen;
  • neue Medien adäquat und reflektiert zum selbstständigen Lernen, Kommunizieren, Publizieren und Spielen nutzen;
  • Gefahren neuer Medien kennen und altersadäquat darauf reagieren.


Internetpädagogische Sozialkompetenz

  • Mit Kolleginnen und Kollegen Wege erarbeiten, um neue Medien im pädagogischen Alltag angemessen und unter medienerzieherischen Aspekten einzusetzen;
  • Vorgesetzten, Teammitgliedern und Eltern die Bedeutung neuer Medien in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen fachlich korrekt vermitteln;
  • Eltern zum Thema „Neue Medien“ informieren und pädagogisch beraten.


Internetpädagogische Personalkompetenz

  • Eigene berufliche Prioritäten setzen und die medien- und internetpädagogische Kompetenz als einen Baustein der beruflichen Handlungskompetenz weiterentwickeln;
  • flexibel auf Veränderungen des Arbeitsmarkts reagieren;
  • die eigene Medien- oder Internetsozialisation kritisch reflektieren;
  • Kindern und Jugendlichen durch eigenes medienkompetentes Verhalten als Vorbild dienen.


Konzepte und Möglichkeiten der Medienbildung

Natürlich gibt es bereits Konzepte der Medienbildung für den Bereich der Frühpädagogik. Sie müssen allerdings breiter bekannt und ausprobiert werden, denn Kompetenz erwächst aus Erfahrung – bei Kindern wie Erwachsenen. Bewährte Konzepte und Möglichkeiten der Medienbildung müssen zusammengefasst und in der Aus-, Fort- und Weiterbildung umgesetzt werden. Neben den Bildungsplänen – einige müssten hinsichtlich der Medienkonzepte dringend überarbeitet werden – gibt es reichlich Fachliteratur zum Thema.

 

Verbindliche Vorgaben in den Curricula

Wenn die frühpädagogischen Bildungspläne Medien thematisieren, sollten auch die Rahmenrichtlinien und Vorgaben für die Erzieherinnenausbildung solche Inhalte verbindlich festlegen. Gestaltungsspielräume sorgen nicht dafür, dass neue Medien behandelt werden, sondern lassen Lehrerinnen an Fachschulen für Sozialpädagogik zu viel Raum für die individuelle Ablehnung des Themas. Die Ergänzung der Rahmenrichtlinien durch eine curriculare, von den Kultusministerien in Auftrag gegebene Handreichung oder Handlungsempfehlung wäre zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Darüber hinaus sollten neue Medien fest in die Didaktik der Sozialpädagogik integriert werden, da sie in einigen Bereichen eine sinnvolle Ergänzung sind. Kooperation auf Augenhöhe und die Verbesserung der organisatorischen Rahmenbedingungen ist – wie die Erfahrung an unserer Schule seit zwei Jahren zeigt – mittels neuer Medien möglich. Projekte als eine zentrale Methode der Ausbildung können, bezogen auf Selbstorganisation, Eigenverantwortung und Projektplanung, zum Beispiel durch einen Schulserver wie IServ unterstützt werden. Dies gilt auch für die Evaluation von Lernprozessen.

Methodische Wege in der Erzieherinnenausbildung müssen Freiraum schaffen, damit Kompetenzen und Fähigkeiten zur professionellen Selbstreflexion, zum kooperativen Problemlösen und zur wechselseitigen Lernberatung erarbeitet und erprobt werden können. Dieser Freiraum kann in virtuellen Lernumgebungen auf IServ entstehen.

 

Zugang zum Internet für alle frühpädagogischen Fachkräfte

PC und Internet stehen meist im Büro der Leitung, was den Zugang für Erzieherinnen erschwert. Die Geräte werden in erster Linie für die Verwaltung genutzt und wurden deshalb angeschafft. Es ist bekannt, dass Frauen auf der ökonomischen Ebene generell schlechtere Zugangsmöglichkeiten zum Internet haben als Männer. Pädagogischen Fachkräften – in der Frühpädagogik sind es überwiegend Frauen – den Zugang zum Internet und somit zum ELernen zu verweigern heißt, den „digitalen Graben“ zu vertiefen und den Mitarbeiterinnen eine Bildungsmöglichkeit vorzuenthalten. Deshalb fordert die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ die bessere „Ausstattung der Kindertagesstätten mit entsprechenden (…) technischen Ressourcen“. (Enquete 2012, S. 54)

Jede Erzieherin, jede frühpädagogische Fachkraft muss – wie jede Grundschullehrerin – die Möglichkeit haben, das Internet als aufkommendes zentrales Bildungs- und Informationsmedium am Arbeitsplatz zu nutzen und Kompetenzen in Sachen neue Medien zu erwerben. Sinnvoll wäre eine Kampagne „Kitas ans Netz“, ähnlich der vor Jahren entstandenen Kampagne „Schulen ans Netz e. V.“, einer Initiative des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie und der Deutschen Telekom. Die Kampagne hatte das Ziel, die Schulen in Deutschland mit kostenlosen Internetzugängen auszustatten. „Durch konkrete Online-Hilfen, medienpädagogische Konzepte und Angebote begleitet ‚Schulen ans Netz e. V.‘ den Einsatz neuer Medien im Bildungsbereich. Professionelle Internet-Dienste und Plattformen unterstützen Lehrkräfte und außerschulisch tätige Pädagoginnen und Pädagogen (…) bei ihrer täglichen Arbeit mit Computer und Internet. Mit Online-Angeboten, Vorträgen und Fachtagungen leistet ‚Schulen ans Netz e. V.‘ einen Beitrag zum gesamtgesellschaftlichen Dialog rund um das Thema ‚Neue Medien und Bildung‘.“ Eine Kampagne „Kitas ans Netz“ würde die frühpädagogischen Arbeitsfelder ernst nehmen und sie endlich auf eine Stufe mit allen anderen Bildungsbereichen stellen.


Ein Zukunftskonzept „Neue Medien in der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte“

Wie kann die Erzieherinnenausbildung der Zukunft im Bereich „Neue Medien“ aussehen? Aus meiner Sicht müsste sie Folgendes enthalten:

  • Selbstorganisiertes Lernen: keine Trennung von Klassenraum und PC-Raum,
  • Mediendidaktik,
  • vernetztes Lernen: Schule-Praxis-Schule (Disskusionsforen, Dialog-Plattform),
  • fest in die Ausbildung integriertes E-LearningE-Learning||||| E-Learning wird als elektronisch unterstütztes Lernen übersetzt und wird auch als E-Lernen oder E-Didaktik bezeichnet. Nach einer Definition von Michael Kerres werden darunter Lernformen verstanden, bei denen digitale Medien verwendet werden um Lernmaterialien bereitzustellen, zu präsentieren oder zum zwischenmenschlichem Austausch genutzt werden.   ,
  • Medien-Raum als dritter Erzieher,
  • Praxisreflexion in virtuellen Lerngemeinschaften.

Die Enquete-Kommission empfiehlt den Ländern, eine Abstimmung der IT-Systeme an Schulen anzustreben, und fordert mit digitalen Lernmedien befasste Verbände,  Unternehmen und Stiftungen auf, Modelle für den Betrieb digitaler Lernarrangements zu entwickeln. Sie betont: „Hierbei ist es aber notwendig, sich von einem technikbeherrschten Bild zu lösen und vielmehr die strukturellen Voraussetzungen in den Blick zu nehmen. Eine technische Vollausstattung der Schülerinnen und Schüler sowie der Schulen macht wenig Sinn, wenn keine Ausbildung der Lehrkräfte erfolgt und entsprechende Bildungskonzepte nicht zur Verfügung stehen“ (Enquete 2012, S. 4) und empfiehlt, die Vorteile digitalisierter Lernprozesse insbesondere für individualisierte, selbstständige Lern- und Qualifizierungsprozesse zu nutzen und althergebrachte autoritäre Hierarchieverhältnisse zwischen Auszubildenden und Ausbildern aufzubrechen. (Ebd. S. 14)

Die Formel vom Medienraum als drittem Erzieher geht auf den aus der Reggio-PädagogikReggio-Pädagogik|||||Die Reggio-Pädagogik ist ein reformpädagogisches  Gesamtkonzept von Ideen und Praxisstrukturen, die seit den 1960 er Jahren in der Norditalienischen Stadt Reggionell`Emilia in Krippen und Kindergärten entwickelt wurde. Dem Konzept liegt ein humanistisches Menschenbild und eine demokratische Gesellschaftsvorstellung inne. stammenden Begriff vom Raum als drittem Erzieher zurück und beschreibt das dialogische Verhältnis zwischen dem Kind und seiner Umgebung. Auf Erwachsene bezogen heißt das: Neben vielen anderen Ressourcen kann netzbasiertes Lernen die Kommunikation bereichern und Lern-Impulse geben. In der Praxis können EDV-basierte Lernstationen, die täglich geöffnet sind, mit einem I-Lerncafé verknüpft werden, in dem die Nutzung eigener mobiler Endgeräte via W-LAN (Smartphone, Tablet-PC, Notebook) möglich ist. Ein Notebook-Verleih (W-LAN) für Gruppenarbeiten, Projekte und Unterricht rundet das Angebot an technischen Medien ab.7 Die Aula kann als Bildungs-Kino genutzt werden, in dem Online-Vorlesungen aus Fachhochschulen und Universitäten übertragen werden. All dies wird bei uns in der Ausbildung bereits erfolgreich umgesetzt.

Eine Dialogplattform „Schule-Praxis“ erhöht die Transparenz von Kooperationsprozessen, erleichtert die Terminabsprache der Einrichtungen, die Bereitstellung von Ausbildungsunterlagen, die Information über freie Praxisstellen und offene Jobs sowie den schnellen Mailkontakt der am Lernprozess Beteiligten.

Eine Fachmedienbibliothek sollte neben den klassischen Printmedien auch digitale Medien bereithalten und zur Ausleihe anbieten. Die Möglichkeit, schulische Medienplattformen der Bundesländer wie „Merlin“ in Niedersachsen zu nutzen, gehört ebenfalls in den Bereich der Fachmedienbibliotheken. Zusätzlich kann der Verleih von und der Zugang zu medienpädagogischen Ressourcen wie Materialien für die Hörspiel- und Radioproduktion (Schnittsoftware, Mikrofon), für Film- und Fotoarbeiten (Schnittsoftware, Trickbox-Zubehör, Kamera, Stativ) und PC-Spiele in diesen Bereich integriert werden.

In den Bereich des E-Learning könnten künftig bestimmte Ausbildungsinhalte verlagert und dadurch ergänzt werden. Bei nebenberuflichen Qualifizierungsmaßnahmen – zum Beispiel die Qualifizierung von Tagespflegpersonen – kann E-Learning Präsenzzeiten vor Ort reduzieren, was älteren Menschen und Müttern oder Vätern entgegenkommt, die Familie und Beruf auf diese Weise besser vereinbaren können. Gelernt wird, wenn es individuell möglich ist, und nicht, wenn die Institution es vorgibt. Eingebunden in ein Gesamtkonzept, entsteht so ein an die Bedürfnisse der Lernenden angepasstes Lern- und Ausbildungskonzept.

 
Bedarfsgerechte, nachhaltige Webangebote und virtuelle Lerngemeinschaften

Wie müssen neue Medien gestaltet sein, um die Zielgruppe zu erreichen? Websites für Erzieherinnen haben meist den Charme eines Behördenflurs. Das muss sich ändern. Aus meiner Sicht ist Folgendes zu beachten:

  • Die Webangebote müssen niederschwellig sein, so dass Zugang und Nutzung nicht durch unnötige Datenerhebung und Umwege behindert werden.
  • Die Webangebote müssen intuitiv bedienbar sein. Wer ein Handy benutzt, Mitglied sozialer Netzwerke ist oder andere Webseiten liest, studiert seitenlange Anleitungen nicht und besucht kein Seminar zur Nutzung.
  • Usabilitiy-Forschung (Nutzungsforschung) ist bei einer Berufsgruppe sinnvoll, deren Abwehrhaltung gegenüber neuen Medien so groß ist, dass bereits winzige Hürden oder kleine Fehler zum Abbruch der Nutzung führen können. Barrierefreiheit und Benutzerfreundlichkeit bedeuten: Das System ist leicht erlernbar, effizient benutzbar und ruft Zufriedenheit beim Nutzer hervor.
  • Klare Strukturen und Prozesse, aktuelle, ausführlichen Informationen und aussagekräftige Bilder sind begehrt. Eine gute Performance (schneller Seitenaufbau) und die übersichtliche Navigation begeistern vor allem Internetnutzerinnen. Zwar sind die Unterschiede der Mediennutzung von Männern und Frauen nicht groß, aber es gibt sie. Daher ist es sinnvoll, die Zielgruppe „Frau als technische Konsumentin“ ernst zu nehmen und entsprechende Details der Usability zu beachten: Frauen nutzen im Netz bevorzugt Foren, in denen sie sich über ihre Lebensrealität austauschen können.

Fasst man alle Gender-Aspekte zusammen, sind bedarfsgerechte Webangebote im Bereich der Frühpädagogik jene, die die soziale Interaktion und Unterstützung, hohe praxisnahe Alltagsrelevanz und einen Mehrwert – etwas, das man auf anderen Wegen so nicht bekommen kann – im Kontext einer empathischen Atmosphäre in den Vordergrund stellen.

 

Fazit

Wir brauchen dringend ein bundesweites, bedarfsgerechtes Webportal für Berufseinsteigerinnen, Schülerinnen, Erzieherinnen, Praxisanleiterinnen und Lehrkräfte. Ein einheitliches, bundesweites Portal für all diese Zielgruppen ist sinnvoll, da unglaublich viele Überschneidungen und Synergieeffekte zu erwarten sind, die bei den Insellösungen, die es zurzeit gibt, verloren gehen.

Mein Konzept „www.erzieherin-2020.de“, das alle oben aufgeführten Aspekte auf einer Plattform subsumiert, basiert auf mehr als 15 Jahren Erfahrung und Fachkompetenz. Wenn die Zeit reif ist, stelle ich es Interessierten zur Verfügung. Weitere Insellösungen möchte ich damit nicht befördern.