Ich studier, was macht ihr?

Kindheitspädagog*innen in der KiTa

Co-Autoren:

Was woanders völlig normal ist, steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen: studieren, um in der Kita zu arbeiten. Unsere Autoren verraten, was Kindheitspädagoginnen mitbringen, wie sie den Alltag in der Kita bereichern und warum Konkurrenzdenken sinnlos ist.

„Was bist du? Kindheitspädagogin?" Während die einen nicht genau wissen, was sich hinter der Berufsbezeichnung verbringt, diskutieren die anderen heftig darüber. Denn obwohl es heute in den meisten europäischen Ländern selbstverständlich ist, dass Kita-Fachkräfte an Hochschulen studieren – oft sogar auf Masterniveau –, wird eine solche Notwendigkeit in Deutschland nach wie vor infrage gestellt.
Bei der Herausbildung neuer Berufsgruppen sind solche Aushandlungsprozesse nicht ungewöhnlich. Sie sind sogar wichtig, denn dadurch können unterschiedliche Sichtweisen transparent gemacht, das Profil der Berufsgruppe entwickelt und ihre besonderen Merkmale herausgestellt werden. Es lohnt sich also zu fragen: Was zeichnet das Profil von Kindheitspädagoginnen und -pädagogen aus?

Kindheit im Blick

Mit Gründung von kindheitspädagogischen Studiengängen wurde in Deutschland erstmalig eine hochschulische Qualifizierung eingeführt, die explizit auf die Lebensphase Kindheit bezogen ist. Die Bedeutung dieser Entwicklung wird deutlich, wenn wir uns den wachsenden gesellschaftlichen Stellenwert dieser Phase kurz vor Augen führen.
In der Praxis, Wissenschaft und Politik besteht Einigkeit darüber, dass sich in der frühen Kindheit sehr bedeutsame Entwicklungsaufgaben stellen, grundlegende Bildung angebahnt und eine wichtige Basis für ein soziales und demokratisches Miteinander geschaffen wird. Weitgehende Einigkeit besteht auch darüber, dass es für die Begleitung der Kinder neben dem familiären Raum eines öffentlich verantworteten und qualitätsvollen Systems der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern sowie der Unterstützung von Eltern bedarf. Der Besuch einer Kita ist damit zu einer Selbstverständlichkeit im Lebenslauf geworden.
Immer mehr Kinder werden immer früher für eine immer längere Dauer täglich außerfamilial von immer mehr Fachkräften betreut. Angesichts des massiven quantitativen Ausbaus der Kinderbetreuung kommen Fragen der Qualität frühkindlicher Bildung, Erziehung und Betreuung manchmal zu kurz.

Dabei hat sich das Spektrum der Aufgaben bei der Begleitung von Kindern und ihren Familien in den vergangenen beiden Jahrzehnten wesentlich erweitert: Zu steigenden Anforderungen im Rahmen des Bildungsauftrages, etwa im Bereich der Sprachförderung sowie Beobachtung und pädagogischer Diagnostik, kommen Aufgaben der (Gesundheits-)Prävention, der Inklusion, des Kinderschutzes, der Familienbildung und -beratung und der Vernetzung im Sozialraum hinzu. In diesem Zuge werden auch neue Angebotsformen wie beispielsweise Familienzentren entwickelt.

Mit kindheitspädagogischen Studienangeboten wird den gestiegenen Anforderungen an die professionelle Begleitung von Kindern in pädagogischen Einrichtungen und an die Zusammenarbeit mit Familien Rechnung getragen. Kindheitspädagoginnen und -pädagogen begleiten den Wandel der Handlungsfelder für die pädagogische Arbeit mit Kindern durch ihre spezifische Expertise.

Hierbei geht es auch um eine kritische Begleitung der veränderten Bedingungen des Aufwachsens von Kindern in unserer Gesellschaft. Das macht auch das Berufsprofil von Kindheitspädagoginnen und -pädagogen deutlich, das 2015 im Studiengangtag Pädagogik der Kindheit formuliert wurde.

In der Kita und darüber hinaus

Die Entstehungsgeschichte von kindheitspädagogischen Studiengängen ist zunächst eng mit der Bestrebung verbunden, Professionalisierungsprozesse in Kindertageseinrichtungen zu unterstützen. Kitas stellen im Berufsprofil nach wie vor das Kernhandlungsfeld dar. Unterschiedliche Erhebungen zeigen auf, dass um die siebzig Prozent der Absolventinnen und Absolventen hier ihren Berufseinstieg haben. Kindheitspädagoginnen und -pädagogen haben darüber hinaus im Studium einen umfassenden Blick für das Aufwachsen von Kindern in unterschiedlichen Institutionen entwickelt.
Ihr Wissen und Können ist daher auch in anderen Handlungsfeldern der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Familien gefragt: in der Familienbildung und -beratung sowie in der Frühförderung, der Ganztagsschule und der Freizeitpädagogik, außerdem in den Frühen Hilfen und dem Kinderschutz. Kindheitspädagoginnen und -pädagogen sind in der kulturellen, politischen, gesundheitsbezogenen, inklusiven, gender- und diversitätsbewussten pädagogischen Arbeit, aber auch in den Bereichen der sprachlichen, ästhetischen, bewegungsbezogenen und der naturwissenschaftlichen Bildung tätig. Sie gestalten institutionelle Übergänge, vernetzen im Sozialraum und tragen damit zur Stärkung von Lebenswelten der Kinder und Familien bei.
Da die auf die pädagogische Begleitung von Kindern ausgerichteten Handlungsfelder in den vergangenen zwanzig Jahren eine hohe gesellschaftliche Aufwertung erfahren haben, ändern sich auch die entsprechenden Qualitätsansprüche. Kindheitspädagoginnen und -pädagogen begleiten diesen Wandel durch Fachberatung, Qualitätssicherung, Konzeptentwicklung, auch in der Aus- und Fortbildung sowie in der Forschung.

Ein Bachelorstudium der Kindheitspädagogik bereitet darüber hinaus auf ein Masterstudium und eine mögliche Promotion vor. In der in den vergangenen Jahren expandierenden Forschungslandschaft der Kindheitspädagogik wird ein fachspezifisch qualifizierter Nachwuchs gebraucht, der kindheitspädagogische Einrichtungen durch Forschung dabei unterstützt, die vielfältigen neuen Herausforderungen fachlich zu begleiten.

Forschungen wie die im Projekt AKIPÄD (Akademisierung frühpädagogischer Fachkräfte – Zwischen Arbeitsplatznähe und Professionalisierung) kommen jedoch zu dem Schluss, dass in Kitas als Kernhandlungsfeld strukturelle Veränderungen erforderlich sind, damit akademisch qualifizierte Fachkräfte sich mit ihrem spezifischen Profil hier stärker einbringen können. Dazu können Funktionsstellen beitragen, die in anderen europäischen Ländern durchaus üblich sind und besondere Qualifikationen erforderlich machen, wie zum Beispiel im Bereich der Netzwerkarbeit.

Forschende Haltung ist gefragt

Pädagogische Arbeit ist für die hier Tätigen immer wieder aufs Neue herausfordernd. Einerseits soll die Neugier und kindliche Lust am Lernen unterstützt werden. Andererseits erfordert die Verletzlichkeit von Kindern, ihr Wohl in besonderer Weise zu beachten und zu schützen. Die Offenheit pädagogischer Situationen setzt die Bereitschaft voraus, dem noch Unbekannten offen zu begegnen, unterschiedliche Perspektiven zu erkennen und Widersprüche auszuhalten.

Professionelles Handeln ist daher immer auf eine kritisch-reflexive Distanz zu sich selbst und zum eigenem Denken, Deuten und Handeln angewiesen. Zugleich braucht es Methoden, die systematische und professionelle Herangehensweisen in pädagogischen Einrichtungen ermöglichen und auch begründen.

Unterschiedliche Qualifizierungsorte haben spezifische Qualitäten, wobei sich die Hochschulen diesen Herausforderungen in besonderer Weise stellen. Sozialwissenschaftler Peer Pasternack arbeitet 2015 in seinen Analysen anlässlich des zehnjährigen Bestehens kindheitspädagogischer Studiengänge heraus, dass die besondere Stärke von Hochschulen in der Ermöglichung eines forschenden Lernens liegt. Auch der Gemeinsame Orientierungsrahmen „Bildung und Erziehung in der Kindheit“ der Kultusministerkonferenz und Jugend- und Familienministerkonferenz von 2010 hebt hervor, dass das Spezifikum einer hochschulischen Qualifizierung in einem systematisch reflektierten Theorie-Praxis-Verhältnis liegt und die Herausbildung eines „forschenden Habitus“ fördert. Unverzichtbar sind dabei die Fähigkeit zur wissenschaftlichen Recherche sowie forschungsmethodische Kenntnisse, die auch in (Praxis-)Forschungsprojekten in engem Kontakt mit pädagogischen Handlungsfeldern gewonnen werden. Dazu lässt sich eine Fülle von konkreten methodischen Beispielen nennen: von fundiertem Fallverstehen und strukturierten Fallbesprechungen bis hin zur eigenständigen Evaluationsforschung in Kitas, wie bei systematisch angelegten Elternbefragungen.

Doch bereitet ein Studium der Kindheitspädagogik damit auch auf den Praxisalltag vor?

Nur Theorie und keine Praxis?!

Die Betonung des Wissenschaftsbezugs von Hochschulausbildungen bedeutet keineswegs, dass die angehenden Kindheitspädagoginnen und -pädagogen eine praxisferne Qualifizierung absolvieren. Der Praxisbezug wird in kindheitspädagogischen Studiengängen umfangreich, unter anderem durch konkrete Phasen in pädagogischen Einrichtungen, gestaltet und gestärkt. Die gesetzlichen Grundlagen zur Vergabe der staatlichen Anerkennung sehen in der Regel einen durch die Hochschulen eng begleiteten Anteil von mindestens hundert Tagen vor. Dieser wird – oft in Zusammenarbeit mit erfahrenen Praxispartnern – im Studium intensiv begleitet und reflektiert.

Der „forschende Habitus“ verbindet Offenheit für die Prozesse kindlicher Bildung und Entwicklung mit vertieftem Fachwissen und einem fundierten Fallverstehen. Damit kann den alltäglichen pädagogischen Herausforderungen offen, flexibel und zugleich methodisch abgesichert begegnet werden.

Untersuchungen wie die AKIPÄDStudie, in der unter anderem Kita-Träger und Kita-Leitungen befragt wurden, bescheinigen akademisch qualifizierten Fachkräften denn auch eine problemlose und rasche Einarbeitung.

Kindheitspädagoginnen und -pädagogen werden als Fachkräfte wahrgenommen, die ihr Handeln wissensbasiert begründen, Innovation ermöglichen und insgesamt die Kompetenzen zeigen, die von einer akademischen Qualifizierung erwartet werden. Dass sich Absolventinnen und Absolventen beim Einstieg in die Praxis ihr alltägliches Handwerkzeug erst erarbeiten müssen, gilt grundsätzlich für alle Berufseinsteigerinnen und -einsteiger. Eine zuweilen anzutreffende, oft unausgesprochene Konkurrenzsituation kann allerdings dazu führen, dass akademischen Fachkräften zunächst mit einer Mischung aus Skepsis und überhöhten Erwartungen begegnet wird. Umso wichtiger ist es, dass Träger und Leitungskräfte darin unterstützt werden, eine multiprofessionelle Zusammenarbeit in ihren Teams zu entwickeln.

Das System ist der Schlüssel

In Deutschland ist es mittlerweile gelungen, für die pädagogische Arbeit mit Kindern und Familien eine akademische Qualifizierung zu etablieren. Die damit verbundenen Chancen sollten unbedingt auch genutzt werden. Ein Gleichmachen unterschiedlicher Qualifikationen mit Blick auf die Gleichsetzung im Deutschen Qualifikationsrahmen überdeckt die entscheidenden Besonderheiten der unterschiedlichen Qualifikationen sowie der Abschlüsse. Stattdessen sollten die spezifischen Ressourcen von Kindheitspädagoginnen und -pädagogen gezielt an den richtigen Stellen eingesetzt werden und für eine qualitative Weiterentwicklung des Feldes klug genutzt werden. Patentrezepte hierfür gibt es nicht. Der erste Schritt ist die wechselseitige Anerkennung der spezifischen Kompetenzen. Es braucht dafür aber auch Rahmenbedingungen, wie die Begleitung bei der Weiterentwicklung zu multiprofessionellen Teams oder die Einrichtung von neuen Funktionsstellen, damit diese Kompetenzen im pädagogischen Alltag auch genutzt werden können.

Vor diesem Hintergrund ist es unsinnig, die Verantwortung für das Gelingen einer Zusammenarbeit in Teams mit unterschiedlichen Qualifikationen allein in Hände der Teams oder gar einzelner Fachkräfte zu legen. Ihre Qualität ist von dem Kita-System in seiner Gesamtheit abhängig. Die Hochschulen stehen in der Pflicht, eine intensive Kommunikation mit der Praxis zu pflegen und weiter auszubauen. Die (Bildungs-)Politik hat die Verantwortung, Impulse zu setzen und unterstützende Rahmenbedingungen sicherzustellen. Und nicht zuletzt sind die Träger gefragt, durch Personal- und Teamentwicklungskonzepte einen Rahmen für einen passgenauen Einsatz neuer pädagogischer Fachkräfte, eine gute Einarbeitung und fachliche Weiterentwicklung in ihren Einrichtungen zu ermöglichen.

Nur wenn die Arbeit auf allen Systemebenen Hand in Hand geht, kann es gelingen, die heterogen zusammengesetzten Kita-Teams zu stärken und damit maßgeblich zur Qualität von Bildung, Betreuung und Erziehung in unserer Gesellschaft beizutragen.


Welche Studiengänge gibt es?
Seit dem Jahr 2005 werden deutschlandweit Kindheitspädagoginnen und -pädagogen an Hochschulen qualifiziert. Nach den Daten der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte (WiFF) aus dem Jahr 2018 stehen dafür mittlerweile zweiundsiebzig Bachelorstudienangebote und dreizehn Masterstudiengänge bereit. Daneben finden sich weitere Studiengänge, die als fachlich affin gelten, weil sie einen Schwerpunkt oder thematischen Bezug zur Kindheitspädagogik aufweisen.


Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung aus
TPS 8-2020, S. 40-43

S.