Weltretten in kleinen Schritten

Ansatzpunkte für eine nachhaltige Kita

Um das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung in der Gesellschaft zu verankern, haben die Vereinten Nationen im Jahr 2015 die „Agenda 2030“ verabschiedet. Das übergreifende Anliegen, ökologisches Gleichgewicht, soziale Gerechtigkeit und ökonomischen Fortschritt miteinander zu verbinden, ist dabei in insgesamt 17 Zielen konkretisiert worden. Innerhalb dieser sogenannten „Sustainable Development Goals kommt Bildung insofern eine Schlüsselrolle zu, als sie nicht nur ein Ziel, sondern auch der Weg zu allen anderen Zielen ist.


Eine der 17 Zielformulierungen der Vereinten Nationen lautet: „Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung erwerben, unter anderem durch Bildung für nachhaltige Entwicklung [...]“ (Malina et. al. 2016, 8). Als Lernorte einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) sind Kitas besonders geeignet und bedeutend, weil sie
  • in einer wichtigen Phase der Bewusstseinsbildung der erste institutionelle Bezugsrahmen für Kinder sind und sie für die eigene nachhaltige Wirksamkeit in der Welt sensibilisieren können (Selbstkompetenz);
  • Bildungsprozesse per se vielfältig und spielerisch gestalten und Kindern somit einen ganzheitlichen Blick auf nachhaltigkeitsrelevante Phänomene und Zusammenhänge eröffnen können (Lernkompetenz);
  • mit Kindern Alltag organisieren und dadurch wichtige Impulse für eine nachhaltige Lebensweise setzen können (Sachkompetenz);
  • stärker als später besuchte Bildungseinrichtungen ein außerfamiliäres soziales Gefüge bilden, innerhalb dessen Kinder zwischen pädagogischen Fachkräften, Eltern und Gleichaltrigen agieren und nachhaltiges Handeln als gemeinsames Handeln erfahren können (Sozialkompetenz).

Auf diese Weise können die vier Kompetenzfelder für Kindertagesstätten nachhaltig ausgefüllt werden.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass nachhaltiges Leben und Lernen in der Kita sowohl die organisatorische als auch die inhaltliche Arbeit umfasst, die sich in einem stimmigen Gesamtkonzept idealerweise wechselseitig ergänzen (Fritz/Schubert 2017, 5). Je nach institutionellen, materiellen und personellen Voraussetzungen einer Einrichtung lassen sich aber auch realisierbare Bausteine auswählen und miteinander kombinieren. Deshalb werden in den folgenden Abschnitten die Ebene der Rahmenbedingungen sowie die Ebene der Bildungsangebote einzeln betrachtet und mögliche Ansatzpunkte für eine nachhaltige(re) Ausrichtung von Kitas im Überblick dargestellt.

Ebene 1: Nachhaltige Rahmenbedingungen –Nachhaltigkeitsstrategien im Kita-Alltag

Obwohl nachhaltige Entwicklung einen gesamtgesellschaftlichen Wandel erfordert und als höchst komplexes Konstrukt erscheint, sind manchmal nur kleine Veränderungen notwendig, um nachhaltige Strukturen zu stärken oder zu fundieren. Orientierung für solche Veränderungen bieten die Nachhaltigkeitsstrategien „Weniger“ – „Natürlicher“ – „Ergiebiger“ – „Länger“ – „Gerechter“ (Erweiterung von Stoltenberg 2009, 8).

„Weniger“ strebt eine Verringerung des Ressourcenverbrauchs durch verantwortungsbewussten Konsum an, wird aber häufig mit Verzicht und Vorschriften in Verbindung gebracht und deshalb vielfach abgelehnt. Dies ist auch in der Kommunikation mit Eltern zu berücksichtigen. Denn neben einem bedarfsgerechten Umgang mit Wasser, Strom, Lebensmitteln, Bastelmaterialien etc. innerhalb der Kita könnte auch das Frühstück, das die Kinder von zu Hause mitbringen, an der sogenannten „Suffizienzstrategie“ ausgerichtet sein – indem kleinteilig verpackte Snacks (Müll) oder überproportionale Esspakete (Lebensmittelverschwendung) vermieden werden.

„Natürlicher“ meint die Vereinbarkeit von Natur und Technik durch Veränderung von Herstellungsprozessen. In der Kita ist diese „Konsistenzstrategie“ vorwiegend durch Unterstützung nachhaltiger Technologien zu realisieren, z. B. durch den Bezug von Ökostrom, die Verwendung von umweltfreundlichen Klebstoffen oder das Abonnement einer Obst-/Gemüsekiste aus lokalem Bioanbau.

„Ergiebiger“ bezieht sich auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis zwischen den eingesetzten Ressourcen und dem Endprodukt. An dieser „Effizienzstrategie“ kann die Kita z. B. durch die Ausstattung mit Recyclingprodukten vom Zeichen- bis zum Toilettenpapier ansetzen.

„Länger“ soll der Kurzlebigkeit von Produkten entgegenwirken und ihre Verwendungsdauer erhöhen. Innerhalb der Kita sind robuste Spielsachen für verschiedene Altersgruppen meist schon allein aus finanziellen Gründen verbreitet. Damit spielen immer neue Kinder, wodurch die „Permanenzstrategie“ beispielhaft umgesetzt wird. Gerade deshalb könnte die Kita auch Eltern dabei unterstützen, Spielwaren und Kleidungsstücke mehrfach zu nutzen, statt den Warenkreislauf anzukurbeln. Da sich im Kindergartenalter Interessen und Körpergrößen rasant verändern, könnte beispielsweise die Einrichtung eines Tauschregals in der Kita Eltern niedrigschwellig ermöglichen, Dinge weiterzugeben und wiederzuverwenden.

„Gerechter“ rückt die vorherrschenden Missverhältnisse zwischen Menschen unterschiedlicher Regionen, Generationen und Geschlechter in den Fokus und wird für Chancengleichheit und gegen Benachteiligung eingesetzt. Die Umstellung auf Fair-Trade-Produkte wie Kaffee, Tee, Kakao, Orangensaft oder Bananen wären in der Kita ein erster und relativ einfacher Schritt, um einen Beitrag zu leisten und dabei Kinder bzw. Familien zu sensibilisieren. Darüber hinaus könnte von der Kita-Gruppe eine Patenschaft für ein Kind in einem anderen Land übernommen werden, sodass die Kinder einen direkten Bezug herstellen und interkulturelle Kontakte aufbauen können.

Alle diese Aspekte beziehen sich zwar auf organisatorische Abläufe, lassen sich aber grundsätzlich auch in die thematische Arbeit einbeziehen.

Ebene 2: Nachhaltige Bildungsangebote

Bildung für nachhaltige Entwicklung zielt auf zukunftsfähiges Denken und Handeln jedes Einzelnen ab. Je früher Kinder in der Lage sind, Auswirkungen ihrer eigenen Entscheidungen auf andere zu verstehen und zu berücksichtigen, desto selbstverständlicher ist es für sie auch im weiteren Leben, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Diese Fähigkeit wird als „Gestaltungskompetenz“ bezeichnet und kann bereits im Kindergartenalter angebahnt werden. Da die Teilkompetenzen der Gestaltungskompetenz für die Kita allerdings zu abstrakt formuliert sind, werden die Verknüpfungsmöglichkeiten ausgehend von den KMK-Bildungsbereichen (KultusministerkonferenzKultusministerkonferenz|||||Die KMK  ist die ständige Konferenz der Länder in der BRD, wurde 1948 gegründet und ging aus der "Konferenz der deutschen Erziehungsminister" hervor. Sie basiert auf dem freiwilligen Zusammenschluss der zuständigen Minister/Senatoren der Länder für Bildung, Erziehung und Forschung. Da nach dem Grundgesetzt und sog." Kulturhoheit der Länder" die Zuständigkeiten für das Bildungswesen bei den einzelnen Ländern liegt, behandelt die KMK Angelegenheiten von  überregionaler Bedeutung mit dem Ziel einer "gemeinsamen Meinungs- und Willensbildung, sowie der Vertretung gemeinsamer Anliegen".  2004) für Kindertageseinrichtungen aufgezeigt.

Sprache, Schrift und Kommunikation
Sprechanlässe für eine alltagsintegrierte Sprachbildung bieten sich einerseits in der direkten Begegnung mit der Natur, z. B. durch die Benennung von Naturelementen und die Beschreibung von Naturbeobachtungen; andererseits in der gemeinsamen Auseinandersetzung mit Büchern, die nachhaltigkeitsrelevante Aspekte verarbeiten, z. B.:
  • Antje Damms „Was wird aus uns?“ (Damm 2018) wirft Fragen zum Verhältnis von Mensch und Natur auf, die sich auf unterschiedlichen Niveaus mit den Kindern besprechen lassen.
  • Torben Kuhlmanns „Maulwurfstadt“ (Kuhlmann 2015) erzählt die Geschichte der Industrialisierung mit Maulwürfen als Akteuren nach. Weitestgehend textlos, dafür aber in zahlreichen Bilddetails werden hier die Folgen des Fortschritts aufgezeigt. Die Geschichte eignet sich sowohl für das dialogische Lesen als auch für philosophische Gespräche.
  • Beatrice Alemagnas „Ein großer Tag, an dem fast nichts passierte“ (Alemagna 2018) entfaltet bilderreich die Erlebnisse eines Kindes in der Natur und regt dazu an, eigene Sinneserfahrungen und Gefühle zu verbalisieren.

Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung aus
klein&groß 1-2020, S. 12-15


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