Betriebliches Gesundheits-Management in der Kita

Anforderungen und Grundsätze

Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) für Kindertagesstätten muss anders als für Unternehmen konzipiert sein, da Arbeitsbedingungen und Vorbildfunktion der Erzieher/innen spezielle Anforderungen an den Beruf stellen. Erzieher/innen dienen durch ihr eigenes Gesundheitsbewusstsein und ihren sichtbaren Gesundheitszustand als Beispiel und haben die verantwortungsvolle Aufgabe, dies an die Kinder weiterzugeben. Das erlernte Gesundheitsbewusstsein wird die Kinder ihr ganzes Leben begleiten, sodass es schon deswegen wichtig ist, auch die Gesundheit der Erzieher/innen nicht zu vernachlässigen

Die übergeordneten Ziele betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) sind Aufbau und Erhalt einer gesunden Unternehmenskultur. Dies beinhaltet die Reduzierung von gesundheitsschädigenden und vermeidbaren Belastungen im Arbeitsalltag sowie die Befähigung der Mitarbeiter/innen zu einem eigenverantwortlichen und gesundheitsbewussten Verhalten (vgl. Badura 1999, S. 4; Rudow 2004, S. 11).

Nutzen des BGM

Ein effektives BGM führt zu einer langfristigen Senkung des Krankenstandes, stärkerer Mitarbeiterbindung, mehr Motivation und Kommunikation, höherer Arbeitszufriedenheit, einem besseren Betriebsklima und einer positiveren Arbeitseinstellung. Zudem erhöht sich dadurch die Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Mitarbeiter/innen. Darüber hinaus wird das Image der Kita nach innen und außen gefördert (vgl. Bundesministerium für Gesundheit).

Das BGM-Haus

BGM kann man sich als Haus mit drei Säulen, einem Fundament und einem Dach vorstellen (siehe Abb. 1). Das Fundament bilden Führung und Organisation. Wenn das Thema »gesundes Führen« nicht von allen Führungskräften gelebt wird, kann Gesundheitsmanagement in einem Betrieb nicht erfolgreich durchgesetzt werden.

Das Fundament dient als Basis der folgenden drei Säulen:

1. Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz:
Diese richten sich nach den gesetzlichen Forderungen. Arbeitsschutz ist Pflicht für Arbeitgeber/ innen, die auf die Einhaltung der Regelungen durch die Arbeitnehmer/innen zu achten hat.

2. Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF):
Darunter fallen Präventionsmaßnahmen, wie z.B. Rückenschule, Stressmanagement, Ernährungskurse oder Verpflegung am Arbeitsplatz. Im Gegensatz zu der ersten Säule ist BGF für Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen freiwillig.

3. Betriebliches Eingliederungsmanagement
(BEM): Langzeiterkrankte haben ein Anrecht auf Eingliederung, die sogenannte BEM-Maßnahme, welche durch den Arbeitgeber angeboten werden muss. Für die Arbeitnehmer/innen ist sie freiwillig (vgl. Rimbach 2013, S. 12).

Haus BGM

Rechtliche Regelungen

Die rechtlichen Regelungen sind komplex und im Folgenden aufgelistet:

  • SGB V § 20a, b »Betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention«: Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in Betrieben durch die gesetzlichen Krankenkassen in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger
  • SGB VII § 14 »Prävention Grundsatz«: Zusammenarbeit von Unfallversicherungsträger und Krankenkassen bei der Vermeidung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren
  • Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Regelung der Pflichten von Arbeitgeber und -nehmer)
  • Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG): Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Regelung der Pflichten von Arbeitgeber und -nehmer)
  • DGUV Vorschrift 2: Unfallverhütungsvorschrift, die die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung von Betrieben regelt
  • Arbeitszeitgesetz (ArbZG): Gesetz über Arbeits-, Pausen- und Erholungszeiten zum Schutz der Gesundheit und zur Flexibilisierung der Arbeitszeit
  • Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV): Sicherheitstechnische, arbeitsmedizinische und Hygiene-Regeln für die Einrichtung und den Betrieb von Arbeitsstätten, auch Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz
  • Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV): Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten
  • Steuerliche Unterstützung von 500 € pro Mitarbeiter/in: Seit dem 1. Januar 2009 wird die Förderung der Mitarbeitergesundheit steuerlich unterstützt. Bis zu 500 € jährlich kann ein Unternehmen pro Mitarbeiter/in lohnsteuerfrei für Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung investieren. Steuerbefreit sind Maßnahmen, die hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen der §§ 20 Abs. 1 SGB V und 21a SGB V genügen. Hierzu zählen z.B. Bewegungsprogramme, Ernährungsangebote, Suchtprävention und Stressbewältigung. Nicht darunter fällt die Übernahme von Beiträgen für einen Sportverein oder ein Gesundheitszentrum bzw. Fitnessstudio (vgl. Leitfaden Prävention des GKV Spitzenverbands; DAK Gesundheitsmanagement).

Warum ist BGM in Kitas notwendig?

Aktuelle Untersuchungen der Techniker-Krankenkasse zeigen, dass hauptsächlich psychische Erkrankungen der Grund für Krankschreibungen auf Seiten der Erzieher/innen sind. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt kamen Erzieherinnen und Erzieher im letzten Jahr auf 4 Fehltage mehr und waren damit durchschnittlich 18,9 Tage krankgeschrieben. Dabei waren 4,1 Fehltage mit psychischen Erkrankungen begründet, worauf Erkrankungen der Atemwege mit einer Fehlzeit von 3,3 Tagen folgten.

Grundsätzlich sollte auch eine Überlastung als psychische Erkrankung angesehen werden. Diese betrifft viele Erzieher/innen in Deutschland, da sie nicht nur mit einem hohen Lärmpegel kämpfen, sondern auch mit immer komplexeren Aufgabengebieten konfrontiert werden. Dazu kommen noch Auseinandersetzungen, die zwischen ihnen und den Eltern der Kinder stattfinden können (vgl. Techniker-Krankenkasse 2018, S. 36).

Beschwerden im Kita-Alltag
Die Arbeitsanforderungen in der Kita sind unterschiedlich hoch. Schematisch können sie in die Bereiche Arbeitsumgebung, Anforderungen an das Personal, Organisation und soziale Voraussetzungen unterteilt werden. Diese sind detailliert in Tabelle 1 abgebildet.

Kopf- oder Rückenschmerzen können jeden ab und zu plagen. Wenn sie aber ob sie eventuell auch mit den Bedingungen am Arbeitsplatz zusammenhängen. Ganzheitliche Gesundheitsförderung in Kitas berücksichtigt deshalb neben Veränderungen in den Handlungsfeldern Ernährung, Bewegung und Entspannung auch die Lebens- und Arbeitsbedingungen aller Kita-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter.

Tabelle BGM

Werkzeuge im BGM

1. Digitales Betriebliches Gesundheitsmanagement
Einer der größten Vorteile, der sich durch den Einsatz digitaler Medien im BGM ergibt, ist die transparente, effiziente und schnelle Informationsbereitstellung: Unternehmen können standortübergreifend flexibel, zu jeder Zeit und ortsunabhängig über anstehende betriebliche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung informieren und Online-Coachings anbieten. Durch spielerische Elemente (Gamification), z.B. in Form von Apps, kann die Motivation zu einem gesundheitsförderlichen Verhalten gesteigert werden. Viele dieser Apps und Softwarelösungen visualisieren die individuell gesetzten Gesundheitsziele und messen und belohnen Erfolge. Auch Kitas können von digitalen Lösungen profitieren, die Gesundheitsdaten zusammenführen und dadurch ermitteln, ob das Gesundheitsverhalten sich zum Positiven verändert.
Trotz aller Vorteile kann digitales BGM das analoge BGM nicht komplett ersetzen. Selbst wenn digitale Elemente die Informationsverbreitung und Datenerfassung erleichtern, sind persönlicher Kontakt und Motivationsförderung von Seiten der Führungsebene und Arbeitskollegen für den Erfolg eines BGM unerlässlich (vgl. Haufe Online Redaktion).

2. JolinchenKids, ein ganzheitliches Programm zur Gesundheitsförderung
Bei diesem Programm stehen die Themen Ernährung, Bewegung und seelisches Wohlbefinden im Fokus. Damit auch der Familienalltag von JolinchenKids abgebildet werden kann, bezieht das Programm neben Kindern auch Eltern aktiv mit ein. Ebenso wird die Gesundheit der Erzieher/innen gefördert. Das Programm besteht aus fünf Modulen: Bewegung, Ernährung, seelisches Wohlbefinden, Elternpartizipation und Erzieher/innengesundheit.
Die teilnehmenden Kitas können Schritt für Schritt alle oder ausgewählte Module des Programms in den Kita-Alltag integrieren und dort dauerhaft verankern. Die AOK begleitet die Kitas drei Jahre bei der Umsetzung mit Schulungen, Materialien, Workshops, Kurs- und Beratungsangeboten. Um die Qualität von JolinchenKids zu gewährleisten, wurde das Programm mit Hilfe von Experten aus Wissenschaft und Praxis entwickelt und evaluiert. (1)

3. Qualitätsstandard der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für das Essen in Kitas
Der »DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder« wurde für das Essen in Kitas und Schulen entwickelt. Er beschreibt im Detail, wie ein gesundheitsförderndes Verpflegungsangebot in der Kita aussehen sollte. Im Mittelpunkt steht eine optimale Lebensmittelauswahl unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen in einer Kita, sodass Erzieher/innen und Kinder optimal versorgt sind. Der Standard unterstützt alle, die für das Verpflegungsangebot in der Kita verantwortlich sind. Neben dem Personal von Kindertageseinrichtungen und Trägerverbänden sind dies auch Eltern und Elternvertreter sowie Essensanbieter. Er dient als Instrument zur Hilfestellung bei der Umsetzung einer ausgewogenen Ernährung sowie zur Qualitätssicherung (vgl. Deutsche Gesellschaft für Ernährung 2018).


Tipp!

Fragen Sie direkt bei BGM-Dienstleistern nach, ob sich deren Maßnahmen auch für mehrere Kitas gleichzeitig eignen und durchführen lassen. Sprechen Sie (Groß-)Betriebe in Ihrer Nachbarschaft an und erkundigen Sie sich, ob sie ihre BGM-Angebote auch für Sie öffnen. Diese können von einer höheren Auslastung ihrer BGM-Angebote profitieren und daher ebenfalls einen Nutzen aus solch einer Kooperation ziehen.




Externe Kooperationspartner

Um das betriebliche Gesundheitsmanagement in die Kita zu integrieren, können Sie sich an folgende Partner wenden, die Unterstützung anbieten:
  • Krankenkassen
  • Staatliche Gewerbeaufsicht (Länderregelung)
  • Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungen
  • Freie Dienstleister (BGM-Dienstleister, BGF-Dienstleister, Unternehmensberater, Fachkräfte für Arbeitssicherheit)
  • Arbeitsmedizinische Dienstleister (z.B. freie Arbeitsmediziner, B.A.D.)
  • Industrie- und Handelskammer
  • Handwerkskammern

Bilden Sie Netzwerke!

BGM ist eine Aufgabe, für deren Umsetzung es in kleineren Kita-Einrichtungen manchmal an personellen und finanziellen Ressourcen mangelt. Hinzu kommt, dass einige BGM-Maßnahmen eine Mindestanzahl von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen voraussetzen, damit diese durchgeführt werden können.

Die Vernetzung mit anderen Kitas oder Institutionen kann sinnvoll sein, um dennoch ein umfassendes BGM zu implementieren. Von Kooperationen können somit alle profitieren. In welchen Fällen könnte sich z.B. eine Kooperation anbieten? Gute Gelegenheiten sind Schulungen, Fortbildungen und Kurse für Mitarbeiter/innen aus verschiedenen Kitas. Beispielsweise kann man ein gemeinsames sportliches Angebot auf die Beine stellen, Schulungen und Kurse für Führungskräfte aus verschiedenen Kitas organisieren, externe Beratungsangebote zusammen nutzen, Gesundheitstage gemeinsam veranstalten und die Essensverpflegung für alle gestalten.

Fazit

Damit Betriebliches Gesundheitsmanagement zur gelebten Praxis wird, ist es wichtig, das gesamte Kita-Team miteinzubeziehen, denn partizipativ gestaltete Veränderungsprozesse sind meist erfolgversprechender als solche, die von oben herab verordnet werden. So steigt die Akzeptanz der Maßnahmen und die Motivation zur Mitarbeit, wenn alle Team-Mitglieder das Gefühl haben, dass ihre Meinung zählt. Suchen Sie sich zudem Kooperationspartner und unterstützen Sie sich gegenseitig.

Literatur

Abdel Fattah, V. (2009): Erzieherinnengesundheit. In: Sächsisches Staatsministerium für Kultus und Sport Referat Kindertagesbetreuung und soziale Berufe (Hrsg.): Handbuch für Kita-Trainer und Kita-Leiterin. URL: http: / / www. kindergaerten- in- aktion. de/downloads/ Erzieherinnengesundheit_ Handbuch. pdf.
Badura, B./Ritter, W./Scherf, M. (1999): Betriebliches Gesundheitsmanagement. Ein Leitfaden für die Praxis. Berlin: Edition Sigma.
Bundesministerium für Gesundheit (o.J.): Betriebliche Gesundheitsförderung. URL: www.bundesgesundheitsministerium. de/ themen/praevention/ betriebliche- gesundheitsfoerderung/vorteile. html.
DAK Gesundheit (2014): Betriebliches Gesundheitsmanagement – Jetzt die Zukunft sichern. URL: http:/ / www. gesundheitsbewusster- betrieb. de/ pdf/ BGM_der_ DAK. pdf.
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2018): DGEQualitätsstandards für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder. URL: https: / / www. &tkidaktion. de/ &leadmin/ user_ upload/ medien/ DGE_Qualitaetsstandard_ FITKID. pdf.
Haufe Online Redaktion (o.J.): Digitales BGM. URL: https: / / www. haufe. de/ arbeitsschutz/ gesundheitumwelt/trendthema- 2017- digitales- bgm_ 94_412186. html.
Techniker Krankenkasse (Hrsg.) (2018): Gesundheitsreport 2018. Arbeitsunfähigkeiten. URL: https: / / www. tk. de/ resource/ blob/ 2034000/60cd049c105d066650f9867da5b4d7c1/gesundheitsreport- au- 2018- data. pdf.
GKV Spitzenverband (Hrsg.) (2018): Leitfaden Prävention. Handlungsfelder und Kriterien nach § 20 Abs. 2 SGBV. URL: https: / / www.gkv- spitzenverband. de/ media/ dokumente/ presse/publikationen/ Leitfaden_ Pravention_ 2018_barrierefrei. pdf.
Rimbach, A. (2013): Entwicklung und Realisierung eines integrierten betrieblichen Gesundheitsmanagements in Krankenhäusern. Betriebliches Gesundheitsmanagement als Herausforderung für die Organisationsentwicklung. München.
Rudow, B. (2004): Das gesunde Unternehmen. Gesundheitsmanagement, Arbeitsschutz und Personalpflege in Organisationen. München: Oldenbourg Verlag.

Fußnoten
(1) Vgl. www. aok. de/ pk/ &leadmin/ user_ upload/Universell/ 05- Content- PDF/ JolinchenKids. pdf.


Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung aus
KiTa aktuell ND, 2019-07/08, S. 148 - 151






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