Eugen Pappenheim (1831-1901)
Eugen Pappenheim erblickte am 3. April 1831 in Ratibor (heute Racibórz) in Oberschlesien „als Sohn literarisch und wissenschaftlich interessierter Eltern“ (Pappenheim 1931, S. 91) das Licht der Welt. Durch den frühen Tod des Vaters (1840) hatte „er denn, mit noch 3 Geschwistern, eine harte, zum Teil entbehrungsreiche Kindheit durchmachen und schon frühzeitig mit zu seinem Lebensunterhalt beitragen müssen“ (Stier 1902, S. 19), u.a. durch tägliche Nachhilfestunden für zwei Taler monatlich. Trotz finanzieller Not durfte der begabte Junge das Gymnasium besuchen. Anschließend studierte Eugen Pappenheim Philologie und Philosophie in Breslau und Berlin. Im Alter von 24 Jahren promovierte er „Über den Begriff der Notwendigkeit bei Aristoteles“. Während seines Studiums hörte er erstmals von Friedrich Fröbel und seiner Kleinkinderpädagogik. Diesbezüglich vermerkte Eugen Pappenheim in seinen unveröffentlichten Lebenserinnerungen.„Ich lernte die ‚Spielgaben‘ mit den uns bekannten Bildchen und Reimen kennen, dazu Erläuterungen über die leitenden Gedanken in abstrakter Darstellung. – Der Eindruck war ungünstig. Ich fühlte wohl, daß es sich hier um jene ‚Stufenleiter des Interesses‘ handele, doch erschien mir ihre Auffindung zu aprioristisch, zu konstruierend. Ich glaubte, darin die Beobachtung der Kindernatur zu vermissen; ich fürchtete von dem Verfahren Verfrühung und geistige Überreizung“ (zit. n. Pappenheim 1931, S. 92).
Nach Abschluss des Universitätsstudiums war er einige Jahre als Hauslehrer in Danzig und Berlin tätig. Von 1858 bis 1862 unterrichte Eugen Pappenheim am „Friedrich-Werderschen Gymnasium“, anschließend als Oberlehrer bis zu seiner Pensionierung am „Köllnischen Gymnasium“. Gleichzeitig war er als Lehrkraft in dem Kindergärtnerinnen- und Kinderpflegerinnenseminar des „Berliner Frauen-Vereins zur Beförderung der Fröbel‘schen Kindergärten“ tätig. Zu seinem Schülerinnenkreis gehörten auch seine beiden Töchter.
Eugen Pappenheim avancierte, nachdem er durch gründliches Studium seine Vorurteile gegenüber dem Kindergarten und seinem „Stifter“ abgelegt hatte, zu einem „der sachkundigsten und erfolgreichsten Kenner und Apostel der Fröbelschen Bestrebungen“ (Stier 1902, S. 24). Nach jahrzehntelangem Einsatz für Friedrich Fröbel schrieb er:
„Es sind jetzt 25 Jahre her, dass ich mich als Anhänger Fröbels bekannt habe. Ich sage es vorweg: ich zähle es zu den glücklichsten Ereignissen meines Lebens, dass ich es wurde. Zu den glücklichsten Ereignissen, denn, man nenne es Fügung oder Zufall – es steht in niemandes Hand, ob er Menschen kennen lernt, die ihn tief ergreifen, welche ihm Fragen beantworten, die er sich selbst vorlegt, und ihm neue vorlegen, die ihn fortbewegen. In diesem Sinne ward mir Fröbel bedeutend. Und so oft ich diejenigen Männer mir vergegenwärtige, deren Schriften meine Entwickelung am meisten verdankt, denke ich an ihn, und nicht zuletzt“ (Pappenheim 1885, S. 96).
Eugen Pappenheim war u.a. seit 1891 Vorsitzender des „Deutschen Fröbel-Verbandes“, Mitbegründer des 1874 gegründeten „Berliner Fröbel-Vereins“ sowie Gründer und Vorsitzender des Vereins für den „Fichte-Kindergarten“. Ferner zeichnete er ab Dezember 1892 (bis zu seinem Tod) für die renommierte Fachzeitschrift „Kindergarten. Organ des Deutschen Fröbel-Verbandes“ verantwortlich (1), an der er bereits seit 1861 mitarbeitete. Außerdem rief 1886 er eine „Unterstützungskasse für Kindergärtnerinnen“ ins Leben, die „zu einer Zeit, als dieser Beruf noch ein unsicherer, schlecht besoldeter war, vielen Berufsgenossinnen in Krankheit und Not Hilfe bringen konnte“ (Pappenheim 1931, S. 95). Er bemühte sich durch „zahlreiche Vorträge und Reden, durch Zeitungsartikel und Flugblätter, durch Eingaben bei den Behörden der Stadt und des Staates... das Verständnis für die Fröbelschen Bestrebungen in immer weitere Kreise hineinzutragen, Vorurteile zu zerstreuen, Geldmittel zu beschaffen, immer neue Persönlichkeiten zu gewinnen und zur Mitarbeit heranzuziehen“ (Stier 1902, S. 23). Sein Arbeitskreis wuchs „weit über Deutschland hinaus. Verbindungsfäden spannten sich nach Österreich, der Schweiz, Frankreich, Finnland, Rußland, Amerika, Japan. Von allen Seiten suchte man bei ihm Anregung“ (Pappenheim 1931, S. 95).
Eugen Pappenheim war zweimal verheiratet: zuerst mit Agnes Uschner, dann mit Anna Juliane Schneider. Aus der ersten Ehe gingen vier Kinder hervor (wovon das zweitgeborene wenige Tage nach der Geburt starb): Karl, Anna und Gertrud. Alle drei engagierten sich in der Fröbel-/Kindergartenbewegung. Aus zweiter Ehe stammt Sohn Paul, der später ein bekannter Zoologe wurde.
Der Apostel der Fröbelschen Bestrebungen starb am 25. Dezember 1901 in Berlin.
Fröbelpädagogik und Kindergarten
Eugen Pappenheim hat zahlreiche Beiträge zur Pädagogik Friedrich Fröbels verfasst. Diesbezüglich publizierte er allein in der Zeitschrift „Kindergarten“ ca. 75 Beiträge (vgl. Heiland 1990). Dabei war der „Post-Fröbelianer“ (Franke-Meyer 2011, S. 151) anfänglich, wie voranstehend schon angedeutet, keineswegs vom „Fröbelschen System“ überzeugt. Er hielt zum Beispiel den Kindergarten für „hygienisch bedenklich“ (vgl. Pappenheim 1859, S. 355 ff.). Doch er revidierte seine negative Einstellung dem Kindergarten gegenüber und betrachtete diesen fortan als notwendige Erziehungsstätte, als erste Stufe im öffentlichen Erziehungs- und Unterrichtswesen (vgl. Pappenheim 1893, S. 66). Über den Kindergarten als Erziehungsstätte, welche alle Seiten der Kindesnatur pflegt, konstatierte der Pädagoge:„Zweck des Kindergartens ist, Kinder des vorschulischen Alters nicht nur in Aufsicht zu nehmen, sondern ihnen eine ihrem ganzen Wesen entsprechende Betätigung zu geben; ihren Körper zu kräftigen. Ihre Sinne zu üben und den erwachenden Geist zu beschäftigen... Im Spiele sollen sie freudig und allseitig, alle Kräfte übend und bildend, in schuldloser Heiterkeit, Einträchtigkeit und frommen Kindlichkeit sich darleben, für die Schule und kommenden Lebensstufen sich wahrhaft vorbereiten... Und wenn nun der Kindergarten eine Erziehungsstätte ist, so erhält er seinen Inhalt aus der ganzen reichen Fülle der Kultur: Religion und Sittlichkeit, Denken und Sprechen, ästhetisches Ergötzen und schaffendes Thun, Freude an der Natur und Liebe zum Menschen... ihre entwickelnde Pflege finden“ (Pappenheim 1897, S. 66).
Außerdem würdigte der Gymnasiallehrer den Kindergarten als „Schule für den mütterlichen Beruf, [als M. B.] eine ‚pädagogische Kinderklinik‘, wie Virchow den Kindergarten in dieser Beziehung treffend genannt hat, welche die weibliche Natur mehr fesselt und eindringlicher belehrt, als ein Buch, auch als Fröbels dieser Aufgabe dienende ‚Mutter- und Koselieder‘“ (ebd., S. 68). Da Eugen Pappenheim den Kindergarten als eine „vollwertige Bildungsanstalt“ betrachtete, plädierte er für eine organische Verbindung von Kindergarten und Volksschule, eine Forderung die immer wieder ab der zweiten Hälfte und verstärkt gegen Ende des 19. Jahrhunderts formuliert wurde (vgl. Franke-Meyer 2011, S. 150 ff.). Bereits 1868 forderte er, dass alle Kindergärten zunächst äußerlich „als unterste Klasse an eine Schule“ (Pappenheim 1868, S. 174) angegliedert werden sollten und der Beginn der „sogenannten Schulpflicht in den Anfang des 8. oder 9. Lebensjahres“ (ebd., S. 177) zu verlegen sei, vorausgesetzt das Kind habe vorher einen Kindergarten besucht. Doch die Realität war eine andere, der Kindergarten war ein „Torso“ ohne Anschluss an die Schule:
„Die meisten der schon nach Tausenden zählenden Kindergärten, namentlich auch die mehreren Hunderte Deutschlands, sind durch die mit dem 7. Lebensjahre beginnende Schulpflicht des Kindes eingeschränkte Bildungsganze, kleine Inseln ohne Verbindung mit dem Festlande der staatlichen Schulorganismen und von dort aus kaum gesehen, geschweige beachtet und gedacht; selbst wo Kindergärten an Privatschulen angesetzt sind, ist es meist äußerlich und aus äußerlichen Gründen geschehen. Daher verkommt später im Kinde, was der Kindergarten an ihm entwickelt hat“ (Pappenheim 1897, S. 69).
Demzufolge forderte Eugen Pappenheim, dass die Schule die Fröbelsche Erziehungsweise stärker miteinbeziehen sollte, man „räume ihr das erste Schuljahr (wenigstens) ein. Schulmänner, welche den Kindergarten kennen, stimmen der Forderung schon heute zu; sie teilen mit den Anhängern Fröbels die Überzeugung, daß der hierbei vorzugsweise in Frage kommende spätere Anfang des Lesens und Schreibens, wenn eine tüchtige Kindergartenerziehung vorausginge, für das weitere Fortschreiten des Kindes nicht bloß unbedenklich sondern sogar heilsam sein würde. Auch diese Art des Anfangs aber würde eine von der Erfahrung geführte innere Fortentwicklung der Fröbelschen Erziehungsweise in die Schule hinein zur Folge haben, wenn die Lehrer oder Lehrerinnen besonders der untersten Schulklassen zugleich in Theorie und Praxis des Kindergartens heimisch sind“ (ebd., S. 71).
1895 erschien Eugen Pappenheims erfolgreichste Veröffentlichung: „Grundriß der Kleinkinder- und Kindergarten-Pädagogik Friedrich Fröbels“. Das 49 Seiten umfassendes Büchlein ist, so Helge Wasmuth, eher enttäuschend, da Pappenheim dort nur Sätze aus Fröbels Schriften ausgewählt und geordnet hat. Diese waren für seine Schülerinnen gedacht und wurden von diesen wohl zum Teil auswendig gelernt“ (Wasmuth 2011, S. 239). Immerhin erreichte die Schrift im Jahre 1926 ihre zehnte Auflage, für die keine geringere als die Fröbelexpertin Helene Klostermann das Vorwort schrieb, u.a.:
„In einzelnen Aussprüchen Fröbels entrollt dieser Grundriß das Bild des Kindergartens, wie er in dem Geiste seines Schöpfers lebte, also gleichsam die Idee des Kindergartens. Werden die Worte, in denen Fröbel diese Idee niedergelegt hat, durchleuchtet von Liebe und Verständnis für die Kindheit, so können sie den jungen Kindergärtnerinnen, deren jetzt alljährlich viele hundert ausgebildet werden, zum belebenden Quell in ihrem Wirken unter den Kindern werden“ (Klostermann 1926, S. V f).
In der Tat, der „Grundriß“ ist hervorgegangen aus der Unterrichtspraxis im Kindergärtnerinnenseminar des „Berliner-Fröbel-Vereins“ (vgl. Pappenheim1926, S. III). Eugen Pappenheim Intention war, dass die Schrift „auch vor Augen führt, Fröbel habe eine Satz für Satz biologische Pädagogik angestrebt (ebd., S. IV). Für Helmut Heiland stellt Eugen Pappenheims „biologische Sicht der Pädagogik Fröbels“ (2), die sich wie ein roter Faden durch seine Publikationen zieht, eine „Programmatik dar“, die wohl „dem Zeitgeist entgegen kam, ihm aber noch nicht gänzlich entsprechen konnte“ (Heiland 2001, S. 107).
Anmerkungen
1) Helge Wasmuth schreibt, dass nach Eugen „Pappenheims Tod im Jahr 1901 seine Frau Gertrud Pappenheim die Schriftleitung des Kindergartens... übernahm“ (Wasmuth 2011, S. 202). Gertrud Pappenheim war die Tochter des Verstorbenen.
2) Auf diese (theoretisch komplizierte) Sichtweise kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Der/die interessierte Leser_in sei auf den Beitrag von Helmut Heilend (2001, S. 106 f) „Zum Fröbelverständnis der Zeitschrift ‚Kindergarten‘ in den Jahren 1860-1910“ hingewiesen.
Literatur
- Franke-Meyer, D.: Kleinkindererziehung und Kindergarten im historischen Prozess. Ihre rolle im Spannungsfeld zwischen Bildungspolitik, Familie und Schule, Bad Heilbrunn 2011
- Heiland, H.: Bibliographie Friedrich Fröbel. Primär- und Sekundärliteratur 1820-1990, Hildesheim 1990
- Ders.: Zum Fröbelverständnis der Zeitschrift ‚Kindergarten in den Jahren 1860-1910, in: Friedrich Fröbel Museum (Hrsg.): Sind Kinder kleine Majestäten?, Bad Blankenburg 2001, S. 53-113
- Klostermann, H. L.: Vorwort zur zehnten Auflage, in: Pappenheim E.: Grundriß der Kleinkinder- und Kindergarten-Pädagogik Friedrich Fröbels, Berlin 1926, S. V-VI
- Pappenheim, E.: Über den Begriff der Notwendigkeit bei Aristoteles, Berlin 1855
- Ders.: Über Friedrich Fröbels Kindergarten, in: Monatsschrift für exakte Forschung auf dem Gebiete der Sanitäts-Polizei 1859, S. 355-359
- Ders.: Die Fröbelschen Kindergärten im System der Volksschule, in: Berlin und seine Entwicklung. Gemeindekalender und städtisches Jahrbuch für 1868, Berlin 1868, S. 164-179
- Ders.: Nach fünfundzwanzig Jahren, in: Kindergarten 1885, S. 96-99
- Ders.: Friedrich Fröbel. Aufsätze aus den Jahren 1861-1893, Berlin 1893
- Ders.: Grundriß der Kleinkinder- und Kindergarten-Pädagogik Friedrich Fröbels, Berlin 1895 u. 1926
- Pappenheim, G.: Der Werdegang eines Erziehers und Bekenners, in: Kindergarten 1931, S. 91-96
- Stier, R.: Rede auf Prof. Eugen Pappenheim bei der Gedächtnisfeier des Berliner Fröbel-Vereins, in: Kindergarten 1902, S. 19-28
- Wasmuth, H.: Kindertageseinrichtungen als Bildungseinrichtungen. Zur Bedeutung von Bildung und Erziehung in der Geschichte der öffentlichen Kleinkindererziehung in Deutschland bis 1945, Bad Heilbrunn 2011
- Zuletzt bearbeitet am: Donnerstag, 04. Januar 2018 11:01 by Karsten Herrmann