Neue Forschung zur Zusammenarbeit mit Eltern (Review)

Die Zusammenarbeit mit Eltern gehört heute zum Kern der pädagogischen Arbeit in KiTas und Grundschulen und spiegelt sich entsprechend auch in den Bildungs- und Orientierungsplänen der sechszehn Bundesländer wieder. „Frühe Bildung“ macht dieses Thema so auch in der Ausgabe 01-2017 zum Schwerpunktthema und beleuchtet es aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven. Wie Peter Cloos und Klaus Fröhlich-Gildhoff im Editorial einführen, wird die Zusammenarbeit mit Eltern auch „fachwissenschaftlich als notwendige Voraussetzung angesehen, Bildungsprozesse und Kindertageseinrichtungen und Familie anschlussfähig zu gestalten sowie Bildungssettings und informelle Lernwelten miteinander zu verknüpfen“ (ebd. S. 1). Neben diesem allgemeingültigen Ansatz rücke die Zusammenarbeit mit Eltern aber in jüngster Zeit auch verstärkt in den Fokus, um herkunftsbasierte Ungleichheiten abzumildern. „Damit geraten Eltern in doppelter Weise in den Blick frühpädagogischer Ansinnen: zum einen als zentrale Akteure einer elementaren Bildung, mit denen notwendigerweise zusammengearbeitet werden muss; zum anderen als Gruppe, die, damit sie die notwendigen Voraussetzungen für gelungene Bildungsbiographien der Kinder schafft, mit den öffentlichen Bildungsinstitutionen zusammen zu arbeiten hat.“ (ebd.) In diesem Sinne spielt sich die Zusammenarbeit mit Eltern in unterschiedlichen Spannungsfeldern und zwischen einem „Dialog auf Augenhöhe“ und einem mehr oder weniger deutlich hierarchisierten Dialog ab.

Kinder als Akteure in der Zusammenarbeit mit Eltern?

Im ersten Schwerpunktbeitrag fragen Tanja Betz und Nicolette Eunicke, inwiefern Kinder in den Bildungs- und Erziehungsplänen der Länder in Bezug auf die Zusammenarbeit der Bildungsinstitutionen mit den Eltern selber als Akteure konzeptualisiert werden. Grundsätzlich, so die Autorinnen, steht das Konzept des Kindes als Akteur, als mitbestimmendes und mitgestaltendes Subjekt, durchaus im Fokus der Bildungs- und Erziehungspläne – auch wenn diese Partizipation von Kindern „oftmals im Sinne einer ‚altersgemäße(n) Beteiligung‘ eingegrenzt wird“ (ebd. S. 4). Doch im Hinblick auf die Konzeptualisierung der Kinder in den (Unter-) Kapiteln zur Zusammenarbeit mit Kindern kommen Betz und Eunicke in der durch ein Codesystem gestützten Analyse zu erstaunlichen Ergebnissen:

  • In zehn Bildung- und Erziehungsplänen werden Kinder demnach als „Objekte des Handelns Erwachsener konzeptualisiert“ (ebd. S. 6) – und zwar entweder im Hinblick auf ihr zukünftiges Bildungsoutcome oder im (sorgenden) Hinblick auf ihr aktuelles Wohlergehen.
  • Nur in einem Bildungs- und Erziehungsplan, nämlich dem sächsischen, werden Kinder tatsächlich als Akteure und Beteiligte in der Zusammenarbeit zwischen Pädagogischen Fachkräften und Eltern berücksichtigt. In den Plänen Mecklenburg-Vorpommerns und von Rheinland-Pfalz tauchen die Kinder immerhin noch anfangs als Akteure und Beteiligte auf, doch wird diese Idee „im inhaltlichen Gesamtzusammenhang des Kapitels und der Konkretisierung [...] nicht fortgeführt“ (ebd. S. 8).
  • In weiteren drei Bildungs- und Erziehungsplänen werden Kinder in den (Unter-) Kapiteln zur Zusammenarbeit mit Eltern fast gänzlich ignoriert und es steht „die angenommene Elternperspektive oder aber, häufiger, die Perspektive der Institutionen im Vordergrund“ (ebd.)

So werden Kinder beim Thema Elternarbeit nur in Ausnahmefällen und im Gegensatz zu Grundausrichtung der Bildungs- und Erziehungspläne kaum als „Akteure oder ‚Experten in eigener Sache‘“ mitgedacht und es wird ihnen kaum eine „eigene Perspektive auf und Beteiligung an der Zusammenarbeit zugestanden“ (ebd.).

Im Hinblick auf eine sich hier offenbarende Inkonsistenz resümieren die Autorinnen, „dass die Pläne in vielerlei Hinsicht für die Fach- und Lehrkräfte eher verunsicherndes als orientierendes Wissen bereitstellen (ebd.). Sie plädieren daher dafür, „stärker auch Konzepte und Befunde aus der Kindheitsforschung in die Pläne einzubeziehen und zugleich zu markieren, wo ersteinmal Fragen zu stellen sind, statt sie als (eindeutig) beantwortbar einzustufen“ (ebd. S. 9).

Handlungsleitende Orientierungen frühpädagogischer Fachkräfte

Die Handlungsleitenden Orientierung frühpädagogischer Fachkräfte in der Zusammenarbeit mit Eltern standen im Fokus einer empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden.en Studie von Beate Vomhoff, die sie im Rahmen des Evaluationsprojektes „Sprachförderung für Vorschulkinder“ in Baden-Württemberg durchgeführt hat.

Einleitend unterscheidet sie einerseits eine in der Praxisliteratur immer wieder geforderte „Bildungs- und Erziehungspartnerschaft“, der es allerdings „an theoretischer und empirischer Fundierung“ (ebd. S. 10) fehle und die eher einen normativnormativ|||||Normativ  bedeutet normgebend, somit wird etwas vorgeschrieben, dass Normen, Regeln oder ein „Sollen“ beinhaltet.-proklamatorischen Charakter habe. Daneben stehe die Zusammenarbeit mit Eltern als kompensatorische Maßnahme, die einen „defizitorientierten Blick auf Eltern“ (ebd. S. 11) impliziert. In den Bildungs- und Erziehungsplänen würde dies allerdings nicht als „in Spannung zueinander stehende Programmatiken ausgewiesen, die Diskrepanz nicht offengelegt, sondern die Begründungskontexte werden pauschal verknüpft“ (ebd. S. 11).

Wie die Autorin weiter ausführt, wird in der aktuellen Forschungs- und Praxisliteratur die „professionelle Haltung der pädagogischen Fachkräfte“ als zentrale Gelingensbedingung für die Zusammenarbeit mit Eltern angesehen, ohne dass dafür empirische Belege vorlägen. Die Haltung und die ihr zugrundeliegenden handlungsleitenden Orientierungen hat Beate Vomhof nun in ihrer Studie in den Fokus genommen – unter theoretischem Rückgriff auf das Kompetenzmodell von Fröhlich-Gildhoff, Nentwig-Gesemann und Pietsch sowie methodologisch auf die Praxeologische Wissenssoziologie und die Dokumentarische Methode nach Bohnsack. Auf Grundlage letzterer wurden sechs leitfadengestützte Interviews und zwei Focus Groups mit pädagogischen Fachkräften durchgeführt.

Grundsätzlich zeigte sich in ihrer Studie, dass die Fachkräfte die Forderung nach einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft „auf der Ebene des kommunikativen Wissens in hohem Maße“ (ebd. S. 12) teilen und dafür die Leitfigur der „Offenheit“ anführen. Die Rekonstruktion der impliziten Wissensbestände ergab allerdings, „dass die Fachkräfte fall- und typenübergreifend die Sphären Kindergarten und Familie nicht als Einheit, sondern als zwei unterschiedliche Sphären konstruieren“ (ebd.) und in Folge dessen nur punktuell und unter Bewahrung des eigenen Expertenstatus mit den Eltern zusammenarbeiten: „Kooperation im Sinne einer wertschätzend anerkennenden und langfristig angelegten Zusammenarbeit zur Förderung des Kindes gelingt kaum.“ (ebd.)

Im Detail zeichneten sich in der Studie vier unterschiedliche Typen ab:

Typ 1 – plakativ offen: Zusammenarbeit als Wunsch nach einem positiv gestimmten Miteinander im Rahmen einer Postulatspädagogik

Typ 2 – steuernd: Zusammenarbeit als pädagogische Strategie der Fachkraft mit Expertenstatus gegenüber den Eltern mit Laienstatus

Typ 3 – abwehrend: Vermeidung von Zusammenarbeit, Abgrenzung von Verantwortlichkeiten und Belehrung von Eltern

Typ 4 – habituell kooperativ: Zusammenarbeit als Bestandteil des professionellen Selbstverständnisses

Nur von Typ 4 wird die übergreifend explizifierte Leitfigur der „Offenheit“ im Alltag gelebt: „Die Ziele von Zusammenarbeit, die Aufgabe an sich sowie die Begegnungen mit den Eltern werden dadurch gerahmt, dass die Kooperation Bestandteil des professionellen Selbstverständnisses ist.“ (ebd. S. 14)

So zeigte die Rekonstruktion der handlungsleitenden Orientierungen in dieser Studie, „dass sich der in der Frühpädagogik geforderte Paradigmenwechsel lediglich auf der Ebene des expliziten Wissens vollzogen hat.“ (ebd. S. 15)

Wie erleben Eltern den Übergang ihrer Kinder?

Ausgehend von transitionstheoretischen Überlegungen haben Andreas Wildgruber, Wielfried Griebel, Julia Radan und Andrea Schuster nach ihren Angaben „erstmals de[n] Übergang von Eltern zu Eltern eines Schulkindes untersucht“ (ebd. S. 16) und damit einen bislang unberücksichtigt Aspekt im Rahmen des Übergangs von der KiTa in die Grundschule beleuchtet. Sie untersuchten, wie Eltern die Bewältigung nach dem Übergang selber einschätzten und wie Unterschiede in einer entweder positiven oder negativen Einschätzung möglicherweise zu erklären sind.

Transitionen definiert das Autorenteam auf der Grundlage wissenschaftlicher Arbeiten als „Phasen komplexer biographischer Wandlungsprozesse im sozialen Kontext, die in der Bewältigung von Anforderungen auf der individuellen, der interaktiven und der kontextuellen Ebene bestehen“ (ebd. S. 17). Zum Gelingen trage das Transitionsmanagement (als die in der Kooperation aller Beteiligten angebotene Aktivitäten zu den Beziehungen zwischen Bildungseinrichtungen, Kindern und Eltern sowie deren Beteiligung) maßgeblich bei: „Je vielfältiger und intensiver Kooperationsformen sind und über Informationsaustausch hinaus Arbeitsteilung und Ko-Konstruktion beinhalten, desto positiver sehen die Eltern das Transitionsmanagement“ (ebd.). Wichtig sei dabei, dass die Beziehungen der Fachkräfte zu Eltern nicht von Asymmetrie und mangelnder Anerkennung wie z.B. bei Eltern mit Migrationshintergrund oder bildungsbenachteiligten Milieus bestimmt seien.

Für ihre Studie hatten die WissenschaftlerInnen zunächst 706 Mütter oder Väter aus sieben Bundesländern in den letzten drei Monaten vor dem Übergang befragt. Mit zusätzlichen Mitteln aus drei Bundesländern wurde ein Teil der Gesamtstichprobe ein weiteres Mal ca. neun Monate nach Schulbeginn zu ihren Erfahrungen befragt. Mit einem geschichteten Verfahren wurde dabei die Heterogenität der Eltern (z.B. Bildungs- oder Migrationshintergrund) und der Einrichtungen abgebildet. Die Befragung erfolgte in Form von telefonischen Leitfadeninterviews mit geschlossenen (Skalen-) Fragen z.B. zu ihrem „Einblick in den Schulalltag“, „Wissen um Lernziele“ oder „elterliche Unterstützung bei den Hausaufgaben“ sowie ergänzenden offenen Fragen.

Ergebnisse
Im Ergebnis gab ein Großteil der Befragten an, „dass sie den Übergang entweder sehr gut oder eher gut bewältigt hatten. Unter den 108 Befragten befanden sich jedoch auch 12 Mütter bzw. Väter (11,5%), die ihren Übergang als eher schlecht bzw. sehr schlecht einschätzten (ebd. S. 19). Neben dieser individuellen Empfindung wurde auch konkret nach der Interaktion mit der Schule und dem Kontakt zur Lehrperson befragt. Mehr als jeweils 70% fühlten sich im Hinblick auf den Wechsel gut unterstützt und darüber informiert, was sie zum Schulerfolg ihrer Kinder beitragen könnten. Rund 90% bewerteten „den Kontakt zur Lehrperson, das Vertrauen zur Lehrperson und das Verständnis der Lehrperson als sehr oder eher schon positiv [ein]“ (ebd.).

Die Übergangsbewältigung ihrer Kinder schätzten die Befragten generell zu 94% als sehr oder eher schon positiv ein und 92% bewerteten das Wohlbefinden ihrer Kinder in der Schule als positiv.

Merkmale von „Positivbewältigern“ und „Negativbewältigern“
Welche Merkmale tragen nun dazu bei, dass der Übergang von den Eltern selber als positiv oder als negativ empfunden wird? „Entgegen den Erwartungen“, so das Autorenteam, „spiegelten sich soziodemographischsoziodemographisch|||||Soziodemographische Daten werden häufig in Sozialforschungen erhoben. Der Begriff, der Bevölkerungsmerkmale beschreibt, umfasst häufig Kategorien wie: Geschlecht, Alter, Familienstand, Religion, Schulabschluss, Nationalität, Haushaltsgröße etc.e Unterschiede im Hinblick auf den Bildungshintergrund der Eltern in der unterschiedlichen Übergangsbewältigung der Eltern nicht wider“ (ebd. S. 22). Die Ergebnisse bestätigten jedoch die Hypothesen, „dass solche Variablen, die Gefühle der Sicherheit und des Wohlbefindens als Schulkindeltern, Informiertheit der Eltern, Unterstützung und Information durch die Schule, Kontakt zur Lehrperson und Beteiligung in der Schule thematisieren, geeignet sind, um zwischen Eltern mit gelungenem Übergang und Eltern mit schwierigem Übergang zu unterscheiden.“ Unter einem systemorientierten Ansatz gehen die AutorInnen dabei davon aus, dass sich die elterliche Übergangsbewältigung und die Übergangsbewältigung des Kindes gegenseitige beeinflussen.

Im Resümee unterstreichen die AutorInnen: „Beim Anschluss der Bildung von der Kindertageseinrichtung in die Schule gilt es, die Eltern in einen fortgesetzten Dialog mitzunehmen und ihnen insbesondere Wissen und Sicherheit in ihrem heimbasierten Engagement für den Bildungserfolg ihrer Kinder zu vermitteln.“ (ebd. S. 23)

Zur Frühen Bildung 1-2017 (kostenpflichtig)