Erziehen braucht Persönlichkeit

ErzieherInnen und KindheitspädagogInnen befinden sich in einer verantwortungsvollen Position. Unumstritten ist, dass neben der fachlichen Kompetenz auch die Persönlichkeit eine wichtige Rolle spielt. Ein Forschungsprojekt der Alanaus Hochschule untersucht die Rolle der Persönlichkeitsbildung in der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte bundesweit.

Alanus Magazin Universalis No 05 Erzieher Persoenlichkeit Seite 3 Bild 0002Persönlichkeitsbildung in der Ausbildung von ErzieherInnen und KindheitspädagogInnen ist seit Jahren mehr als ein Randthema. Sowohl von Seiten der pädagogischen Theorie als auch von diversen VertreterInnen pädagogischer Praxis wird in unterschiedlichen Begründungszusammenhängen immer wieder ihre Relevanz betont. So lautet ein Argument, dass die Person das „Instrument" der frühpädagogischen Fachkräfte sei, mit dem sie arbeiten und das entsprechend ausgebildet werden sollte. Andere stellen fest, dass die ErzieherIn und KindheitspädagogIn eine Vorbildfunktion ausübt und dadurch mit ihrer Person wesentlichen Einfluss auf die Eigenarten, Eigenschaften, Einstellungen und Verhaltensmuster, die ein von ihr betreutes Kind entwickelt, hat. Auch die diversen Qualifikationsrahmen, die der fachschulischen und der seit etwa zehn Jahren existierenden akademischen Ausbildung der frühpädagogischen Fachkräfte zugrunde liegen, messen der Persönlichkeitsbildung einen hohen Stellenwert bei.

 

Bestandsaufnahme


Alanus Magazin Universalis No 05 Erzieher Persoenlichkeit Seite 2 Bild 0002Doch wie, in welchem Umfang und mit welchen Wirkungen wird tatsächlich die Persönlichkeit der frühpädagogischen Fachkräfte im Rahmen ihrer Ausbildung gebildet? Dieser Fragestellung widmet sich erstmals das im Jahr 2012 vorbereitete und seit März 2013 begonnene Projekt: „Persönlichkeitsbildung in der Ausbildung von ErzieherInnen und KindheitspädagogInnen", das von der MAHLE-Stiftung und der Waldorf-Stiftung gefördert wird.

Im ersten Projektteil wurde eine Bestandsaufnahme vorgenommen. Die Projektverantwortlichen Janne Fengler, Alexander Röhler und Stephanie Conein haben zunächst die schriftlichen Vorgaben der Ausbildungsgänge, die Bildungspläne der Länder, den 2013 in Kraft getretenen länderübergreifenden Lehrplan und die Modulhandbücher der Hochschulen intensiv analysiert. Als Ergänzung wurden 13 leitfadengestützte ExpertInneninterviews mit Ausbildungsverantwortlichen an Hochschulen und Fachschulen geführt.

Im Sommer 2014 konnte der erste Projektteil abgeschlossen werden und die Ergebnisse auf mehreren Tagungen und Konferenzen einem interessierten Fachpublikum vorgestellt werden. Die Analysen der Bildungspläne der Länder bzw. des länderübergreifenden Lehrplans als Grundlage der fachschulischen Ausbildung ergaben ein recht einheitliches Bild. In allen Bundesländern wird die Persönlichkeitsbildung an prominenter Stelle berücksichtigt, findet sich zumeist schon in den Grundsätzen der Ausbildungen. Die Bildungspläne zweier Bundesländer machen sogar Angaben zur erwünschten ErzieherInnenpersönlichkeit. Dagegen wird in den Modulhandbüchern, die die Studieninhalte abbilden, die Persönlichkeitsbildung sowohl quantitativ als auch qualitativ sehr unterschiedlich behandelt. Während ihr in manchen Studiengängen sogar ein eigenes Modul gewidmet ist oder sie in jedem Modul durchgängig eine Rolle spielt, gibt es einige Studienverläufe, die gar keinen Bezug auf diese Thematik nehmen.

 

Reflexion der Biografie


In den Interviews mit den Ausbildungsverantwortlichen interessierten Definitionen von Persönlichkeitsbildung, Zielsetzung und Begründungszusammenhänge, die Rolle der Persönlichkeitsbildung in der Ausbildung sowie die Rolle der wichtigsten Akteure. Erfragt wurden auch die Methodik, mit der Persönlichkeitsbildung in der Ausbildung der frühpädagogischen Fachkräfte vermittelt wird, sowie förderliche und hinderliche Faktoren bei der Realisierung von Persönlichkeitsbildung.


Bei der Auswertung der Interviews zeigte sich, dass Reflexion, insbesondere die Reflexion der eigenen Biografie sowohl als wichtiges methodisches Instrument als auch als Ziel von Persönlichkeitsbildung gesehen wird. Auch Selbsterfahrung, Supervision und kollegiale Beratung werden eingesetzt, um den angehenden frühpädagogischen Fachkräften die Bildung und Reflexion der eigenen Persönlichkeit zu vermitteln.


Der als Kontext für Persönlichkeitsbildung mit Abstand am häufigsten benannte Studien- bzw. Ausbildungsteil ist der praktische Teil, sei es als Praxissemester, sei es als praktische Seminarübungen oder auch als freiwillig geleistete pädagogische Arbeit. Die praktische Arbeit allein wird jedoch selten als persönlichkeitsbildend angesehen, sondern bedarf nach Meinung der befragten Ausbildungsverantwortlichen immer der Begleitung durch die oben genannten Methoden der Reflexion, Supervision und kollegialen Beratung. Betont wurde auch, wie wichtig gute Beziehungen für eine gelingende Persönlichkeitsbildung sind. Nicht nur die Dozenten sollten ein enges und vertrauensvolles Verhältnis zu den Studierenden bzw. SchülerInnen besitzen, wichtig war auch die Beziehung der angehenden FrühpädagogInnen untereinander.

 

Eigenverantwortlichkeit


Alanus Magazin Universalis No 05 Erzieher Persoenlichkeit Seite 3 Bild 0003Immer wieder erwähnten die Befragten auch die Faktoren Selbsttätigkeit, Teilhabe und Verantwortung, die auf Seiten der Studierenden und Auszubildenden die Persönlichkeitsbildung fördern. Daher wird in der Ausbildung darauf geachtet, dass ein selbständiger Arbeitsprozess zu Stande kommt, z. B. im Rahmen von Projekten, Lernwerkstätten, Lerntagebüchern oder der Portfolio-Methode. Die in Ausbildung befindlichen ErzieherInnen und KindheitspädagogInnen sind gefordert, ihren eigenen Lernweg zu bestimmen, erhalten aber auch stellenweise Gelegenheit, sich an der Gestaltung von Seminaren und sogar an der Festlegung der Lernziele zu beteiligen. Verbunden mit dieser Möglichkeit der Teilhabe und Selbstbestimmung ist die Übernahme von Verantwortung. Viele Ausbildungsverantwortliche teilen die Ansicht, dass in der Regel nur die Bedingungen für eine erfolgreiche Persönlichkeitsbildung geschaffen werden können, die Auszubildenden die Umsetzung jedoch selbst in die Hand nehmen müssen. Fach- und Hochschulen werden nur als bedingt geeignet für die Realisierung von Persönlichkeitsbildung bewertet. Grund dafür sind die oftmals strikten zeitlichen Strukturen und inhaltlichen Vorgaben, die in diesen Institutionen zu finden sind. Auch die bei den Ausbildungsstätten vorhandenen Aufgaben der Beurteilung und Selektion sehen viele der Ausbildungsverantwortlichen als kontraproduktiv an. Darüber hinaus verfügen nach Meinung der Befragten viele Ausbildungsstätten über keine geeignete Infrastruktur, um das Lernziel Persönlichkeitsbildung gänzlich zu verwirklichen.

 

Unterschiedliche Umsetzung


So kann nach dem Ende des ersten Projektteils eine gemischte Bilanz gezogen werden: Die Relevanz der Persönlichkeitsbildung in der Ausbildung der frühpädagogischen Fachkräfte ist unbestritten, doch ist die Umsetzung insbesondere innerhalb der akademischen Ausbildungsgänge qualitativ und quantitativ sehr unterschiedlich. Gespannt ist das Projektteam nun auf die Ergebnisse der zweiten Forschungsphase, die sich mit den Wirkungen von Persönlichkeitsbildung befasst.

 

Projektteam: Prof. Dr. Janne Fengler,
Dr. Alexander Röhler, Dr. Stephanie Conein

 

Text und Bilder (Copyright: Charlotte Fischer) sind mit freundlicher Genehmigung der Alanus Hochschule aus dem Alanus-Magazin Universalis No. 5 übernommen worden




Zum Weiterlesen:

Kompetenzprofil für frühpädagogische Fachkräfte

Qualifikationsprofile - Kompetenzprofile

Das professionelle Selbstverständnis frühpädagogischer Fachkräfte



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