Interkulturelle Elternbildung

Kitas als Brückenbauer in der Einwanderungsgesellschaft

Unter dem Titel "Kitas als Brückenbauer. Interkulturelle Bildung in der Einwanderungsgesellschaft" hat der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration ein Studie zur interkulturellen Öffnung und Elternarbeit in den deutschen KiTas veröffentlicht, die wir Ihnen unten zum Download anbieten. In der Zusammenfassung heißt es:

"Die Aufgaben von Kindertagesstätten gehen heute weit über die pädagogische Förderung der Kinder hinaus. Angebote der Elternbildung und -beratung, beispielsweise Elternabende oder Sprechstunden von Beratungsstellen in der Einrichtung, sollen Familien ganzheitlich unterstützen. Sie sollen aufklären, informieren, die Bildungs- und Erziehungsressourcen der Eltern mobilisieren, um bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Leben des Kindes positiv auf dessen Bildungsverlauf zu wirken.

Doch die Bildungs- und Beratungsangebote an Kindertageseinrichtungen in Deutschland sind vielerorts noch nicht auf die kulturelle Vielfalt der Familien eingestellt. Trotz großen Interesses werden Zuwandererfamilien durch die bestehenden Angebote häufig nicht erreicht. Bundesweit haben nur 27 Prozent der Kitas ihre Organisationsstrukturen interkulturell geöffnet, so dass Eltern unabhängig von ihrer kulturellen Herkunft von Elternbildungsangeboten profitieren können. Dies zeigt eine Auswertung des SVR-Forschungsbereichs für diese Studie, die auf den Angaben von 237 Einrichtungsleitungen im Rahmen des Nationalen Bildungspanels beruht.

Für Eltern mit Migrationshintergrund kann die Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu einer noch größeren Herausforderung werden als für Eltern der Mehrheitsbevölkerung, z. B. wenn sie sich im deutschen Bildungssystem nicht auskennen oder sich mit sprachlichen oder kulturellen Hürden konfrontiert sehen.

Mit Angeboten der interkulturellen Elternbildung setzen pädagogische Fachkräfte an dieser Stelle an:

Sie bemühen sich besonders um eine wertschätzende Beziehung zu den Eltern; sie bauen Barrieren ab, die Eltern mit Migrationshintergrund davon abhalten können, Angebote für Eltern wahrzunehmen; und sie gestalten die Angebote so, dass diese alle Eltern unabhängig von ihrem kulturellen Hintergrund in ihrer Erziehungskompetenz unterstützen und ihre Handlungsspielräume erweitern. Auf diese Weise werden Kitas zu Brückenbauern zu einer kulturell vielfältigen Elternschaft.

Vier Rahmenbedingungen begünstigen eine interkulturelle Öffnung der Elternbildung:

(1) Interkulturelle Fähigkeiten der pädagogischen Fachkräfte befördern ein besseres Verständnis der Lebenswelten von Familien mit Migrationshintergrund.

(2) Lokale Kooperationen mit Initiativen und Einrichtungen unterstützen die Effektivität interkultureller Elternbildung an Kitas, z. B. indem externe Beratungsstellen zusätzliches Expertenwissen zur Verfügung stellen oder über Migrantenorganisationen ein Zugang zur Zielgruppe eröffnet wird. Umgekehrt profitieren auch die Netzwerkpartner von der Zusammenarbeit, indem sie durch Beteiligung der Eltern mit Migrationshintergrund ihre eigenen Angebote stärker interkulturell ausrichten können.

(3) Vielseitige Mitwirkungsmöglichkeiten für Eltern in der Kita ermöglichen den Familien, sich entsprechend ihren Interessen und Fähigkeiten einzubringen und auf die Gestaltung von Elternbildungsangeboten Einfluss zu nehmen.

(4) Interkulturelle Elternbildung richtet sich an alle Eltern, ob mit oder ohne Migrationshintergrund. In manchen Situationen haben sich jedoch zusätzlich spezifische Bildungsangebote für Eltern mit Migrationshintergrund als geeignete Ergänzung bewährt,  a sie auf besondere Herausforderungen der zugewanderten Eltern gezielt eingehen können.


Viele KiTas sind noch nicht auf den Umgang mit heterogenen Elterngruppen vorbereitet

Die Länder geben den inhaltlich-rechtlichen Rahmen für interkulturelle Elternbildung vor. Sie haben die Bedeutung des Themas erkannt und unterstützen die Wertschätzung der kulturellen Vielfalt in den Familien sowie die Anpassung von Elternangeboten an die Bedarfe und Interessen der Familien mit Migrationshintergrund ausdrücklich. Dies geht aus einer Auswertung der Bildungspläne hervor, mit denen die Länder den Bildungsauftrag der Kindertageseinrichtungen umsetzen und ausgestalten.

Tatsächlich engagieren sich bereits viele Kindertageseinrichtungen und stellen für Eltern ein interkulturelles Bildungs- und Beratungsangebot bereit. Doch immer noch ist ein substanzieller Teil der Einrichtungen auf den Umgang mit heterogenen Elterngruppen nicht ausreichend vorbereitet. Das gilt selbst für viele Kindertageseinrichtungen mit hohem Zuwandereranteil.

Die Rahmenbedingungen, die es für eine interkulturelle Öffnung der Elternbildung braucht, sind in deutschen Kindertageseinrichtungen nicht überall gewährleistet. Weithin etabliert ist die Kooperation mit externen Experten bei der Bereitstellung von Angeboten der Elternbildung. Vier von fünf Kitas arbeiten mit Institutionen wie Flüchtlingsberatungsstellen, Familienbildungsstätten oder Hebammenpraxen zusammen. In zwei Drittel der Einrichtungen haben die Eltern vielseitige Möglichkeiten, am Kita-Alltag und an organisatorischen Prozessen und damit auch bei der Ausgestaltung der Elternbildung aktiv mitzuwirken. Weniger häufig sind die Erzieher der Kitas in ihren interkulturellen Kompetenzen geschult: Weniger als ein Fünftel der Einrichtungen bietet interkulturelle Fortbildungen für ihre Mitarbeiter an. Immerhin arbeitet in rund der Hälfte der Einrichtungen mindestens eine pädagogische Fachkraft mit Migrationshintergrund. Bildungsangebote, die sich speziell an Eltern mit Migrationshintergrund richten, sind nur an wenigen Kindertageseinrichtungen verankert: Im Durchschnitt bietet etwa jede neunte Kita solche zielgruppenspezifischen Maßnahmen wie z. B. Deutschkurse an.

Trotz vielseitiger Anstrengungen ist die interkulturelle Öffnung der Elternbildung an Kindertageseinrichtungen in Deutschland also erst in Ansätzen vollzogen. Hier besteht weiterhin deutlicher Handlungsbedarf. Die Verantwortung für eine flächendeckende interkulturelle Öffnung der Elternbildung tragen nicht allein die Kindertagesstätten. Bund, Länder und Kommunen, aber auch die Wissenschaft sollten die Träger in den folgenden Bereichen unterstützen:


(1) Förderliche Rahmenbedingungen: Kitas benötigen geeignete Strukturen, Mittel und Konzepte, um Interkulturelle Elternbildung angemessen umzusetzen, insbesondere konkrete Umsetzungsempfehlungen, ausreichende Personalressourcen, koordinierte Netzwerke und Informationen zur Wirksamkeit bestimmter Maßnahmen.

(2) Aus- und Fortbildung: Interkulturelle Elternbildung muss ein zentrales Element in der Erzieherausbildung und -fortbildung werden. Eltern mit Migrationshintergrund sollten den gleichen Zugang zu Unterstützungsangeboten haben wie Eltern aus der Mehrheitsbevölkerung, damit sie ihr Kind auf seinem Bildungsweg besser begleiten können. Dies dient unmittelbar dem Ziel, allen Kindern unabhängig von ihrem soziokulturellen Hintergrund gleiche Bildungs- und Teilhabechancen zu geben."

IK 535