Lernwerkstätten - Modellprojekt und Materialien
Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung als gemeinnützige GmbH setzt sich für ein gelingendes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in Deutschland ein. Das Thema „Kita und Schule gestalten“ ist eines von mehreren Schwerpunktthemen, zu denen sie Projekte und Veranstaltungen durchführt. „fliegen lernen. - Kinder erforschen Naturwissenschaften“ ist dabei ein gelungenes Beispiel für Lernwerkstätten als Übergangsinstrument.Die Initiative „fliegen lernen.“ wurde von 2006 bis 2010 in der Region Frankfurt am Main durchgeführt unter der Beteiligung von 5 pädagogischen Tandems. PädagogInnen aus Kindertageseinrichtungen und Grundschule richteten gemeinsam Lernwerkstätten ein, um im fachlichen Austausch nicht nur die Arbeit in der jeweils anderen Bildungsinstitution kennenzulernen, sondern auch einen Grundstein für nachhaltige Kooperationen zu setzen. Unterstützung erhielten sie dabei von einer Praxisbegleitung bei der Projektplanung, Kontaktherstellung zu externen PartnerInnen, Moderation, Netzwerken und Feststellung von Fortbildungsbedarfen. Ein Fachtag im Jahre 2012 diente ebenfalls dazu Vernetzung und fachlichen Austausch zwischen den AkteurInnen herzustellen. In verschiedenen Workshops mit Praxisbeispielen konnten sich ErzieherInnen, Lehrkräfte, Auszubildende und Studierende mit den ExpertInnen aus Praxis und Wissenschaft austauschen.
Lernwerkstätten sind vielseitig eingerichtete Räume mit Werkzeugen, verschiedenen Materialien, Alltagsgegenständen und weiteren Dingen, die Neugierde und Erstaunen herbeiführen können. Die Umgebung soll dazu anregen Fragen zu stellen, sich mit neuen Phänomenen auseinanderzusetzen und es gleichzeitig möglich machen, dass Kinder sich selbstständig durch Experimentieren und „Herumwerkeln“ einer Antwort nähern können. „Kann Wind riechen oder sehen?“ „Fliesst Wasser auch bergauf“, das sind nur einige der Fragen der Kinder, mit denen sie sich auseinandersetzen und sich dabei naturwissenschaftliches und technisches Wissen aneignen. Auch zur Stärkung der Sprachkompetenz und Teamfähigkeit können Lernwerkstätten einen Beitrag leisten, z.B. wenn Kinder versuchen gemeinsam einem Phänomen auf die Spur zu kommen. So berichtet eine Praxisbegleiterin auf dem Fachtag: „Wenn auch Kinder mit ADHS oder Kinder, die kein Deutsch sprechen oder wenig reden, plötzlich loslegen, forschen, sich austauschen: Das ist wirklich beeindruckend!“
Leitfaden für gemeinsame Lernwerkstätten
Im Rahmen des Programmes wurde außerdem ein Audit für gemeinsame Lernwerkstätten von Kitas und Grundschulen entwickelt (siehe Download), das als Praktischer Leitfaden zur Qualitätsentwicklung dienen soll und ebenfalls von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung herausgegeben wurde. Es bündelt die Erfahrungen aus drei Jahren praktischer Lernwerkstattarbeit in 14 Kita-Grundschul-Tandems.
Zusammenfassend wird die Rolle der PädagogInnen als BegleiterInnen beschrieben, die dafür sorgen, dass die jungen ForscherInnen ihr „Vorgehen weitgehend selbst bestimmen, eigene Lernwege erproben und dabei nicht nur ihr Wissen erweitern, sondern auch das Lernen lernen“.
Im Audit werden dazu 6 Qualitätsfelder formuliert, die wichtig sind um qualitativ hochwertige Lernwerkstätten ausgestalten zu können. Diese sind jeweils unterteilt in Leitsätze, Kriterien und mögliche Nachweise, Methoden und Arrangements, die jeweils mit praktischen Beispielen dargestellt werden.
1. Lernwerkstattarbeit als pädagogischer Prozess:
Im Leitsatz verankert sieht hierbei der Gedanke des Prozessorientierten Lernens, das von den Interessen der Kinder gesteuert wird und ein aktiver und selbstbestimmter Lernprozess ist. Exemplarische Kriterien, die zu diesem Feld gehören, sind unter anderem eine Umgebung, die Aufforderungscharakter besitzt und vielfältige Anreize gibt. Ebenso beinhaltet es gemeinsame Rituale, wie auch die Wahlfreiheit der Kinder zu Themen, Materialien oder PartnerInnen und eine Art der Dokumentation der Lernergebnisse und Reflexion der Lernwege. Mögliche Nachweise, Methoden und Arrangements können Wandzeitungen, PortfolioPortfolio||||| Ein Portfolio bezeichnet ursprünglich eine Sammlung von Objekten eines bestimmten Typs. Im Handlungsfeld frühkindliche Bildung werden Portfolios beispielsweise wie "Ich- .Mappen" für Kinder genutzt um eigene Fortschritte zu dokumentieren. Auch in Studiengängen gibt es Beispiele, wo Portfolios als Prüfungsleistung oder Dokumentation von Entwicklungen zählen können. s oder auch Ritualbeschreibungen sein.
2. Die Lernwerkstatt als gestaltete Lernumgebung
Dieser Leitsatz bezieht sich auf eine anregend gestaltete Lernumgebung, in dem individuelle Lernwege beschritten werden können. Kriterien, die hierzu aufgeführt werden, sind beispielsweise von Kindern ausgehandelte sichtbare Regeln für die Raumnutzung, die Gestaltung des Raumes als flexibler und themenoffener Ort, barrierefrei sowohl für jüngere als auch ältere Kinder nutzbar und deutlich zu erkennen und leicht zu finden. Mögliche Nachweise, Methoden und Arrangements könnten demnach visualisierte Regeln zur Raumnutzung sein, aber auch Präsentationsflächen auf Augenhöhe von kleinen und größeren Kindern, auch Tische und Stühle sollten für kleine und größere Kinder nutzbar sein. Material ist übersichtlich und griffbereit präsentiert und die Lernwerkstatt ist als solche gekennzeichnet und z.B. mit Richtungspfeilen ausgeschildert.
3. Kinder in der Lernwerkstatt
Der 3. Leitsatz verdeutlicht das Bild vom Kind als selbstbestimmtes Individuum mit eigenen relevanten Bildungsthemen. Als Kriterien wird unter anderen aufgeführt Kindern Zeit für ihren Lernprozess zuzugestehen, eigene Themen der Kinder wertzuschätzen sowie es Kindern zu ermöglichen konstruktiv mit Fehlern umgehen zu können und ihre eigenen Stärken kennen lernen zu können. Es wird weiterhin davon ausgegangen, dass Kinder in der Lage sind ihr Lernen zu beschreiben, sich darüber auszutauschen und es zu dokumentieren. Mögliche Nachweise, Methoden und Arrangements können demnach sein, dass Kinder ihre Lernwege und -ergebnisse in Lerntagebüchern und anderen Formaten präsentieren, indem sie malen, davon erzählen, etwas mit Fotos oder in kleinen Filmen zeigen können.
4. Pädagoginnen und Pädagogen in der Lernwerkstatt
Im 4. Leitsatz wird verdeutlicht, dass PädagogInnen sich als LernbegleiterInnen verstehen und besonderen Wert auf eine dialogische Kommunikation legen. In den Kriterien wird dazu festgehalten, dass LernbegleiterInnen die Lernumgebung strukturieren, indem sie es allen Kindern ermöglichen eigene Zugänge und Fragen zu entwickeln. Es gilt außerdem den vielfältigen Lernwegen der Kinder gerecht zu werden und diese differenziert anzubieten. Des Weiteren sehen sich PädagogInnen selber als Lernende und können ihr Handeln reflektieren und hinterfragen, sie kooperieren in multiprofessionellen Teams und tauschen sich über ihre Perspektiven und Erfahrungen aus. Mögliche Nachweise, Methoden und Arrangements dieses Feldes sind unter anderem die Berücksichtigung von verschiedenen Lerntypen und Anwendung von geeigneten Beobachtungsinstrumenten, ebenso wie Entwicklungsgespräche mit Eltern, aber auch kollegialer Austausch und regelmäßige Fortbildungen
5. Die Lernwerkstatt als Teil der pädagogischen Praxis der Einrichtung
Im 5. Leitsatz wird verdeutlicht, dass die Lernwerkstatt als wichtiger Bestandteil der pädagogischen Praxis und als Bildungsangebot verstanden wird. In den Kriterien wird dazu festgehalten, dass die Lernwerkstatt sowohl konzeptionell verankert sein muss, als auch Unterstützung und Zuspruch von den verschiedensten AkteurInnen wie Leitung, Eltern und Fachkräften innerhalb der beiden Einrichtungen KiTa und Grundschule bedarf. Die Rahmenbedingungen müssen gesichert sein und regelmäßige Informationen und Austausch zu dem Thema und aktuellen Ereignissen stattfinden. Als mögliche Nachweise, Methoden und Arrangements ist unter anderem die freie Hospitation von KollegInnen in der Lernwerkstatt benannt, ebenso wie Informationsveranstaltungen für KollegInnen und Eltern, Einplanung von genügend Personal und regelmäßigen Zeiten für die Nutzung der Lernwerkstatt.
6. Die gemeinsame Lernwerkstatt von Kita und Schule
Im 6. Leitsatz wird verdeutlicht, dass die professionsübergreifende Zusammenarbeit als wichtiger Faktor gesehen wird, mit dem Ziel einer gemeinsame Verantwortungsübernahme für die individuellen Bildungsbiographien von Kindern. In den Kriterien wird dabei festgehalten, dass Lehrkräfte und ErzieherInnen ein verbindendes Verständnis über Bildung, Schlüsselkompetenzen und Lernen zu entwickeln haben und sich außerdem gemeinsam (extern) fortbilden und an Netzwerken und Austausch beteiligen. Gemeinsame Ressourcen werden geteilt und gemeinsam weitere akquiriert sowie gemeinsam Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Mögliche Nachweise, Methoden und Arrangements sind unter anderem Absprachen über Rollen- und Aufgabenverteilung sowie Arbeitszeitkontingente. Eine „ Kultur des Miteinanders“ wie auch Teilnahme an fachlich-kollegialen Netzwerken und das Einbinden von externen PartnerInnen werden dabei aufgeführt.
Qualitätssicherung im Qualitätszirkel
Zur Qualitätssicherung wird im Audit ein Qualitätszirkel mit drei Phasen vorgeschlagen, die sich jeweils auf die oben vorgestellten 6 Qualitätsfelder beziehen und in der Zusammenarbeit mit Kita und Grundschul-Fachkräften in Workshops besprochen werden:
Der Selbstbewertungsworkshop: Bei diesem Treffen findet eine Art Bestandsaufnahme statt. Mithilfe der im Audit formulierten Leitsätze und Kriterien überprüfen die TeilnehmerInnen, was sie bisher erreicht haben, identifizieren Stärken und diskutieren Verbesserungsmöglichkeiten.
Die Ziel- und Maßnahmenplanung: Die PädagogInnen leiten aus den Ergebnissen des Selbstbewertungsworkshops konkrete Ziele und Maßnahmen ab, um ihre Kita-Grundschul-Lernwerkstatt innerhalb eines festgelegten Zeitraumes weiterzuentwickeln.
Das Rückmelde- und Beratungsgespräch: Externe Personen werden nach Beendigung des Zeitpunktes eingeladen und ihnen die geleistete Arbeit vorgestellt. Die sogenannten Auditoren helfen mit ihrem Außenblick, die Entwicklungsfortschritte der Kita- und Grundschul- Lernwerkstatt zu erkennen und zu würdigen.
Weitere Programme zum Forschenden Lernen
Die deutsche Kinder und Jugend Stiftung führte weitere Programme, die forschendes Lernen beinhaltet, in verschiedenen Bundesländern durch (siehe links). Dazu gehören die Programme „Humbolde – Kinder erforschen Naturwissenschaften“ in Trier, „primar(r)forscher. Naturwissenschaftliches Lernen im Grundschulnetzwerk (Brandenburg, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen) sowie „Kultur! Forscher & Jugendliche auf Entdeckungsreise“ und „Mathe.Forscher - Entdecke Mathematik in deiner Welt.“ Auf der Website der Stiftung können auf der Projektlandkarte Kitas aus ganz Deutschland angezeigt werden, die auch für eine Hospitation offen stehen.- Zuletzt bearbeitet am: Dienstag, 19. November 2013 08:22 by Karsten Herrmann