Inklusion durch Partizipation

Reflexionen und Anregungen aus der Praxis

Inhaltsverzeichnis

  1. Empfangsdienst
  2. Die Rettungsmäuse
  3. Werkstattführerschein
  4. Kinderbeirat und Kinderversammlung
  5. Frühstücksbuffet
  6. Jungs-Club
  7. Bewegungsbaustellen

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 Voller Stolz und Tatendrang übernahm ich vor über zehn Jahren die Leitung einer nagelneuen Kindertagesstätte: ein wunderschöner Klinkerbau mit großzügigen und lichtdurchfluteten Räumen, versehen mit Fenstererkern aus Naturholz in Kinderhöhe und einer Hochebene in jedem Gruppenraum. Ein Haus, das erst einmal wenige Kinderträume offen ließ!

Das Konzept der offenen Arbeit und die gemeinsame Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung waren die letzten ausschlaggebenden Punkte, um meinen Traum, in dieser Kindertagesstätte arbeiten zu dürfen, zu verwirklichen. Mir zur Seite stand ein hoch motiviertes und engagiertes Team, bestehend aus weiblichen Kolleginnen – und völlig ungewöhnlich – auch einem Anteil an männlichen Kollegen.

Die Bezeichnungen Partizipation und Inklusion waren zum damaligen Zeitpunkt für meine KollegInnen und mich noch Fremdworte. Uns war gar nicht klar, dass wir schon von Beginn an wichtige und bedeutsame Grundsteine für eine Inklusion gelegt hatten. Anfangs waren es die Philosophie und das Konzept unserer Einrichtung, in der wir den Kindern vermittelten, dass es normal ist, verschieden zu sein und jedes Kind sich integriert und als Teil der Gruppe angenommen und wohl fühlen kann. Schon damals erlebte ich es als etwas ganz Besonderes, dass sich die Kinder in unserer Einrichtung entsprechend ihrer Bedürfnisse und Befindlichkeiten eigenverantwortlich für Räume und Angebote entscheiden konnten.

Die Kinder zeigten uns aber noch viel mehr: Wir lernten von ihnen, dass sie unabhängig von ihrem Alters- und Entwicklungsstand sehr wohl in der Lage sind, verantwortlich mit sich selbst und anderen umzugehen und ihre Bedürfnisse einfordern können. Wir lernten, uns immer stärker zurückzunehmen, sensibler hinzuschauen, uns auf ihre Welt einzulassen und ihre Träume mitzuträumen, gemeinsam mit ihnen Antworten auf ihre Fragen zu suchen und ihren Stolz und ihre Erfolge mit ihnen teilen zu dürfen. Unsere pädagogische Arbeit veränderte sich. Wir wurden BegleiterInnen und Unterstützer unserer Kinder, aber auch Herausforderer, Berater und Beobachter.

Heute erlebe ich sich beteiligende Kinder mit und ohne Behinderungen während des gesamten Tagesablaufes. BesucherInnen werden von Kindern empfangen, Kinder gestalten verantwortlich Morgenrunden und Angebote, Kinder bieten Kindern Hilfestellungen in fast jeder Lebenslage, Kinder übernehmen verschiedene Dienste wie Blumen gießen, kleine Reinigungsdienste, Tischdecken und -abräumen, Frühstück einkaufen und zubereiten, »Erste Hilfe«- Maßnahmen, Telefondienste … Kinder mischen sich ein, sie wollen mitreden, miteinbezogen werden, Partner sein: Es geht nicht über sie, es geht nur noch mit ihnen.

Bei meinen Streifzügen durch die Einrichtung erlebe ich mich des Öfteren als heimliche Beobachterin von respektvoll und wertschätzend geführten Aushandlungsgesprächen zwischen MitarbeiterInnen und Kindern oder zwischen Kindern untereinander. Es sind für mich bedeutungsvolle Augenblicke, miterleben zu dürfen, mit wie viel Begeisterung und Motivation die Kinder in unserer Einrichtung ihre Ideen verantwortlich planen, aushandeln und in den Alltag integrieren. Der respektvolle und wertschätzende Umgang unserer MitarbeiterInnen gegenüber unseren Kindern berührt mich immer wieder aufs Neue. Im Laufe der Jahre ist die Inklusion durch Partizipation für uns in der Kindertagesstätte zu einer Lebensphilosophie und einer ständigen Herausforderung geworden.

 

Einige Beispiele sollen das deutlich machen:



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