Johanna Huber (1869-1935)

Johanna Huber, seinerzeit respekt- und ehrfurchtsvoll bayerische Kleinkindertante (o. V. 1935, S. 7) genannt, gilt als eine der bedeutendsten Vertreterinnen des katholischen Kindergartenwesens (vgl. Berger 1995, S. 96 ff.; Berger 2004, S. 680 ff.). Sie hatte wesentlich dazu beigetragen, dass der Beruf der Kindergärtnerin lange Zeit dem weiblichen Wesen vorbehalten blieb.

Leben und Wirken


Johanna Huber 200Johanna Huber (Quelle: Ida Seele-Archiv)Johanna Huber wurde am 9. Juni 1869 als jüngstes von neun Kindern des städtischen Oberrevisors Xaver Huber und dessen Ehefrau Franziska, geb. Menhart, in München geboren. Die Familie lebte in bescheidenen Verhältnissen. Trotzdem versuchten die Eltern ihren Kindern eine gute Schulbildung zu ermöglichen. Johanna Huber absolvierte nach der Volksschule eine Ausbildung zur Lehrerin. Ihre erste Anstellung als Lehrerin erhielt sie in Bergen bei Traunstein, wo sie 70 Kinder aller Jahrgangsstufen in einem Raum unterrichten musste. Nach zwei Jahren kehrte Johanna Huber wieder nach München zurück und war folgend an verschiedenen Volksschulen der Stadt tätig. In Erkenntnis ihrer besonderen pädagogischen Befähigung hatte der damalige Oberstadtschulrat Georg Kerschensteiner Johanna Huber als Hauptlehrerin an die neu gegründete „Münchener Versuchsschule“ berufen. Dort leitete die Pädagogin neben ihrer Lehrtätigkeit noch den der Bildungsinstitution angeschlossenen „Versuchskindergarten“, der von ihr mit ins Leben gerufen wurde und wo der Versuch unternommen wurde, die Kinder vom dritten Lebensjahr an in die englische Sprache einzuführen.

Faltbüchlein J. Huber 200Faltbüchlein Johanna Huber (Quelle: Ida Seele-Archiv)Die Pädagogin war u. a. Mitinitiatorin und Vorsitzende des „Bayerischen Verbandes katholischer Kinderhorte und Kleinkinderanstalten, Krippen und Säuglingsheime inbegriffen“ (gegr. 1917), der noch heute als „Bayerischer Landesverband katholischer Tageseinrichtungen für Kinder e. V.“ existiert. 1918 gehörte sie zu den Mitbegründerinnen der katholischen Fachzeitschrift „Kinderheim. Zeitschrift für Kleinkindererziehung und Hortwesen“ (heute „Welt des Kindes“) die sie lange Jahre redigierte. Ferner war sie Mitbegründerin der „Arbeitsgemeinschaft katholischer Jugendleiterinnen, Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen“ (gegr. 1923) sowie der „Arbeitsgemeinschaft katholischer Seminare für Kindergärtnerinnen und Jugendleiterinnen“ (gegr. 1925). Beide letztgenannten Arbeitsgemeinschaften sind heute noch aktiv, wenn auch unter anderer Namensgebung.

Besonders eng arbeitete Johanna Huber mit dem Otto Maier Verlag zusammen, bei dem sie einen regelrechten „Renner“ publizierte: Das Buch der Kinderbeschäftigungen, ein Standardwerk […] in der Welt der Kindergärten (Pollitz 1983, S. 243). Das Beschäftigungsbuch erschien erstmals 1930 und wird bis auf den heutigen Tag, wenn auch in wesentlich veränderter Form und Aufmachung, aufgelegt. Die letzte Auflage kam 2009 auf den Markt.

Anfang der 1930er Jahre zog sich Johanna Huber immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in einem Pflegeheim. Sie starb im Alter von 66 Jahren in München.

Religiös-sittliche Erziehung gepaart mit ausgesprochener Mütterlichkeit


Im Jahre 1916 erschien ihr Werk „Die religiös-sittliche Unterweisung des Kleinkindes im Kindergarten und in der Familie“, das seinerzeit sehr positiv aufgenommen wurde. Die Autorin betrachtete die Kindergärten als „Ersatzeinrichtungen der Familienerziehung“, die durchdrungen von „Religiosität und christliche(r) Sittlichkeit“ (Huber 1916, S. V) sein sollten, weil Kleinkinder, wie Johanna Huber glaubte, a priori ein religiöses Bedürfnis besitzen würden. Da für sie die Religion der Hauptfaktor im menschlichen Leben ist und bleibt, muss „sie auch in entsprechender Form dem Kinde dargeboten und damit der religiöse Sinn geweckt werden“ (ebd., S. 7). Dabei wurde von ihr die sittlich-religiöse Erziehung „eindeutig als eine katholische verstanden“ (Wasmuth 2001, S. 347). Demzufolge legte Johanna Huber in ihren Vorträgen stets den Eltern nahe, ihre Kinder „nur in einen katholischen Kindergarten zu schicken“ (Huber 1920, S. 132). Da der Kindergarten die Familie zu ersetzen hat, forderte die „bayerische Kleinkindertante“ von der Kindergärtnerin „hohe Mütterlichkeit“, die als solche weder erworben noch erlernt werden kann:

„Es müssen Persönlichkeiten sein, die dem Kinde das Familienleben und in erster Linie die Mutter ersetzen können, also Persönlichkeiten von ausgesprochener Mütterlichkeit. Dass deshalb nur eine Frau für die Erziehung unserer Kleinsten in Frage kommen kann, ist selbstverständlich“(Huber 1918, S. 235).


Fröbel-Montessori-Diskussion


Entschieden griff Johanna Huber auch in die seinerzeit vehement geführte Fröbel-Montessori-Diskussion ein. Anfänglich betrachtete sie die Konzepte der großen Pädagogen aus der nationalistischen Perspektive (eine damals durchaus übliche Reaktion, da Deutschland und Italien, bedingt durch den Ersten Weltkrieg, noch verfeindete Länder waren). Demzufolge war sie der Ansicht, dass der „Art des deutschen Kindes“ entschieden „der deutsche Fröbel mehr entgegen“ (Huber 1920, S. 140) komme und weniger die „speziell italienische Färbung“ (ebd., S. 139) der Montessori-Pädagogik. Über den Umgang deutscher Kinder mit dem Montessorimaterial, schrieb sie:

„Demgemäß verhalten sich unsere Kinder gegenüber den nüchternen und verstandesmäßigen Tätigkeiten mit den Montessorigaben wesentlich anders als die italienischen. Ein kleiner Junge, dem ich die nach dem Kubikinhalt abgestuften Würfel hingab, zuerst den größten und den kleinsten und nach und nach die Zwischenstufen, packte sie alle ganz glückselig zusammen, stellte sie regellos hintereinander und sagte: ‚O, was für eine schöne Eisenbahn! Ksch – ksch – ksch’ – dabei schob er die Würfel mit der Hand vorwärts, um die Bewegung der Eisenbahn nachzuahmen. Ich suchte ihn auf alle mögliche Weise zu veranlassen, die Würfel ihrer Größe nach aufeinander zu stellen. ‚Sieh den schönen Turm!’ Er rannte ihn einfach um und – baute sich eine neue Eisenbahn. Dabei bin ich völlig überzeugt, daß er den Sinn des Aufeinandertürmens nach der Ordnung wohl begriffen hatte“ (ebd., S. 139).

 

Literatur


  • Berger, Manfred: Frauen in der Geschichte des Kindergartens. Ein Handbuch, Frankfurt/Main 1995, S. 96-101

  • Ders.: Huber, Johanna. In: Bautz, T.: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Nordhausen 2004,  S. 680-693

  • Huber, J.: Die religiös-sittliche Unterweisung des Kleinkindes im Kindergarten und in der Familie, Kempten 1916

  • Dies.: Zur Vorbildung der Kleinkindererzieherin, In: Pharus 1918/H. 8, S. 228-236

  • Dies.: Fröbel oder Montessori. In: Kinderheim 1920/H. 4/5, S. 134-140

  •   Dies.: Körperliche Erziehung im Kindergarten, Kempten 1922
 
  • o. V.: Johanna Huber zum Gedenken. In: Kinderheim 1935/H. 4, S. 7-9

  • Pollitz, A.: 1883-1983. Hundert Jahre Otto Maier Verlag Ravensburg, Ravensburg 1983

  • Wasmuth, H.: Kindertageseinrichtungen als Bildungseinrichtungen. Zur Bedeutung von Bildung und Erziehung in der Geschichte der öffentlichen Kleinkindererziehung in Deutschland bis 1945, Bad Heilbrunn 2011

 

 

 


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