Kulturelle Unterschiede in der Erziehung

Die Erziehungsvorstellungen von Eltern können sich je nach kulturellem Hintergrund stark voneinander unterscheiden. Dabei denken wir nicht in Kategorien wie Herkunftsland, ethnische Gruppe oder Religion, sondern beschreiben prototypische soziokulturelle Kontexte.

 

Die westliche Mittelschichtfamilie verkörpert den Prototypen der psychologischen Autonomie. Die dazugehörige sogenannte „distale Sozialisationsstrategie“ stellt das Baby ins Zentrum und verfolgt das Ziel, Individualität und deren Ausdruck zu vermitteln und zu unterstützen. Großfamilien in ländlichen Regionen nichtwestlicher Gesellschaften, die subsistenzwirtschaftlich organisiert sind und kaum über formale Bildung verfügen, verkörpern den Prototypen der relationalen Anpassung.  Die dazu gehörige sogenannte „proximale Sozialisationsstrategie“ zielt insbesondere auf die soziale Identität des Kindes und seine Rolle in der Gemeinschaft ab. Die „gute Mutter“ weiß, was das Beste für ihr Baby ist: Eltern trainieren und kontrollieren ihre Kinder, damit sie Gehorsam und Respekt vor Älteren als oberste Verhaltensmaxime verinnerlichen.

 

Viele Familien entsprechen allerdings keinem dieser beiden Prototypen: ihre Vorstellungen von optimaler Entwicklung und optimalem Elternverhalten zeichnen sich durch ein Nebeneinander von Autonomie und Bezogenheit aus.

Da jedes System normativnormativ|||||Normativ  bedeutet normgebend, somit wird etwas vorgeschrieben, dass Normen, Regeln oder ein „Sollen“ beinhaltet.e Vorstellungen darüber enthält, was richtig oder falsch ist, birgt ein Blick durch die eigene kulturelle Brille im Kontext allen pädagogischen, erzieherischen und therapeutischen Handelns die Gefahr der normativen Bewertungsmaßstäbe. Mögliche Folgen sind defizitäre Interpretationen und die PathologisierungPathologisierung|||||Pathologisierung beinhaltelt die Deutung von Verhaltensweisen, Empfindungen, Wahrnehmungen, Gedanken, sozialen Verhältnissen oder zwischenmenschlichen Beziehungen als etwas Krankhaftes und somit Unerwünschtes. Im herrschenden Verständnis unterliegen solche Zustände oder Prozesse Veränderungen; findet eine Pathologisierung statt wird dies nicht als solche zur Sprache gebracht, sondern als medizinische Festellung behauptet.    alternativer Sichtweisen. Durch die stärkere Berücksichtigung von Erkenntnissen über kulturspezifische Entwicklungspfade könnte es gelingen, Handlungsspielräume zu gestalten, die den Bedürfnissen aller gerecht werden und sich nicht nur an den normativen Vorstellungen des dominanten kulturellen Modells orientieren.



Zum Weiterlesen:

Kulturelle Unterschiede in der Erziehung - Vertiefung

Kulturelle Bildung für Kleinkinder