Elternbildung

Die institutionelle Wurzel der Elternbildung (heute auch Familienbildung) findet sich in Deutschland in der Gründung der ersten Mütterschule 1917 in Stuttgart durch Luise Lampert. Das Frauenbild und die Inhalte der Mütterschulen bestanden auch in der Weimarer Republik fort. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden alle Mütterschulen (und Frauenverbände) im Deutschen Frauenwerk zusammengeschlossen und wie andere Bereiche gleichgeschaltet. Wieder- bzw. neugegründete Mütterschulen arbeiteten nach Ende des zweiten Weltkrieges auf der Grundlage des vorherrschenden Bildes von Frau und Familie weiter. Eine Veränderung vollzog sich ab Mitte der 1960er Jahre: Vorstellungen von Frauenbiografien, Familie und Partnerschaft wurden grundlegend hinterfragt. Familie und Partnerschaft wurden in ihrer Entwicklung als offen gesehen, Rollenverständnisse grundsätzlich diskutiert und überdacht, die Familie wurde zunehmend im Rahmen der gesellschaftlichen Zusammenhänge gesehen. Im Zuge dieser Entwicklung erfolgte auch die Umbenennung der Mütterschulen in Familienbildungsstätten.
Im Kinder- und Jugendhilfegesetz (Sozialgesetzbuch VIII) werden in § 16, Abs. 2 werden die Träger der Jugendhilfe verpflichtet, den Erziehungsberechtigten Unterstützung anzubieten, wobei auf die Bedürfnisse, Interessen und Erfahrungen von Familien in unterschiedlichen Lebenslagen und Erziehungssituationen eingegangen, die Familie zur Mitarbeit in Erziehungseinrichtungen und in Formen der Selbst- und Nachbarschaftshilfe befähigt und junge Menschen auf Ehe, Partnerschaft und das Zusammenleben mit Kindern vorbereitet werden sollen. Unterstützungsleistungen in diesem Sinne sind neben der Beratung und der Familienerholung und -freizeit die Angebote der Familien- und Elternbildung. Mit der Verabschiedung des Gesetzes zum Recht des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung gemäß § 1631, Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch im November 2000 sind körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen unzulässig. Gleichzeitig wurden Jugendhilfeträger durch eine Ergänzung im achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII, § 16) verpflichtet, Eltern Wege aufzuzeigen, Konfliktsituationen in Familien gewaltfrei zu lösen.
In der Folge wurden vielfältige Angebote der primären Prävention entwickelt (von Eltern-Kind-Gruppen über Elternkurse, Elterncafes im Stadtteil und Familienbesuchsprogramme bis zu sozialräumlichen, erfahrungsorientierten Angeboten für alle Familien oder für besondere Zielgruppe, wie Alleinerziehende, Väter, Eltern mit Migrationshintergrund). Sie werden allen Eltern zur Unterstützung und Begleitung ihres Erziehungsalltags angeboten. Es hat sich als sinnvoll erwiesen, familienunterstützende Angebote dort anzubieten, wo sich Familien aufhalten, z.B. in Kindertagesstätten und Familienzentren, die mit ihrem Betreuungsangebot Eltern in einer großen Streuung sozialer Milieus erreichen und sich in der Regel im Lebens- und Sozialraum der Familien befinden. Zum Erfolg von Elternbildung trägt außerdem bei, wenn sie sich nicht allein auf die erzieherische Qualifizierung der Eltern beschränken, sondern Eltern sowohl Raum für die Auseinandersetzung mit eigenen Lebensfragen, Sinnorientierung und Perspektivenwechsel, Entspannung und Entlastung vom Familienalltag als auch Unterstützung für die Partizipation im Sozialraum bieten.
Elternbildung kann auf diesem Weg dazu beitragen, erzieherische und allgemeine Handlungsoptionen erweitern zu helfen, Ressourcen der Eltern zu aktivieren, die es ihnen ermöglichen, diese (wieder) für sich und ihre Kinder zu nutzen.

 


Literatur

  • Bauer, P./Brunner, E. J. (Hg.) (2006): Elternpädagogik. Freiburg.
  • Diller, A./Heitkötter, M./Rauschenbach, T. (Hg.) (2008): Familie im Zentrum. Wiesbaden.
  • Tschöpe-Scheffler, S. (Hg.) (2006): Konzepte der Elternbildung – eine kritische Übersicht. Opladen.
     

 

 

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Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. © 2011 Verlag Julius Klinkhardt. Quelle: Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft (KLE), hg. v. Klaus-Peter Horn, Heidemarie Kemnitz, Winfried Marotzki und Uwe Sandfuchs. Stuttgart, Klinkhardt/UTB 2011, ISBN 978-3-8252-8468-8. Nutzung mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Das komplette Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft erhalten Sie im UTB-Online-Shop (Link s.u.)