Gesundheitsrelevante Entwicklungsthemen

Im Bildungsbericht 2010 stehen gesundheitsrelevante Entwicklungsthemen für das Alter von drei bis sechs Jahren im Fokus: Die Themen Bewegung, Sprechen und Achtsamkeit im Sinne von sozialer Kompetenz sind damit Entwicklungsschritte, die Kinder bereits in den ersten drei Lebensjahren durchlaufen. In diesen drei Bereichen findet das Lernen vor allem in und mit komplexen Beziehungsgefügen statt und umfasst die Entwicklungsschritte der Selbstbildung. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Eckpunkte des Berichts zusammen.

Die Entwicklung von Kindern zwischen drei und sechs Jahren ist voranging in das Elternhaus beziehungsweise in das Umfeld der Erziehungsberechtigten eingebettet. Eine wesentliche Erweiterung erfährt das Umfeld für die meisten Kinder zwischen drei und vier Jahren mit dem Eintritt in eine Kindertagesstätte. Diese Veränderung stellt einen wichtigen Entwicklungschritt im Leben der Kinder dar - den Übergang vom Gewohnten zum Fremden, den sie, auf sich allein gestellt, bewältigen müssen und wollen.

Dreijährige haben oftmals schon Erfahrungen gesammelt, die sie befähigen unterschiedliche Lebenswelten wahrzunehmen und in ihr Alltagswissen zu integrieren, zum Beispiel den Besuch bei Großeltern, Väter- oder Mütter-Wochenenden bei getrennt lebenden Eltern oder Urlaubserfahrungen.

Zentral im Kindergarten- und Vorschulalter ist die weitere Ausdifferenzierung der Bewegungs- und Sprachentwicklung sowie der Sozialentwicklung, um sich die „soziale Achtsamkeit“ anzueignen. Diese Entwicklungen stellen herausragende Anforderungen an Kinder. Sie bilden den Kern dessen, was am Ende dieses Lebensabschnittes einerseits das subjektive Wohlbefinden und die gesellschaftliche Teilhabe mitbestimmt, andererseits in der gesellschaftlichen Forderung nach Schulfähigkeit mündet. Bewegungs-, Sprach- und Sozialentwicklung sind nicht einfach aufeinanderfolgende Entwicklungsschritte:  Vielmehr sind sie eng miteinander verknüpft.

Achtsamkeit

Mit dem Begriff der Achtsamkeit verweist der Bildungsbericht auf die sozialen Kompetenzen eines Kindes, also auf seine – jeweils altersentsprechenden – Fähigkeiten, andere Menschen zu verstehen, auf diese einzugehen sowie von ihnen aufgrund des eigenen Verhaltens akzeptiert und wertgeschätzt zu werden. Diese Kompetenzen werden vorrangig durch zwischenmenschliche Interaktion, zum Beispiel mit den frühpädagogischen Fachkräften entwickelt. Als Grundlage für weitere soziale Entwicklungen sind folgende Kompetenzen zentral:

  • Wissen über die eigenen Bedürfnisse (Ich-Empfinden)
  • Einfühlungsvermögen in die Empfindungen, Bedürfnisse und Interessen Anderer (Empathie)
  • Bereitschaft, sich auf Aushandlungen einzulassen

Dazu gehört auch, die eigenen Signale des Körpers (wie Hunger und Sättigungsgefühle, Bedürfnis nach Ausruhen) wahrzunehmen. Dies gilt als Voraussetzung dafür, auch entsprechende Signale des Gegenübers beachten zu lernen. Ein überwiegend sozial angemessenes, positives Verhalten führt dazu, dass Kinder - und später auch Jugendliche - von ihrer sozialen Umwelt als angenehm im Kontakt erlebt werden. Dies wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit auf stabile und befriedigende Sozialkontakte und Freundschaften. Auch das Einbringen der eigenen Positionen und Mitbestimmungsrechte sind Voraussetzung für die wachsende Eigenständigkeit des Kindes (siehe Artikel Demokratie).

Bewegung

Selbstbestimmte Bewegung fördert motorisches Lernen, emotionales Gleichgewicht und Selbstbewusstsein. Selbstbestimmt heißt in diesem Sinne, dass das Kind die Anlässe frei wählt. Dies ermöglicht mehrdimensionale Erfahrungen im körperlichen, kognitiven und sozialen Bereich ebenso wie,  eigene Bedürfnisse und die Entwicklung von Körperbewusstsein und -zufriedenheit kennenzulernen. Letzere sind wiederum wesentlich für die Selbstakzeptanz des Kindes.

Somit sind Bewegung, Körpererfahrungen und Achtsamkeit eng miteinander verknüpft. Bewegungslernen und dessen Qualität hängt damit auch von einer Mehrdimensionalität ab: Sie kann zum Beispiel in einem Wald- und Naturspaziergang realisiert werden, wo viele Sinne ohne künstliche Arrangements angesprochen werden. Positives Körperempfinden und genügend freie Bewegungsmöglichkeiten haben zudem eine positive Bedeutung für Stressbewältigung und Widerstandskräfte.

Sprechen

Sprechen bedeutet, Beziehungen zu anderen Menschen einzugehen und sich aktiv seiner Umwelt zuzuwenden. Voraussetzung zum Erlernen von Sprache ist es, dass das Kind die Bedeutung des gesprochenen Worts erfährt und erlebt. Durch sein sprechendes Gegenüber kann es Botschaften und Signale erfassenn, während der interagierende Erwachsene wiederum die Botschaften und Signale des Kindes wahrnimmt und widerspiegelt. In der Übergangsphase zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr erschließen sich den Kindern die Bedeutungen der Sprache nicht nur über ihr unmittelbares Umfeld, sondern auch über Bilder, Bücher und Fotos. Vielseitig kann man beobachten, wie Kinder Sprache nachahmen oder in einer eigenen Phantasiesprache miteinander kommunizieren

Laut Bildungsbericht lenken Achtsamkeit, Bewegen und Sprechen den Blick auf die sensiblen Phasen, die ein Kind etwa zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr durchläuft. Diese Phasen bedürfen freier Möglichkeiten für die intrinsische Entdeckerfreuden der Kinder, Auseinandersetzungen mit Gleichaltrigen, Dialoge und soziale wie dingliche Erfahrungen in ihrer Lebenswelt. Diese Bedingungen sind vielfältig gegeben, jedoch erleben Kinder sie gelegentlich eingeschränkt, zum Beispiel dort dort, wo Eltern - meist aufgrund prekärer Lebenslagen - die Entwicklungsbedürfnisse ihrer Kinder nur begrenzt befriedigen können. Gleichzeitig müssen Eltern häufig auch durch ungünstige Wohn- und Umfeldverhältnisse bedingte Einschränkungen des gefahrlosen Spielens und des Kontaktes ihrer Kinder mit Gleichaltrigen ausgleichen.
Entwicklungsauffälligkeiten und -störungen in den Bereichen Sprache, Motorik und Verhalten kommen bei Jungen, sozial benachteiligten Kindern und Kindern mit Migrationshintergrund deutlich häufiger vor als bei Mädchen, Kindern aus Familien mit höherem Sozialstatus oder ohne Migrationshintergrund (siehe konkrete Daten im Bildungsbericht).

Fazit

Der Bericht zur Gesundheit von drei- bis sechsjährigen Kindern in Deutschland schlussfolgert, dass Jungen und Mädchen Eltern und andere Erwachsene (wie ErzieherInnen) brauchen, die mit großer Achtsamkeit und ohne Diskriminierung nach sozialer Zuordnung, Religion, ethnischer Herkunft oder Behinderung die Bedürfnisse von Kindern nach emotionaler Zuwendung, Bewegung und Erforschung der Umwelt, genussreicher und gesunder Ernährung sowie Kommunikation und Austausch wahrnehmen. Nur so kann es möglich sein, dass Kinder achtsam mit sich selbst umgehen, aktiv und partizipativ an der Ausgestaltung gesunder Lebensverhältnisse mitwirken. Hierzu ist ein ressourcen- und stärkenorientierter Blick förderlich - im Gegensatz zu einem defizitären Blickwinkel.

Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen die Fachkräfte in Kindertagesstätten und Tagespflege
wiederum ausreichende Möglichkeiten, um durch regelmäßige Qualifikationen und Supervisionen nachhaltig eine hohe Qualität ihrer Arbeit zu gewährleisten. Kinder brauchen außerdem andere Kinder, um in der Auseinandersetzung mit anderen unterschiedliche Interessens- und Gefühlslagen kennen zu lernen und den achtsamen Umgang mit ihnen zu erlernen. Und sie brauchen andere Kinder, um ihre Fähigkeiten spielerisch miteinander zu vergleichen und sich gegenseitig Anlässe für Bewegung und Kommunikation zu geben.

 

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Schritt für Schritt zur gesunden KiTa

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