Quereinstieg in die KiTa: Wer? Wie? Wo?

Wer zählt als Quereinsteiger? Was darf die Person und wer finanziert sie? TPS-Chefredakteurin Silke Wiest hat mit dem Experten Detlef Diskowski gesprochen und seine Antworten notiert. Lesen Sie, worauf es ankommt, wenn Sie eine Physikerin oder einen Künstler beschäftigen wollen und warum das für Kitas eine Chance ist, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.

Quereinsteiger für die Kita – der Gedanke beschäftigt viele. Immerhin könnten zusätzliche Mitarbeitende das Team stärken, offene Stellen besetzen und die pädagogische Arbeit in der Kita ergänzen.
Wollen auch Sie eine Quereinsteigerin oder einen Quereinsteiger einstellen, stehen aber noch vor einem Berg an rechtlichen und organisatorischen Fragen? Dann sind Sie hier richtig: Im Gespräch hat Erziehungswissenschaftler Detlef Diskowski die häufigsten Fragen rund um das Thema Quereinstieg beantwortet:

1. Wer ist ein Quereinsteiger?

Quereinsteiger oder Seiteneinsteiger sind Menschen, die nicht den geraden stufenförmigen Standardweg in der Ausbildung und im Beruf gegangen sind, sondern eher unübliche Ausbildungswege beschritten haben und zuvor in nichtpädagogischen Berufen tätig waren. Im Alltagssprachgebrauch werden die Begriffe Quereinsteiger und Seiteneinsteiger synonym gebraucht. Zuweilen wird begrifflich unterschieden; im Schulbereich zum Beispiel durch die Pflicht für Quereinsteiger, ein Referendariat zu absolvieren.

2. Warum Quereinsteiger?

Zumeist wird die Beschäftigung von Quereinsteigern nur unter dem Aspekt des Fachkräftemangels gesehen. Vernachlässigt wird dabei, dass Menschen mit anderen Lebens- und Berufsbiografien eine wesentliche Bereicherung für die Kinder, aber auch für die Teamkultur sein können.
Vielfalt ist nicht nur in der Kindergruppe eine Bereicherung, sondern auch im Team. Wenn die Rekrutierung für dieses Berufsfeld nur auf dem geraden Bildungsweg erfolgt, bleiben die Kita-Teams eher einförmig.

3. Was haben Männer damit zu tun?

Der immer wieder beklagte Männermangel in den Erzieherteams hat auch damit zu tun, dass der Berufswunsch von 15- oder 16-jährigen Jungen häufig nicht die Arbeit mit Kindern ist. Wie der steigende Anteil von Männern bei den Quereinsteigern zeigt, kann sich das mit zunehmendem Alter und durch die Erfahrung mit eigenen Kindern deutlich ändern. Zu stark noch hängen wir an der Vorstellung eines lebenslang ausgeübten Berufes fest. Das ist angesichts der rasanten Veränderung der Berufswelt überholt und verlangt die Öffnung von Quereinstiegen in Ausbildungen und Berufslaufbahnen.

4. Wie Quereinstiege ermöglichen?

Man muss die bisherigen Zugangswege kritisch überdenken und neben den Standardwegen auch andere Zugänge zum Beruf ermöglichen. Um für einen Beruf qualifiziert zu sein, muss man bisher formale, schulisch geprägte Bildungsgänge durchlaufen und gute Noten sowie eine bestimmte erbrachte Leistung mitbringen.

Aus kindheitspädagogischer Sicht sind aber schulisch geprägte Lernarrangements und Kompetenzbewertungen grundsätzlich zu überdenken; für Menschen, die auf größere Lebenserfahrung zurückblicken können, sind sie keinesfalls angemessen.

So bietet die Öffnung des Berufsfeldes für Quereinsteiger aus meiner Sicht die Chance, selbstbewusster und stärker aus kindheitspädagogischer Sicht über Qualifizierungsfragen nachzudenken.

5. Wer regelt den Quereinstieg?

Zuerst muss man verstehen, dass in jedem Bundesland andere Regeln gelten. Deshalb sollte man immer wenn man Informationen zum Quereinstieg erfragt oder vermittelt, das jeweilige Bundesland, um das es geht, benennen. Ohne diesen Bezug ist fast jede Aussage falsch, weil sie meist für andere Bundesländer nicht zutrifft. Häufig sind auch noch die Verfahrensweisen innerhalb der Bundesländer unterschiedlich, sodass man einzelne Informationen nicht verallgemeinern sollte.

Neben der Regionalspezifik wird die Lage zusätzlich unübersichtlich, weil die verwendeten Begriffe und Regelungsbereiche häufig durcheinandergehen: „staatliche Anerkennung“, „Ausbildungsordnung“, „Fachkraftstatus“, „Sozialpädagoge“, „Kindheitspädagogin“, „tarifliche Eingruppierung“, „Teilzeitausbildung“, „PIA“…

Alle Begriffe haben zwar mit dem Thema zu tun, bedeuten aber Unterschiedliches oder auch dasselbe. Verwirrend!

6. Wer darf in der Kita arbeiten?

Grundsätzlich dürfen alle Menschen, die das Kindeswohl nicht beeinträchtigen, in einer Kita anwesend sein und auch dort arbeiten. Ob sie aber als pädagogisches Personal auf die erforderliche Personalausstattung angerechnet und finanziert werden, ist damit noch nicht gesagt.

Das Wohl der Kinder muss gewährleistet sein – darüber wacht die Kita-Aufsicht des Landesjugendamtes oder des Ministeriums. Gibt es keine Beanstandungen, erhält die Kita laut Achtem Buch Sozialgesetzbuch, Paragraf 45, die Betriebserlaubnis.

Die Frage, wer in der Kita als pädagogisches Personal arbeiten darf, wird ausschließlich im Landes-Kita-Gesetz oder in einer Verordnung zum Landes-Kita-Gesetz bestimmt – nicht durch die staatliche Anerkennung, den Tarifvertrag oder das Schulgesetz!

Im Landes-Kita-Gesetz oder der entsprechenden Verordnung finden sich folgende Vorschriften darüber:
  • welche Personen (mit welcher Ausbildung) ohne weitere Voraussetzungen zum pädagogischen Personal gezählt werden (zum Beispiel „pädagogische Fachkraft“),
  • wer nur bestimmte Tätigkeiten ausüben darf (zum Beispiel „Assistenzkräfte“),
  • wer vor Aufnahme der Tätigkeit bestimmte Qualifikationen erwerben oder im Verlauf seiner Tätigkeit welche Qualifikationen nachholen muss,
  • ob Personen nur teilweise auf die Personalausstattung angerechnet werden (zum Beispiel Auszubildende),
  • wer nach dem Erwerb bestimmter Qualifikationen vollständig als Fachkraft anerkannt wird.
Für die Durchführung von Aufgaben, die durch zusätzliche Mittel finanziert (100 Prozent) oder gefördert (Zuschuss) werden, kann die Kita auch Personen mit anderen Qualifikationen beschäftigen. So könnten zu Bewegungsförderung oder Musikpädagogik auch Trainer oder Musiker geeignete Kräfte sein. Informationen dazu findet man jeweils in den Finanzierungs- und Förderbedingungen.

7. Wer muss zustimmen?

Die für die Betriebserlaubnis zuständige Behörde (siehe Punkt 5) muss immer zustimmen, weil sie für die Überwachung der Bedingungen des Kindeswohls zuständig ist. Bei Personen, die eindeutig im Landes-Kita-Gesetz oder der Verordnung bestimmt sind, erfolgt das routinemäßig im Rahmen der Meldepflicht des Trägers (Achtes Buch Sozialgesetzbuch, Paragraf 47).

Wenn der Träger die Quereinsteiger als pädagogisches Personal anerkannt und finanziert bekommen will (siehe Punkt 8), muss die Beschäftigung den Regelungen des Landes-Kita-Gesetzes oder den Finanzierungsregelungen entsprechen. Der Finanzier wird hierüber wachen.

8. Wer regelt, wer finanziert wird?

Diese Frage ist in zwei Richtungen zu beantworten: hinsichtlich der Finanzierung des Trägers und der Bezahlung der Personen. Die Finanzierung des Trägers ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Finanzierungsregelungen im Landes-Kita-Gesetz und den Personalregelungen des jeweiligen Bundeslandes.

Angesichts des Personalmangels werden inzwischen immer mehr Personen für die Arbeit in der Kita zugelassen und auch durch die öffentliche Hand, wie etwa Land, Kreise und Gemeinden, finanziert. Zumeist erhält der Träger für die beschäftigten pädagogischen Fachkräfte höhere Zuschüsse als für Assistenzkräfte, Teilausgebildete oder Auszubildende.

Die Bezahlung der Personen ergibt sich unmittelbar aus dem Tarifvertrag, wenn der Träger tarifgebunden ist. Tarifgebunden sind in der Regel die kommunalen Träger oder andere Träger, die mit Gewerkschaften einen Tarifvertrag geschlossen haben.

Nichttarifgebundene Träger orientieren sich häufig am Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Wie weit sie sich orientieren, ist dem Arbeitsvertrag zu entnehmen.

Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – Sozial- und Erziehungsdienst (TVöDTVöD|||||Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst umfasst mehrere Tarifverträge für Beschäftigte bei Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung. Seit Oktober 2005 gilt in jedem TVöD eine einheitliche Entgelttabelle für alle ArbeiterInnen, Angestellte und Pflegebeschäftigte . Diese besteht aus 15 Entgeltgruppen sowie 2 Grundstufen und 4 Entwicklungsstufen. In der Regel erfolgt ein Aufstieg in eine höhere Gruppe nach der Dauer der Berufserfahrung beim gleichen Arbeitgebenden.  -SuE) – besteht aus zwei Teilen: Eingruppierung und Vergütung. Maßgeblich für die Eingruppierung ist die Tätigkeit. Die Ausbildung ist eine Voraussetzung, um die Tätigkeit ausüben zu können. Deshalb verdienen Hochschulabsolventen bei gleicher Tätigkeit nicht mehr.

9. Fachkraft oder Assistenzkraft?

Fachkräfte haben mindestens die volle Fachschulausbildung als Erzieherin. Assistenzkräfte haben eine Berufsfachschulausbildung, etwa in Kinderpflege oder Sozialassistenz, oder sind noch in der Ausbildung. Es gibt auch Personen ohne pädagogische Berufsausbildung, die als Assistenzkräfte bezeichnet werden. Die Abgrenzung der Tätigkeiten von Fach- und Assistenzkräften ist nicht ganz einfach. Die Unterscheidung erfolgt nach Umfang der Verantwortung, der Selbstständigkeit und dem Schwierigkeitsgrad der Aufgabe.

10. Was ist Multiprofessionalität?

Oft wird ein Team schon als multiprofessionell bezeichnet, wenn dort pädagogische Kräfte mit verschiedener Ausbildung arbeiten, also Absolventen der Fachschule für Sozialpädagogik (Erzieherinnen), Kindheitspädagogen mit Abschluss Bachelor oder Master, Kinderpflegerinnen sowie Sozialassistenten. Neu im Berufsfeld ist der sogenannte „Bachelor Professional“, der das Missverständnis eines Hochschulabschlusses produziert – tatsächlich aber nur eine zusätzliche Bezeichnung für den Fachschulabschluss darstellt.

Einrichtungen, die verschiedene Pädagoginnen beschäftigen, sind aber nicht wirklich multiprofessionell, weil die Ausbildung der Kräfte immer eine pädagogische ist – lediglich auf unterschiedlichen Niveau oder Hierarchiestufen. Will man mit Multiprofessionalität die Erfahrungsbereiche der Kinder erweitern und die Angebote in der Kita bereichern, sind andere Berufs- und Lebenserfahrungen in die Kita einzubeziehen, als sie durch die Normalbiografie von Erzieherinnen repräsentiert werden: Künstler, Handwerker, Therapeuten verschiedener Richtungen können das Leben der Kinder bereichern – ohne dass die pädagogische Fundierung des Teams aufgegeben wird.

11. Wie sieht die Ausbildung aus?

Eine Ausbildung, also eine Qualifikation, die vor der Tätigkeit absolviert werden muss, gibt es für Quereinsteiger in der Regel nicht – und wenn, dann als Quereinstieg in die Ausbildung, wenn etwa bestimmte Vorbildungen auf die Ausbildungszeit angerechnet werden.
Sehr viel häufiger dagegen finden wir Qualifizierungen wie Fortbildungen, Coaching, Beratung, mit denen die Tätigkeit begleitet, reflektiert und vertieft wird. Sie ermöglichen, dass Handeln, Denken und Planen aufeinander bezogen werden können.

12. Voraussetzungen für die Kita?

Quereinsteiger in der Kita sind in der Regel und im Grundsatz eine fachliche, persönliche Bereicherung und arbeitsmäßige Unterstützung. Allerdings hängt das stark von den Rahmenbedingungen in der Kita ab.
Beim Maß der Anrechnung von Quereinsteigern auf den Personalschlüssel und ihrer Finanzierung muss unbedingt berücksichtigt werden, dass die Quereinsteiger selbst noch Lernende sind. Sie müssen angeleitet und begleitet werden, damit sie nicht verheizt werden, sondern entsprechend ihrer Möglichkeiten sich und ihre Kompetenzen erweitern. Im Grunde sind sie ebenso zu behandeln wie Praktikanten und Auszubildende in der tätigkeitsbegleitenden Ausbildung, in der Teilzeitausbildung oder der praxisintegrierten Ausbildung.

Für die Kita und für den Träger ist die Beschäftigung und Qualifizierung von Quereinsteigern ein wichtiges Instrument der Personalgewinnung und Personalentwicklung. Statt die vermeintlichen Versäumnisse der schulischen Ausbildung zu kritisieren, haben Träger und Praktiker die Zukunft durch die Rekrutierung ihres Nachwuchses selbst in der Hand. Der Ausbildungsort Praxis kann seine Wirkung entfalten, wenn er sich seiner Verantwortung für die Qualifizierung der Fachkräfte stellt: Denn die Entwicklung pädagogischer Handlungskompetenz erfolgt in der Praxis – oder sie erfolgt nicht. ◀

Freundliche Übernahme des Beitrags aus
TPS 6-2023, S. 16-19 (Original-Titel: "Die Zukunft in der Hand")


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