Fachberatung: Aktuelle Situation, Herausforderungen und Perspektiven

Die Fachberatung nimmt potenziell eine zentrale Rolle bei der (systematischen) Qualitätsentwicklung in Kitas ein. Sie bildet dabei eine wichtige Schnittstelle zwischen Kita-Praxis auf der einen und Träger, Politik, Aus- und Weiterbildung sowie Forschung auf der anderen Seite. Im Idealfall begleiten Fachberater*innen Kitas kontinuierlich in ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.  sprozessen und werden nicht nur gerufen, wenn es gerade brennt. Doch das hängt letztlich entscheidend von den Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene sowie der jeweiligen Trägerstrukturen ab.

Grundsätzlich wird Fachberatung in dem von der AG Fachberatung der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der frühen Kindheit (BAGBEK) in einem intensiven Beteiligungsprozess entwickelten »Selbstverständnis von Fachberatung« wie folgt definiert: »Fachberatung ist eine personenbezogene strukturentwickelnde soziale Dienstleistung im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe. Sie ist ein eigenständiges Handlungsfeld im Unterstützungssystem der öffentlich verantworteten Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern. Sie wirkt qualitätsentwickelnd und qualitätssichernd […]«.

Adressat*innen der Fachberatung sind in erster Linie die Leiter*innen oder Leitungsteams und Teams der Kitas, aber auch Eltern, Kita-Träger, Administration sowie Politik. Fachberater*innen sind insbesondere bei Kommunen und freien Kita-Trägern angesiedelt oder auch selbstständig tätig. Für Fachberater*innen gibt es keine grundständige Ausbildung oder ein spezifisches Hochschulstudium und nur vereinzelt werden in einigen Bundesländern Fortbildungen angeboten – so führt das nifbe nach einem Piloten des Niedersächsischen Kultusministeriums gerade im zweiten Durchgang eine 120 Stunden umfassende und stark nachgefragte »On the job«-Qualifizierung für Fachberater*innen durch.
In der Regel haben Fachberater*innen einen (pädagogischen) Hochschulabschluss und der klassische Weg führt über die Kita-Leitung zur Fachberatung. Zunehmend steigen aber Kindheits- oder Sozialpädagog*innen auch direkt in die Fachberatung ein.

Nachdem Fachberater*innen lange Zeit als klassische »Einzelkämpfer*innen« galten, zeigt sich in den letzten Jahren bei Trägern ein deutlicher Trend zur Teambildung sowie auch trägerübergreifend zur Vernetzung auf Landes- und Bundesebene. So wird die Vernetzung auf Landesebene in Niedersachsen durch das nifbe schon seit 2007 systematisch vorangetrieben und der Professionalisierungsprozess der Fachberater*innen kontinuierlich begleitet und unterstützt. Als Interessenvertretung der Fachberater*innen hat sich die AG »Pädagogische Fachberatung in Niedersachsen« konstituiert. Ähnliche Entwicklungen gab es jüngst beispielsweise auch in Berlin oder Rheinland-Pfalz. Auf Bundesebene bietet die AG Fachberatung der BAG-BEK die zentrale Plattform für Vernetzung und die inhaltliche Weiterentwicklung der Profession.

Unübersichtliches und heterogenes Arbeitsfeld

Aktuell stellt sich das Arbeitsfeld Fachberatung und ihre jeweiligen Strukturen in den Bundesländern als äußerst heterogen dar. Die Tätigkeiten von Fachberater*innen sind in einem breiten Spektrum zwischen Personalentwicklung, Fortbildung, Qualitätsmanagement, Verwaltungsaufgaben sowie dem Netzwerken und Kooperieren angesiedelt. Eine zentrale Rolle spielt in der Fachberater*innen-Tätigkeit aber auch das »Arrangieren«. So heißt es im BAG-BEK-Papier zum Selbstverständnis der Fachberatung:

»Daher ist das Arrangieren von sozialpädagogischen und sozialpolitischen Aushandlungsprozessen in der Fachberatung von zentraler Bedeutung. Das Arrangieren umfasst das Planen, Konzeptionieren, Initiieren, Entwickeln von Strukturen, Organisieren, Begleiten und Evaluieren von Prozessen. Fachberater*innen ermöglichen unterschiedliche pädagogische Räume für Netzwerkbildung, Information, Austausch, Diskussion und das Treffen von Entscheidungen. Sie gestalten diese Prozesse pädagogisch didaktisch, verantwortlich und reflexiv«.

Nach einer gerade abgeschlossenen bundesweiten Befragung in Kooperation der BAG-BEK und dem nifbe mit 733 Teilnehmer*innen haben nur knapp zwei Drittel der Fachberater*innen eine aktuelle Arbeitsplatzbeschreibung. Eine fehlende Arbeitsplatzbeschreibung eröffnet einerseits Gestaltungsräume, schafft aber andererseits Unsicherheiten und Unklarheiten in der Rahmung für das fachberaterliche Handeln.

Rund ein Viertel aller Fachberater*innen haben Dienst- und oder Fachaufsicht übertragen bekommen. Die Aufgabenkombination von Beratung und Aufsicht ist fachlich umstritten, da sich ein ergebnisoffener Beratungsprozess und Kontrolle widersprechen.

Von einer großen Spannbreite ist auch der Schlüssel von Fachberater*in zur Anzahl der zu begleitenden Kitas – er reicht von einer bis zu 1.000 (!) Kitas. Laut der aktuellen Fachberater*innen-Befragung von BAG-BEK und nifbe liegt der Schlüssel aber bei gut zwei Dritteln in einem Korridor von einer bis zu 30 Kitas. Zu berücksichtigen sind bei diesen Zahlen aber natürlich noch Faktoren wie Arbeitszeitumfang der Fachberaterin, Größe der Kitas und die Entfernungen zum Sitz der Fachberatung. Christa Preissing empfiehlt in Ihrer Expertise »Fachberatung im System der Kindertagesbetreuung«, dass Fachberater*innen mit einer Vollzeitstelle nicht für mehr als zwanzig Kitas zuständig sein sollten, um diese dann auch kontinuierlich und intensiv begleiten zu können. Die AG Fachberatung der BAG-BEK fordert für »Die bedarfsgerechte personelle Ausstattung mit Fachberatung: für jede Fachberatungsstelle ist eine Mindestausstattung vorzusehen, die unabhängig von den regionalen, kommunalen und trägerspezifischen Gegebenheiten sein soll. Diese umfasst einen Zeitsockel von 5 Stunden pro Vollzeitstelle für die Trägerberatung und Netzwerkpflege. Hinzu kommt ein variabler Teil, welcher sich mit 0,5 Wochenstunden pro pädagogischer Planstelle in den zu beratenden Kitas berechnet «. (AG Fachberatung 2019)

Neben den unterschiedlichen Arbeitsweisen und Mandatsgestaltungen von Fachberatung ist auch ihre mangelnde rechtliche Verankerung und finanzielle Absicherung auf Bundes- und Landesebene ein Hemmschuh für die Professionsentwicklung. Über das SGB VIII gibt es zwar eine Verpflichtung zur Fachberatung für die KindertagespflegeKindertagespflege|||||Kindertagespflege oder Tagespflege umfasst eine zeitweilige Betreuung von Jungen und Mädchen bei Tagesmüttern oder Tagesvätern. Nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz von 2004 ist die Tagespflege neben der Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen eine gleichwertige Form der Kindertagesbetreuung. , aber nicht für die institutionelle Kindertagesbetreuung. Hier heißt es in § 72 nur, dass die öffentliche Jugendhilfe »Fortbildung und Praxisberatung« sicherzustellen habe. Weitestgehend offen bleibt, wie und in welchem Umfang Fachberatung zu geschehen hat und wer es finanzieren soll. Aktuell gibt es zur Fachberatung nur in den Bundesländern Berlin, Hamburg, NRW und Thüringen verbindliche Regelungen (vgl. WiFFWiFF|||||WiFF ist ein Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Robert Bosch Stiftung und des Deutschen Jugendinstituts e.V. Die drei Partner setzen sich dafür ein, im frühpädagogischen Weiterbildungssystem in Deutschland mehr Transparenz herzustellen, die Qualität der Angebote zu sichern und anschlussfähige Bildungswege zu fördern.-Wegweiser Weiterbildung Fachberatung für Kindertageseinrichtungen). Inwiefern die weitere Gestaltung des Gute KiTa-Gesetzes Möglichkeiten zu einer bundesweiten Stärkung der Fachberatung eröffnet, bleibt noch abzuwarten.

Veränderte Arbeitsweisen durch Corona

Durch die Corona-Pandemie hat sich die Arbeitsweise der Fachberatung zum Teil massiv verändert. In dieser Zeit, so eine Fachberaterin auf dem letzten nifbe-Fachtag Fachberatung, war ein »schnelles Reagieren unter Zeitdruck bei viel Ungewissheit« notwendig. Nach einem »learning by doing« scheint der Einsatz digitaler Medien zur Informationsvermittlung, Weiterbildung und Beratung heute auch weitestgehend selbstverständlich und etabliert zu sein.

Während vor der Pandemie nur gut 2% der Fachberater*innen digitale Videokonferenzen zur Begleitung, Beratung und Weiterbildung ihrer Kitas nutzten, waren es laut BAK-BEK-nifbe-Befragung währenddessen gut 60%. Für viele Bereiche und gerade in großen Flächenlandkreisen hat sich die digitale Kommunikation als sehr erleichternd und ressourcenschonend erwiesen. Verschiedenen Erfahrungsberichten von niedersächsischen Fachberater*innen zufolge sind nach anfänglicher Skepsis und auch Selbstüberwindung auf Seiten der pädagogischen Fachkräfte die digitalen Angebote sehr gut angenommen worden und es konnten durch sie auch mehr und andere Personen erreicht werden – limitierender Faktor ist hier allerdings nach vor eine häufig noch mangelnde digitale Ausstattung in den Kitas und gerade auch auf dem Land instabile Internetverbindungen.

In einer Studie von Alsago & Meier (2021) beschreiben Fachberater*innen einen Prozess, wie er sich auch in anderen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit beobachten lässt: Die digitalen Transformationsprozesse werden nicht fachlich reflexiv aus dem Professionswissen heraus initiiert und begleitet, sondern als Sublimierung eines Mangels eingesetzt. Sie werden in professionelles Handeln integriert, obwohl die Überprüfung der Beibehaltung fachlicher Standards wie z.B. sozialpädagogischer Beratungsparadigmen nicht wirklich durchgeführt wurde. (vgl. Alsago & Meyer 2021). In diesem Sinne äußern Fachberater*innen auch übereinstimmend, dass die digitale Beratung bei Themen wie »Konfliktmanagement« oder »Personalführung« an Grenzen stoße – also immer dann, wenn Gefühle der Adressat*innen eine größere Bedeutung innerhalb des Beratungsprozesses bekommen.

Deutlich wurde in den Erfahrungsberichten, dass mit der digitalen Beratung und Weiterbildung eine andere Methodik und Didaktik der Angebote notwendig ist – die Einheiten müssten kürzer, die Pausen länger sein. Als sehr produktiv habe sich im Sinne eines »Flipped classroom« erwiesen z.B. erst ein Handout, einen Fachtext oder eine Präsentation zu verschicken und dann gemeinsam online darüber zu diskutieren.

Fazit

In einer Zukunft nach der Pandemie werden die Fachberater*innen jeweils gut fachlich begründet abwägen müssen, welche Kontakte und Angebote besser digital und welche besser in Präsenz stattfinden sollten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass fachliche Qualität und nicht die knappen Ressourcen für diese Entscheidungen handlungsleitend sein müssen. Grundsätzlich scheint sich die digitale Kommunikation, Beratung und Fortbildung spätestens mit der Pandemie in der Fachberatungs-Praxis etabliert zu haben.


Literatur

Alsago, E. & Meyer, N. (2021). Die Corona-Pandemie als Katalysator der Digitalisierung Sozialer Arbeit. Soziale Sicherheit. Zeitschrift für Arbeit und Soziales (7), S. 267–270

AG Fachberatung der BAG-BEK (2019): Positionspapier der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit e.V.: https://www.bag-bek.de/fileadmin/user_upload/20210715_Selbstverstaendnis_Fachberatung_BAG-BEK.pdf

WiFF-Wegweiser Weiterbildung Fachberatung für Kindertageseinrichtungen. Online unter https://www.weiterbildungsinitiative.de/publikationen/detail/grundlagen-fuer-die-kompetenzorientierte-weiterbildung


Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung aus
KiTa Aktuell ND, 4-2022, S. 18-19




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