Misch dich nicht ein!

Elternvertretung für KiTas

Elternvertretung ist ganz schön kompliziert – denn Eltern sind sich selten einig und niemals neutral. Dennoch liegt ein Schatz in der Zusammenarbeit mit ihnen. Diese gelingt, wenn wir offen miteinander reden, einander vertrauen und verstehen: Eltern mischen sich nicht ein – sie gestalten mit.

Wer will sich für die Elternvertretung aufstellen lassen?“ Diese Frage gehört nicht zu den Lieblingsfragen von Eltern und Fachkräften in der Kita. Bei Elternversammlungen sind alle froh, wenn am Ende jeder berücksichtigt werden konnte oder auch die Posten besetzt sind. Es geht schöner. In der Zusammenarbeit mit Eltern gehört neben der Erziehungspartnerschaft der Auftrag, Eltern strukturell zu beteiligen, ihr Votum zu hören und dieses in wesentlichen Fragen zu berücksichtigen. Die Wahl von Elternvertretungen und die gemeinsame Arbeit in Beiratsstrukturen sind verpflichtend und müssen deshalb in der Praxis auch mit Leben gefüllt werden.

Gewählte Elternvertretende übernehmen die Interessenvertretung der gesamten Elternschaft in Bezug auf Entscheidungen, die die Kita organisatorisch und inhaltlich treffen. Die Interessen der Kita und die der Eltern sind jedoch nicht automatisch deckungsgleich: bedarfsgerechte Öffnungszeiten, Schließzeiten im Jahr, Kosten für die Betreuung, Verpflegung und konzeptionelle Ausrichtung sind Themen, bei denen Interessenkonflikte im Raum stehen. Es geht in den Vertretergremien also vor allem darum, der Kita ein Korrektiv zu geben und den Belangen der Eltern einen festen Platz einzuräumen, der nicht vom guten Willen der Kita abhängt, sondern gesetzlich gesichert ist.

Die Einrichtung selbst ist aufgefordert, diese Vertretung zu unterstützen: mit Kontakten und Kontaktdaten, Informationen zum Alltag der Kita und der Unterstützung der Kommunikation mit allen Eltern.
Am Ende soll es um gute und konsensfähige Lösungen gehen, die von allen getragen und gestützt werden. Es ist eine große Herausforderung, diese geforderte strukturelle Beteiligung so zu gestalten, dass sie als nützlich, machbar und konstruktiv erlebt wird. Dabei geht es nicht allein um das Erfüllen der gesetzlichen Vorgaben, sondern vor allem um eine kreative, lösungsorientierte und passgenaue Form der Beteiligung, die die gesetzlichen Anforderungen erfüllt und darin den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Beteiligten Rechnung trägt.

Was macht Elternvertretungen so kompliziert? Vier Grundannahmen beschreiben die Komplexität des Vorhabens Elternvertretung:

1. Eltern sind nicht neutral
Egal, wie reflektiert Eltern sein mögen: An erster Stelle steht immer das eigene Kind. Kita-Themen gewinnen dann deutlich an Relevanz, wenn sie das eigene Kind betreffen oder vielleicht betreffen könnten; im Zweifel hat das eigene Interesse immer Vorrang vor Kita-Interessen oder anderen Eltern. Eltern sind also im besten Sinne immer befangen.

2 Eltern sind sich nicht einig
Die Lebenswelten von Eltern unterscheiden sich fundamental. Familienwerte, Erziehungsstile, Lebensorganisation und Erwartungen an die Kita bestimmen das Interesse an Themen, das Bedürfnis sich einzumischen, die Erwartung an sich, die Kita und andere, und die faktischen Möglichkeiten, sich zu beteiligen. Eltern werden sich selten über eine gewählte Vertretung zu zentralen Entscheidungen einheitlich positionieren. Sowohl in der Vertretung als auch mit den Eltern, die vertreten werden, müssen Verhandlungsschleifen gezogen werden. Schon die Art und Weise, wie Elternvertretende sich organisieren, ist nicht selbstverständlich: WhatsApp-Gruppe oder nicht, Vormittags- oder Nachmittagstreffen, Partizipation und Kleidung im Winter – viele Themen müssen mit allen diskutiert und in Absprachen gepackt werden.

3. Eltern sind gewählt, aber nicht zwangsläufig legitimiert
Elternvertretende werden in der Regel deswegen gewählt, weil sie bereit sind, sich wählen zu lassen, und weniger, weil sie am besten dafür geeignet sind, die Interessen aller Eltern wiederzugeben. Dies wiederum bedeutet, dass die Gewählten nicht automatisch und zu jedem Thema für die Gruppe sprechen dürfen und von allen legitimiert sind. Je nach Relevanz des Themas werden Elternvertretende von anderen überstimmt oder übergangen. Meistens gibt es nach dem Elternabend während des Kita-Jahres keine Treffen der Gesamtelternschaft, in denen diese Legitimation neu geschaffen werden könnte. Die gewählten Elternvertretenden sind also Interessenvertreter ohne strukturierten Bezug zu denen, deren Interessen sie vertreten, und haben zusätzlich meistens wenig Systeme, um Informationen aus den Gremien zurück an die ganze Elternschaft zu geben.

4. Eltern sind keine Profis
Eltern erleben den Alltag ihrer Kinder nur rudimentär und aus bestimmten Perspektiven. Sie haben im Normalfall keinen Blick hinter die Kulissen der Kita: Inhalte von Dienstbesprechungen, den Alltag der Leitung und Planungsaufgaben kennen Eltern nicht. In der eigenen Interessenvertretung sind Eltern deswegen nicht immer verständnisvoll und reflektiert. Es geht um Lösungen und Positionen, die vielleicht nicht in die Kita passen oder dort geleistet werden können, und um Forderungen und Beschwerden, die nicht erfüllbar sind. Eltern müssen in Interessenvertretungen nicht immer konstruktiv sein. Auch was die Sitzungsgepflogenheiten angeht, sind Eltern nicht zwangsläufig im sind Eltern nicht zwangsläufig im pädagogischen Sinne geübt. Protokolle, Tagesordnungen, Orte, Zeiten und Methoden sind häufig ungewohnt oder mit anderen Erwartungen verknüpft: Eltern, die in einem großen Konzern arbeiten, haben andere Sitzungserfahrungen als Eltern, die im Einzelhandel arbeiten. Manche Eltern hatten unter Umständen noch gar keine Berührungspunkte mit Gremien.

An diesen Rahmenbedingungen kann die Kita nichts verändern. Im Aufbau der Interessenvertretungen geht es darum, den Eltern eine realistische Einladung zur Einmischung in Kita-Belange auszusprechen und den Zugang dazu zu ermöglichen. Es darf daher nicht kompliziert sein, sich zu beteiligen.

Wie kann es gelingen, die Interessenvertretung der Eltern als Bereicherung zu empfinden und als Schatz zu nutzen?

Sichtbar werden: die Relevanz der Begegnung

Es gibt wenige Gelegenheiten, bei denen sich Eltern in der Kita kennenlernen, sich austauschen und sich einigen können. Um strukturelle Beteiligungsprozesse möglich zu machen, müssen Eltern sich aber einschätzen können, Verschiedenheiten wahrnehmen und Kontakte knüpfen. Die Kita ist die Plattform, um Eltern in Kontakt zu bringen, was wiederum die Grundlage dafür ist, dass Elternvertretungen tatsächlich Eltern vertreten. Konstruktive Elternvertretungen entstehen nicht allein an Elternversammlungen!

An Elternabenden sitzen Eltern statt im Kreis an Tischinseln, die den Austausch ermöglichen. Statt Fragen gleich in der großen Runde zu stellen, besprechen Eltern in Murmelrunden die Sternstunden und Herausforderungen im Kita-Alltag, bevor die Leitung und das Team antworten.

In der Bring- und Abholsituation stellt die Gruppenleiterin Eltern einander vor: „Das ist Frau Müller. Ihr Sohn Aaron ist genauso alt wie Ihre Maren und sie spielen oft zusammen.“ Im Eingangsbereich
gibt es eine Elternecke mit Kaffee und Zeitung. Neue Eltern bekommen Kontakt zu den Elternvertretenden und werden vorgestellt.

Es fängt klein an: Beteiligung im Alltag

Eltern nehmen sehr genau wahr, wo und wie ihre Meinung wichtig ist und wie sie einbezogen werden. Sie registrieren, ob es sich lohnt, die eigenen Interessen zu vertreten und wie viel Widerstand zu erwarten ist.
Ob Einmischung erwünscht ist, wird schnell deutlich. Interessenvertretung kann nur dann gelingen, wenn in der Einrichtung die Erfahrung gemacht werden kann, dass die Stimmen wirklich gehört werden und in Entscheidungen sichtbar sind.

In der Praxis geht es um Einbeziehung der Elternpositionen im Alltag: Im Beschwerdemanagement legt die Leitung in regelmäßigen Abständen alle eingegangenen Beschwerden offen und beschreibt gefundene Lösungen. Zu bestimmten Themen finden außerdem recht schnell Ad-hoc-Arbeitsgruppen statt: Was soll gebastelt werden im Weihnachtscafé? Wie war das letzte Sommerfest, was kann man besser machen? Am Brett hängt eine Liste, auf die Eltern Punkte schreiben können, die sie dem Team in die nächste Dienstbesprechung mitgeben möchten. Und Eltern übernehmen Verantwortung für bestimmte Themen und Projekte und organisieren zum Beispiel manchmal eine Elternvorlesestunde.
Je niedrigschwelliger die Beteiligungsmöglichkeiten sind und je mehr sie genutzt werden, desto leichter wird es, auch in schwierigen Themenfeldern gemeinsame Lösungen zu finden. Ein besonderer Fokus liegt bei den Eltern, die aufgrund der Sprache, des kulturellen Hintergrunds oder der besonderen Lebenssituationen ohnehin wenig teilhaben (können) und wenig Erfahrung damit haben, eigene Interessen zu vertreten. Die Kita ist Lern- und Entwicklungsort nicht nur für Kinder, sondern auch für Eltern.

Struktur gibt Halt

In Gremien ist die Kita Strukturgeberin. Sie hat den Überblick über Themen und Zeitphasen, über anstehende Entscheidungen und kritische Tendenzen. In welchem Rahmen Elternvertretende sich einbringen sollen und können, ist diesen nicht immer klar. Was bedeutet es, gewählt zu sein? Was wird erwartet? Wie viel Zeit, Redegewandtheit und Wissen braucht man dazu? Kann das jeder? Was ist der Unterschied zwischen Elternvertretung und Beirat? Die Kita setzt den Rahmen für die Interessenvertretung und muss diesen für alle erklären und absichern. Dieser Rahmen muss für Eltern machbar und zugänglich sein – und auch flexibel bleiben.

Den Rahmen für die Elternbeteiligung transparent machen, kann in der Praxis so gelingen: Neue Eltern in der Vertretung bekommen eine Einführung und Einarbeitung durch die Leiterin und die erfahrenen Elternvertreter. Es gibt ein kleines Leitbild für die Sitzungen, in denen Ziel, Rolle, Aufgaben und Kommunikationswege beschrieben sind: So wollen wir zusammenarbeiten. Solche Leitsätze können zum Beispiel sein: An den wesentlichen Fragen müssen diejenigen beteiligt sein, die davon betroffen sind. Dies sind nicht unbedingt nur die gewählten Elternvertretenden. Oder: Fragen, die einzelne Kinder betreffen, gehören nur dann in die Gremien, wenn sie auch für alle relevant sind.

Wertschätzung als Motor

Beteiligung und Einmischung sind nicht selbstverständlich, sondern immer freiwillig. Es gibt gute Gründe, sich wählen zu lassen oder sich herauszuhalten. Es gibt das Recht, aufzuhören, neu zu beginnen, bestimmte Dinge nicht zu tun und sich nicht zu beteiligen. Am Anfang jeder strukturellen Beteiligung und Interessenvertretung stehen die unbedingte Wertschätzung der Eltern und die Betonung der Freiwilligkeit. Elternvertreterin oder Elternvertreter ist man nicht lebenslänglich, und nicht jedes Thema ist spannend – es gibt keinen Anspruch der Kita auf engagierte Eltern. Es gibt kein Rezeptkonzept, wie Elternvertretungen und Beiräte konstruktiv und lösungsorientiert arbeiten. Was in der einen Kita und mit diesen Eltern funktioniert oder möglich gemacht werden kann, kann in einer anderen völlig scheitern; was Eltern und Kinder in der einen Einrichtung motiviert, kann in der anderen ins Gegenteil umschlagen. Es ist ein Abenteuer, sich mit Eltern auf den Weg zu machen, eine vertrauensvolle Gesprächsstruktur herzustellen und verschiedene Interessen partnerschaftlich, kreativ und flexibel in Strukturen zu übersetzen.

Am Ende geht es wie fast immer um eine Haltung: Elternvertretungen sind dann gewinnbringend, wenn sie in eine Kultur der Beteiligung und Vertrauen eingebettet sind. Eltern sind Teil des Kita-Geschehens und haben berechtigte Interessen. Sie „mischen“ sich nicht ein, sie gestalten mit. Ihre Ideen und Vorschläge sind Impulse und keine Angriffe. Sie haben den Blick auf ihre Kinder und wollen, dass Kita gelingt. Sie vertrauen auf die Einrichtung und die Einrichtung kann wiederum ihnen vertrauen.

Zu guter Letzt ein kleiner Denkanstoß für Sie: Wenn Kinderkonferenzen und Elternvertretungen die Kita gestalten würden – was würde sich dadurch verändern?

Übernahme mit freundlicher Genehmigung aus
TPS 6-2020, S. 28-31


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