werkstatt 175(Lern-) Werkstätten bieten Kindern die Möglichkeit, eigenaktiv und bedeutungsoffen mit vielfältigen Materialien zu experimentieren, Selbstwirksamkeit zu verspüren und dabei wichtige Erfahrungen z.B. ästhetischer, naturwissenschaftlicher oder architektonischer Art zu machen. Entsprechend stehen (Lern-) Werkstätten in KiTas und Grundschulen zur Zeit auch hoch im Kurs. Aber wie müssen Werkstatträume aussehen, welcher Möbel und Materialien, welcher Ordnung und Begleitung braucht es, um Kinder entsprechend ihres Entwicklungsstandes zu fördern? Antworten darauf geben die „Werkstatt(t)räume für Kitas", eine Sammlung von 11 Fotobüchern und einer theoretischen Einführung in Deutsch, Englisch und Spanisch von Marion Tielemann.


Marion Tielemann ist seit frühester Kindheit von Werkstätten und ihren Möglichkeiten fasziniert und unterstreicht gleich zu Beginn: „Kinder brauchen mehr denn je diese Räume, in denen sie ausprobieren, experimentieren, forschen und zusammen mit anderen Kindern immer wieder neue Dinge erfinden können. Räume, in denen Pädagogen verlässliche Bezugspersonen sind, die ihnen weiterhelfen, wenn sie wollen – und nicht umgekehrt."

 

Das aktive und selbsttätige Kind im Mittelpunkt


Nachdem die Lernwerkstatt-Idee in den 80er Jahren von der Hochschule Berlin ihren Ausgang nahm, gründete die ausgebildete Erzieherin, heutige Fachberaterin und Bildungsrefentin zehn Jahre später selber eine Modell-KiTa mit Lernwerkstatt. In Bezug auf reformpädagogische Ansätze von John Dewey, Célestine Freinet, Maria Montessori oder Ellen Key stellte sie dabei das aktive und selbsttätige Kind in den Mittelpunkt, das entscheidend durch die eigenen Erfahrungen lernt. Seit dieser Zeit beschäftigt sich Marion Tielemann intensiv mit der Arbeit in Werkstätten und hat auf zahlreichen Reisen viele gute Beispiele dafür gesammelt und dokumentiert. „Besondere Räume", so die Autorin, „sind für Werkstätten nicht notwendig", da der Begriff der Werkstatt sich hauptsächlich auf die Raumgestaltung und das vorhandene Material beziehe. Um einen Werkstattraum zum „Dritten Erzieher" werden zu lassen, sei aber die Klärung z.B. folgender Fragen wesentlich:

  • Wie entwickeln wir ein Ordnungssystem, das für die Kinder leicht verständlich ist?
  • Wie schaffen wir eine geordnete, entspannte und freie Atmosphäre, damit die Kinder sich entfalten können?
  • Sind die Materialien so ausgewählt und gestaltet, dass jedes Kind sein individuelles Erfolgserlebnis haben kann?
  • Wie viele Kinder sollten gleichzeitig in einem Werkstattraum zur selben Zeit verschiedene Dinge tun können?

In ihrer Einführung gibt Marion Tielemann grundsätzliche Tipps für die Größe von Werkstatträumen sowie für die Beschaffung, Auswahl und Anordnung der Möbel und Arbeitsmittel für verschiedene Themenbereiche. Sie unterstreicht dabei: „Werkstätten sind nie starr, sondern auf Veränderbarkeit ausgerichtet."

 

Haltung der pädagogischen Fachkraft entscheidend


Neben der Gestaltung des Raumes weist Marion Tielemann der Haltung der pädagogischen Fachkraft eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Werkstattidee zu: „Die Pädagogin ist die Gastgeberin der Werkstatt. Sie ist verantwortlich für eine gute vorbereitete Umgebung und für eine entspannte Atmosphäre, in der jedes Kind sich angenommen und wertgeschätzt fühlen kann. Es ist ihre Aufgabe, die momentane Situation eines Kindes wahrzunehmen und darauf zu reagieren und nicht zu agieren. Sie begleitet die Kinder in ihrer selbst gewählten Aktivität und lässt sie grundsätzlich nicht allein in ihrer Entwicklung. Sie ist ihre verlässliche Vertrauensperson und ihre Interaktions- und Dialogpartnerin."


werkstatt3 250Nach der kompakten grundlegenden Einführung in die Werkstattarbeit lässt Marion Tielemann insbesondere die Bilder sprechen und gibt eine Fülle höchst sinnlicher Anregungen und Inspirationen für die Gestaltung von Werkstatträumen. Die elf verschiedenen und mit einem Klett-Umschlag zusammen gehaltenen Hefte sind dabei einerseits auf Themen wie Bau- und Rollenwerkstatt, Atelier oder Naturspielräume und andererseits auf die Altersstufen von Zwei- bis Dreijährigen bzw. Vier- bis Fünfjährigen ausgerichtet.


Die „Werkstatt(t)räume" von Marion Tielemann machen Pädagogischen Fachkräften Mut und Lust, sich auf den Weg zur Einrichtung von Werkstatträumen zu machen oder auch vorhandene Konzeptionen zu überdenken und weiter zu entwickeln. Sie sind eine Fundgrube zum Schmökern, Blättern und Genießen und stellen einmal mehr unter Beweis, dass ein Bild mehr als tausend Worte sagen kann.

 

  • Marion Tielemann: Werkstatt(t)räume. 12 Projektbücher zur Werkstattarbeit. verlag das netz, 39,90 Euro

 

Karsten Herrmann