
Das Autorenduo spricht nicht nur von Systemischem Arbeiten, sondern lässt wie einen roten Faden das systemische Denken, Fühlen und Handeln in respektvoller Weise zwischen den Zeilen, Graphiken, Fotos, Tabellen und Piktogrammen durchdringen.
Der über ein Drittel des Buches ausmachende Theorieteil wirkt gar nicht so viel ausmachend. Hierfür spielt eine große Rolle, dass Gabi Wiegel und Rainer Orban immer wieder bezug nehmen auf Beispiele aus der Praxis, in "Fernglasrubriken" zu Beginn jedes neuen Abschnittes darauf vorbereiten, was im nächsten Teil an die Leserschaft gebracht werden soll, und äußerst reflektierend schreiben; so dass man selbst einen permanenten Abgleich mit seinen bisherigen Erfahrungen vollzieht und erzielt.
Zitate und Bezugnahmen aus dem mit über 100 Titeln reichhaltigen, diverse Strömungen berücksichtigendem Literaturverzeichnis helfen dabei, sich die Buchinhalte besser einzuprägen. Das abwechslungsreiche Layout und Übungspassagen lockern die Ausführungen des Autorenpaars angemessen auf.
Kindergarten ist kein losgelöster Raum!
Im Anbetracht einer immer stärkeren Gewichtung der Bildung auf der Kindergartenwaagschale ist die Einbeziehung sozial-, familien- und bildungspolitischer Aspekte unerlässlich. Hier machen Wiegel und Orban sehr anschaulich, dass ein Kindergarten kein losgelöster Raum ist. Hierbei regen sie zudem zu politischer Meinungsbildung ein. Es sei jedoch der Leserschaft überlassen, ob die meines Erachtens zu einseitige Wirtschaftsfixierung im Abschnitt Kundenorientierung wirklich förderlich ist. Wenn der Industrie- und Handelskammertag die Samstags- und Ferienöffnung der Kindergärten fordert, dann muss auf der anderen Seite gefragt werden, wie sich dies auf die Kinder und Familien auswirkt. Permanent sich verändernde Gruppenzusammensetzungen und Erzieher/-innenwechsel lassen Zweifel aufkommen, ob hier die Erkenntnisse aus Gruppenprozessen und Bindungstheorie wirklich umgesetzt werden können.
Im Weiteren zeigt das in Psychologie, Familientherapie, Kindergartenpädagogik, Mediation, kreative Kindertherapie und Supervision ausgebildete Autorenpaar einen sehr differenzierten Blick auf das System Kindergarten. Ob Fortbildung, Beschwerdemanagement, Burnout-Prophylaxe, Elterngespräche, Raumgestaltung, Elternrat, externe Kooperationspartner/-innen: Orban und Wiegel nehmen hier mit Weit- und Scharfblick enorm viele Bereiche unter die Lupe, fokussieren einzelne Bereiche und laden so alle systemisch arbeitenden Menschen in Kindergärten gewinnend ein, sich des reichhaltigen Obstsalates zu bedienen. Im Anhang gibt es viele zusätzliche Probierhappen in Form einer gut erklärten Aufführung von "Methoden kollegialer Beratung" und in Form von Leitfäden für Erst-, Kritik- und sonstige Gespräche.
Dieses Buch verdient viele Erzieher/-innen, die es als Standardlektüre lesen und umsetzen!
Detlef Rüsch, Freising
(Erstveröffentlichung in "Sozialmagazin" 1/2010)
- Rainer Orban, Gabi Wiegel: Ein Pfirsich ist ein Apfel mit Teppich drauf. Systemisch arbeiten im Kindergarten. Carl Auer Verlag, Heidelberg 2009,164 S., 19,95 €