DJI-Jahrestagung mit Standortbestimmung
Die veränderte Kindheit und die Perspektiven für die Entwicklung der Kindertagesbetreuung standen im Fokus der hochkarätig besetzten Jahrestagung des Deutschen Jugendinstituts. Spannende Schlaglichter wurden hier untere anderem auf die KiTa als eigener Bildungsort, die Qualitätsfrage und die Chancengerechtigkeit gerade auch im Hinblick auf Kinder aus sozial prekären Lagen oder mit Migrationshintergrund geworfen.
"Neue Konturierung der frühen Kindheit"
Die „neue Konturierung der frühen Kindheit“ fasste Rauschenbach unter folgenden Stichworten zusammen:
- Institutionalisierung der frühen Kindheit
- Pädagogisierung der frühen Kindheit
- Neue Balance zwischen KiTa und Familie
- KiTa als neuer Bildungsort

Prof. Dr. Peter Cloos von der Stiftungsuniversität Hildesheim verdeutlichte im Anschluss noch einmal das Spannungsfeld, in der sich der Bildungsort KiTa befindet. Die KiTa sei „ein multifunktionales System“, das gleichzeitig von Arbeits-, Sozial- und Bildungspolitik bestimmt sei. Statt zu deklamieren und normativnormativ|||||Normativ bedeutet normgebend, somit wird etwas vorgeschrieben, dass Normen, Regeln oder ein „Sollen“ beinhaltet.e Vorgaben zu machen, müssten zunächst einmal die tatsächlichen Prozesse der Pädagogisierung im hochgradig komplexen Alltag der KiTa beobachtet und analysiert werden.
Kritische Betrachung des "Hoffnungsträgers Qualität"

Im Anschluss warf Prof. Dr. Bernhard Kalicki vom DJI noch einen Blick auf die Qualität aus Elternsicht. Die empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden. erhobenen elterlichen Erwartungen an Frühkindliche Bildung ergaben dabei folgende, durchaus überraschende Rangfolge:
- Entwicklung von Soziale Kompetenz
- Entwicklung von Selbständigkeit und Alltagskompetenzen
- Kulturell-musische Bildung
- Schulvorbereitung
Kalicki verdeutlichte anhand dieser Ergebnisse, dass Qualität auch durch unterschiedliche Zielvorstellungen von Eltern, Trägern, Politik oder Wissenschaft geprägt sei und man eher von „Qualitäten“ sprechen müsse. Noch kaum berücksichtigt seien dabei die Zielvorstellungen der Hauptakteure, nämlich der Kinder. Hier sei gerade bei den Kleinsten die Entwicklung neuer Methoden notwendig – wie z.B. die Messung des Stresshormons Cortisol im Speichel von Kleinkindern in Krippensituationen.
Frühkindliche Bildung mit hoher Rendite

- Wirtschaftliche Stabilität / Soziale Teilhabe der Familie
- Vereinbarkeit von Familie und Beruf
- Förderung und Wohlergehen von Kindern
Zum letzten Ziel konnten sie anhand von Untersuchungen zur KiTa-Nutzung, dem entsprechenden Bildungs-Outcome und anhand von weiteren „Wohlergehensfaktoren“ konstatieren: „Der KiTa-Besuch hat positive Effekte auf das adaptive Verhalten und die sozio-emotionale Stabilität und dies insbesondere für Kinder mit Migrationshintergrund und aus Haushalten mit niedrigem Einkommens.“ Grundsätzlich bescheinigte sie der Frühkindlichen Bildung eine hohe Rendite und forderte die Politik entsprechend auf langfristig zu denken und den quantitativen und qualitativen KiTa-Ausbau nachhaltig zu verankern.
Herausforderung: Chancengerechtigkeit für alle!
Trotz einer Verdreifachung der Betreuungsquote im Westen seit 2006 musste Dr. Christian Alt vom DJI allerdings feststellen, dass gerade Kinder aus der sogenannten „Unterschicht“ nach wie vor noch später in die Krippe kommen als solche aus der Mittel- und Oberschicht. Hier gebe es unter anderem einen Zusammenhang mit der niedrigeren Erwerbsquote von Unterschichts-Müttern, aber auch unterschiedlicher Durchsetzungsfähigkeit bei der Suche nach Krippenplätzen.

Prof. em. Dr Hans Bertram von der Humboldt-Universität wies darauf hin, dass „Eltern die ausschlaggebenden und primären Bindungspersonen sind und bleiben“. Die KiTa eröffne ein neues Feld der Möglichkeiten und nun komme es auf ein enges Zusammenspiel und eine Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Institutionen an.
Eine zentrale Frage der von Jeanette Otto (DIE ZEIT) moderierten Podiumsdiskussion war die nach der Chancengerechtigkeit und der Möglichkeit, alle Kinder mitzunehmen und zu integrieren. Prof. Dr. Stefan Sell von der Hochschule Koblenz forderte dabei „ein Vielfaches an Ressourcen für KiTas in sozialen Brennpunkten.“ Notwendig seien auch spezifische Strategien, um Eltern und Kinder aus Haushalten mit Migrationshintergrund oder geringem Einkommen zu erreichen und einzubinden. Gerade auch in Anbetracht der in den KiTas erwarteten Kinder mit Fluchterfahrungen machte sich Podium für Familienzentren als „integrales Angebot“ stark.
Text: Karsten Herrmann
Fotos: DJI / David Ausserhofer
Fotos: DJI / David Ausserhofer