Bertelsmann-Ländermonitor präsentiert neue Zahlen


Drei Kinder oder sechs? Das Betreuungsverhältnis in einer Kita sagt viel über deren pädagogische Qualität – und über die Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen und Erzieher. Diese sind vielfach belastet durch ungünstige Personalschlüssel, befristete Arbeitsverträge und besonderen Zeitdruck für Teilzeitkräfte.


Jahrelang stand in Deutschlands Kindertageseinrichtungen der quantitative Ausbau der Betreuungsplätze im Vordergrund, jetzt wird auch stärker in Qualität investiert. Dem aktuellen "Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme" zufolge haben sich innerhalb der vergangenen zwei Jahre die Betreuungsverhältnisse in fast jedem Bundesland verbessert. Derzeit kommen auf eine vollzeitbeschäftigte Kita-Fachkraft durchschnittlich 4,4 ganztags betreute Krippenkinder oder 9,5 Kindergartenkinder. Zwei Jahre zuvor war eine Erzieherin durchschnittlich noch für 4,8 Krippen- oder 9,8 Kindergartenkinder zuständig.

 

"Die Personalschlüssel sind längst noch nicht überall kindgerecht und pädagogisch sinnvoll, aber der Trend ist positiv" konstatierte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.


Während der Anspruch auf einen Kita-Platz per Bundesgesetz geregelt ist, sind die konkreten Rahmenbedingungen Ländersache. Das führt zu erheblichen Unterschieden in der Betreuungsqualität. Die bundesweit besten Personalschlüssel haben inzwischen die Kitas in Baden-Württemberg. 3,1 Krippenkinder und 7,7 Kindergartenkinder kommen hier auf eine Erzieherin. 2012 betrugen die Personalschlüssel noch 1 zu 3,5 und 1 zu 8,6.


Baden-Württemberg hat damit fast die Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung für ein kind-gerechtes Betreuungsverhältnis erreicht. Demzufolge sollte eine Erzieherin für höchstens drei unter Dreijährige oder 7,5 Kinder ab drei Jahren zuständig sein.


In Qualität investiert haben auch Hamburg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, deren Personalschlüssel erkennbar günstiger ausfallen als zwei Jahre zuvor. Während Rheinland-Pfalz damit im Mittelfeld der westlichen Bundesländer bleibt, ist Hamburg bei den U3-Kindern (1 zu 5,1) nach wie vor Schlusslicht im Westen. Auch in Sachsen-Anhalt (1 zu 6,4) steht die Aufholjagd noch am Anfang. Ungünstiger ist das Betreuungsverhältnis nur in Sachsen (1 zu 6,5).

 

Ländervergleich 2014

Personalschlüssel in Niedersachsens Kitas 2014 nur leicht verbessert

In Niedersachsen kommen auf eine vollzeitbeschäftigte Kita-Fachkraft durchschnittlich 4,1 ganztags betreute Krippen- oder 8,6 Kindergartenkinder.  Demnach bleibt der Personalschlüssel für die Betreuung der unter Dreijährigen einer der ungünstigsten in Westdeutschland. Weniger kindgerecht als in Niedersachsens Krippengruppen ist das Betreuungsverhältnis nur in Hamburg (1 zu 5,1). Den Kindergartenkindern ab drei Jahren bietet Niedersachsen hingegen das bundesweit drittgünstigste Betreuungsverhältnis.


Zwei Jahre zuvor war eine Erzieherin in Niedersachsen durchschnittlich für 4,2 Krippen- oder 8,8 Kindergartenkinder zuständig. Andere Bundesländer wie etwa Baden-Württemberg, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt haben ihre Personalschlüssel für beide Altersgruppen im selben Zeitraum deutlicher verbessert. Während die niedersächsischen Kindergartengruppen nach wie vor bessere Betreuungsverhältnisse vorweisen können als der westdeutsche Durchschnitt (1 zu 8,9), geraten die Krippengruppen in Niedersachsen stärker ins Hintertreffen. Der durchschnittliche Personalschlüssel für unter Dreijährige liegt in West-deutschland mittlerweile bei 1 zu 3,6.


Niedersachsen hat sich dementsprechend nur geringfügig den Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung für eine kindgerechte Betreuung angenähert. Denen zufolge sollte bei den un-ter Dreijährigen eine Erzieherin für höchstens drei Kinder verantwortlich sein. Für die Alters-gruppe ab drei Jahren sollte der Personalschlüssel nicht schlechter als 1 zu 7,5 sein. Das tatsächliche Betreuungsverhältnis im Kita-Alltag fällt ohnehin ungünstiger aus als der Perso-nalschlüssel, weil Erzieher und Erzieherinnen mindestens ein Viertel ihrer Zeit für Team- und Elterngespräche, Dokumentation und Fortbildung aufwenden.


In Niedersachsen werden deshalb im Kita-Alltag mindestens 5,4 unter Dreijährige von einer Fachkraft betreut (bei einem Personalschlüssel von 1 zu 4,1) und mindestens 11,5 Kinder ab drei Jahren (bei einem Personalschlüssel von 1 zu 8,6). Derart ungünstige Betreuungsverhältnisse wirken sich nicht nur für die Kinder negativ aus, sondern erhöhen auch die Belas-tung der Kita-Fachkräfte. Das haben kürzlich Wissenschaftlerinnen der Alice Salomon Hoch-schule Berlin nachgewiesen. Folge sind hohe gesundheitliche Risiken für diese Berufs-gruppe. Die Bertelsmann Stiftung hat deshalb in ihrem diesjährigen „Ländermonitor Früh-kindliche Bildungssysteme" die strukturellen Arbeitsbedingungen analysiert.

 

In Niedersachsen sind Verbesserungen ab 2015 angebahnt


Erika Huxhold, Staatssekretärin im Niedersächsischen Kultusministerium, sieht durch die Studie der Bertelsmann Stiftung bestätigt, dass es bei der frühkindlichen Bildung der unter Dreijährigen klaren Handlungsbedarf gab. Die Landesregierung habe entsprechend der Koalitionsvereinbarung mit der Einführung einer dritten Kraft in Krippen gehandelt und stelle rund 240 Millionen Euro bis 2018 für mehr Personal bereit. Diese Entwicklung sei im Ländermonitor noch nicht berücksichtigt, da sich die Untersuchung auf den Stichtag 1.3.2014 bezieht.


Demzufolge finanziert das Land seit Anfang 2015 aufsteigend die Kosten für eine weitere Fachkraft in Krippengruppen und unterstützt so die kommunalen und freien Träger. Damit werden sich der Personalschlüssel und die Betreuungssituation in den niedersächsischen Krippen weiter deutlich verbessern. „Gerade die Kleinsten brauchen viel Zuwendung, darum investieren wir nicht nur in den Ausbau der Krippenplätze, sondern auch in die Qualität der Betreuung" so Huxhold.

 

Starkes Ost-West-Gefälle


In den östlichen Bundesländern (1 zu 6,1) müssen sich Erzieherinnen generell um deutlich mehr U3-Kinder kümmern als im Westen (1 zu 3,6). Die Personalschlüssel für die Kindergartengruppen sind in den westlichen Bundesländern im Durchschnitt ebenfalls besser (West 1 zu 8,9; Ost 1 zu 12,4). Dafür ist der Anteil der Kinder unter drei Jahren in Kitas in den östlichen (46,6 Prozent) erheblich höher als in den westlichen Bundesländern (22,7 Prozent).

Ungünstige Personalschlüssel wirken sich nicht nur für die Kinder negativ aus, sondern erhöhen auch die Belastung der Kita-Fachkräfte. Das haben kürzlich Wissenschaftlerinnen der Alice Salomon Hochschule Berlin nachgewiesen. Folge sind hohe gesundheitliche Risiken für diese Berufsgruppe. Die Bertelsmann Stiftung hat deshalb in ihrem diesjährigen "Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme" die strukturellen Arbeitsbedingungen analysiert.

Einer der Befunde lautet: In kaum einem Bundesland ist derzeit klar geregelt, wie viel Arbeitszeit für Aufgaben neben der eigentlichen pädagogischen Arbeit mit den Kindern reserviert ist. Team- und Elterngespräche, Dokumentation und Fortbildung machen in der Praxis mindestens ein Viertel der Aufgaben einer Erzieherin aus. Während Vollzeitkräfte hierfür in der Regel ausreichend Zeit einplanen können, geraten die Teilzeitkräfte unter Druck. Immerhin 41 Prozent des Kita-Personals arbeitet weniger als 32 Stunden wöchentlich. Deren Arbeitszeit wird in den Kitas häufig komplett für die eigentliche Kinderbetreuung eingeplant, trotzdem warten die anderen Aufgaben auf Erledigung.


Plädoyer für bundeseinheitliche Qualitätsstandards

 

"Angesichts der konstant hohen Unterschiede zwischen den Bundesländern werden bundeseinheitliche Qualitätsstandards für Kindertagesbetreuung immer drängender", sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Dort könnten neben Fachkraft-Kind-Relationen auch Zeitbudgets für Aufgaben wie Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Arbeit sowie Standards für berufsbegleitende Beratung der pädagogischen Fachkräfte festgelegt werden.

 

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig kommentierte die Ergebnisse des Ländermonitors wie folgt: "Die Entwicklung geht in die richtige Richtung, aber es bedarf weiterer Anstrengungen aller Beteiligten, um für die Kinder eine gute Tagesbetreuung zu ermöglichen und gute Rahmenbedingungen für die Fachkräfte zu schaffen. Der Ländermonitor zeigt eindrücklich, dass wir bei der Qualität der Kindertagesbetreuung noch einen längeren Weg vor uns haben. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass wir die freiwerdenden Mittel des Betreuungsgeldes gemeinsam mit den Ländern für gute Kinderbetreuung zur Verfügung stellen".

 

Quellen: Presseinfos Bertelsmann-Stiftung / Bundesfamienministerium / Niedersächsisches Kultusministerium

 

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