Seit Erlass des Niedersächsischen Kindertagesstätten-Gesetzes im Jahr 2002 haben sich die gesellschaftlichen, bildungs-, sozialpolitischen, aber auch die berufsfachlichen Bedingungen massiv verändert. Entsprechend hatte auch die rot-grüne Landesregierung in ihrer Koalitionsvereinbarung angekündigt, ein reformiertes KiTaG auf den Weg zu bringen. Aber, so ver.di-Landesleiter Detlef Ahting: „Seit zwei Jahren warten Erzieherinnen, Eltern und politisch Interessierte nun vergeblich auf diese Novellierung. Um die politische Diskussion zu befördern, legt die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di jetzt eine eigene Gesetzes-Novelle vor".


Die zentralen Änderungsvorschläge von verdi für ein neues KiTaG sind folgende:


1. Zeitfaktor

Die Anforderungen an den Bildungsauftrag der Kindertagesstätten sind erheblich gewachsen. Für die gewissenhafte Durchführung von Aufgaben wie Beobachtung und Dokumentation, Reflexion, Planung, Vor- und Nachbereitung der Arbeit, Zusammenarbeit mit den Eltern, Teamberatung, Supervision und für die fachliche Fortbildung stehen nach der jetzigen Regelung je Gruppe insgesamt 7,5 Stunden pro Woche zur Verfügung (für bis zu 25 Kindergartenkinder, 15 Krippenkinder oder 20 Hortkinder). Benötigt werden hingegen 20 Prozent der jährlichen Arbeitszeit, also 7,5 Stunden - und das pro Fachkraft.
Die Kita-Leitungen brauchen mehr Zeit für Leitungsaufgaben. Derzeit ist eine Kita-Leitung mit drei Gruppen für fünf Stunden wöchentlich von der Arbeit in der Gruppe für Leitungsaufgaben, Vorbereitung, Fortbildung freizustellen. Notwendig ist hingegen eine Freistellung von 20 Stunden wöchentlich, um das Arbeitspensum zu bewältigen.
Um den veränderten Anforderungen in den Kindertagesstätten gerecht zu werden, soll der Träger verpflichtet werden, mindestens drei Tage Fortbildung im Jahr zu gewährleisten.


2. Qualifikation

Von den Mitarbeiterinnen in den Kindertagesstätten und in den Krippen wird eine hoch qualifizierte pädagogische Arbeit verlangt, die nur mit einer entsprechenden spezifischen Ausbildung der Beschäftigten gewährleistet werden kann. Eine Anpassung der Arbeitsbedingungen ist notwendig. So ist beispielsweise eine Stellvertretung für die Leitung einer Kindertagesstätte bisher gesetzlich nicht vorgesehen. Durch die Änderung wird die stellvertretende Leitung ab einer Anzahl von drei Gruppen Pflicht (bei einer Gruppengröße von 25 Kinder im Kindergaren, 15 Kinder in Krippen, 20 Kinder im Hort).
Bislang muss lediglich eine Erzieherin mit staatlicher Anerkennung in einer Gruppe tätig sein, die Zweitkraft soll, muss aber nicht Erzieherin sein. Mit der vorgesehenen Änderung wird die Besetzung der Gruppen mit mindestens zwei Erzieherinnen sichergestellt und damit die notwendige Fachkraft-Kind-Relation verbessert. Perspektivisch werden als Zweitkraft nur noch Erzieherinnen mit staatlicher Anerkennung eingestellt. Für die bisher als Zweitkraft beschäftigten Kinderpflegerinnen und Sozialassistentinnen gilt hingegen Bestandsschutz.


3. Gruppengröße

Die geltende Mindestanforderung für die Gruppengröße und damit für das Betreuungsverhältnis sieht vor, dass bis zu 25 Kinder von zwei Fachkräften betreut werden. Aus Sicht von ver.di muss das Betreuungsverhältnis in den Gruppen verbessert werden. Hierzu ist eine Änderung des Personalschlüssels erforderlich.


4. Ausstattung

Die Räume und die Ausstattung der Kindertagesstätten müssen nach dem Gesetz so gestaltet sein, dass eine „angemessene Erziehungs- und Bildungsarbeit" geleistet werden kann und „ausreichende Außenfläche" zur Verfügung steht. Konkret bedeutet dies derzeit, dass für ein Krippenkind 3 m² und für ein Kindergartenkind 2 m² Bodenfläche zur Verfügung stehen, im Außenbereich 12 m² je Kind. Für eine Ganztagsbetreuung reichen die zugestandenen Bodenflächen nicht aus; sie müssen erweitert werden. Gänzlich fehlt eine Regelung für einen Sozialraum, Räume für Elternarbeit, Räume für therapeutische Zwecke sowie Materialräume, die neu einzufügen ist. Diese Räume müssen zukünftig vorgesehen sein.


5. Integration

Die Betreuung mehrerer Kinder mit Behinderung in einer integrativen Gruppe ist nach dem geltenden Gesetz vorrangig vor der Einzelintegration. Derzeit soll eine integrative Kindergartengruppe nicht weniger als 14 und darf nicht mehr als insgesamt 18 Kinder umfassen, davon wenigstens zwei, höchstens vier Kinder mit Behinderung. Inklusive Pädagogik ist aber nur mit kleineren Gruppengrößen zu gewährleisten. Deshalb ist die Gruppengröße auf mindestens 10 und höchstens 16 Kinder anzupassen.

Eine Synapse zu den detaillierten Änderungsvorschlägen von verdi im Vergleich zum alten KiTaG können Sie hier  herunterladen: KiTaG-Synopse__Mai_2015.pdf

 

Quelle: verdi

 

 


Kultusministerin Heiligenstadt nimmt Stellung


Mit Blick auf die Verdi-Vorschläge zur Reform des Kindertagesstättengesetzes (KitaG) betont Kultusministerin Frauke Heiligenstadt, dass die Landesregierung umfangreiche Anstrengungen unternommen hat, um die Qualität von Bildung und Betreuung in niedersächsischen Kindertageseinrichtungen zu erhöhen. „Der stufenweise Einstieg in die Finanzierung einer dritten Betreuungskraft in Krippengruppen ist ein Meilenstein für die qualitative Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung in Niedersachsen. Um die dritte Kraft einzuführen, sind das KitaG und die entsprechende Verordnung an entscheidenden Stellschrauben bereits im letzten Jahr geändert worden. Es ist falsch, dass hier noch nichts geschehen ist", so Heiligenstadt. Frühkindliche Bildung ist aus Sicht der Landesregierung die erste Stufe des Bildungssystems und der Grundstein für den erfolgreichen Verlauf von späteren Bildungs- und Erwerbsbiographien, für Entwicklungs- und Teilhabechancen. Sie hat nicht nur einen hohen bildungspolitischen, sondern auch einen hohen familienpolitischen und gesellschaftspolitischen Stellenwert.


Seit dem 1.1.2015 finanziert das Land eine dritte Fach- oder Betreuungskraft in Krippengruppen mit mindestens elf belegten Plätzen und konnte so den gesetzlichen Mindestpersonalschlüssel spürbar verbessern. In den nächsten Jahren investiert das Land die Summe von rund 240 Millionen Euro zusätzlich für die Finanzierung der dritten Betreuungskraft - „solide gegenfinanziert und in der mittelfristigen Finanzplanung festgeschrieben", wie Ministerin Heiligenstadt unterstreicht.


Das Land habe zudem in einer gemeinsamen Kraftanstrengung mit den Kommunen den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für unter dreijährige Kinder in Niedersachsen abgesichert. Heiligenstadt: „Und im Rahmen der Zukunftsoffensive Bildung haben wir Mittel für zusätzliche 5.000 Krippenplätze und die laufenden Betriebskosten von Kindertageseinrichtungen in Höhe von rund 115 Millionen Euro zusätzlich eingeplant bis 2018. Damit haben wir im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung bereits einige richtig dicke Bretter erfolgreich gebohrt." Mit der Ausbildungsoffensive für Betreuungskräfte in Ausbildung zur Sozialassistentin oder zum Sozialassistenten sowie der Weiterbildungsinitiative „Integrative Erziehung und Bildung" unterstützt das Land außerdem den Wissenserwerb der Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen und fördert auch hiermit die Qualität in Niedersachsens Kindertagesstätten.


Weitere Qualitätsverbesserungen werden sich aus dem Dialog des Kultusministeriums mit den Akteuren aus der frühkindlichen Bildung zum KitaG ergeben: Mit den Themen „Strukturqualität in Tageseinrichtungen für Kinder" und „KindertagespflegeKindertagespflege|||||Kindertagespflege oder Tagespflege umfasst eine zeitweilige Betreuung von Jungen und Mädchen bei Tagesmüttern oder Tagesvätern. Nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz von 2004 ist die Tagespflege neben der Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen eine gleichwertige Form der Kindertagesbetreuung. " haben sich die kommunalen Spitzenverbänden, die kirchlichen und privaten Einrichtungsträger sowie die Bildungsgewerkschaften, Elterninitiativen sowie Expertinnen und Experten aus der im Niedersächsischen Landtag vertretenen Fraktionen beschäftigt. „Die Ergebnisse werten wir derzeit aus und werden entsprechende Vorschläge für eine weitere Reform des Kindertagesstättengesetzes vorlegen. Unser Ziel ist und bleibt, dass dieses neue Gesetz zum Kindergartenjahr 2016/2017 in Kraft tritt. Die Vorschläge von Verdi nehmen wir auf dem Weg dorthin gerne auf und setzen den Dialog über eine noch bessere Qualität in der frühkindlichen Bildung auf allen Ebenen konstruktiv fort, " so Heiligenstadt abschließend.

Quelle: Kultusministerium Niedersachsen