Inklusion, Partizipation oder Sprachbildung sind in den sozialpädagogischen Ausbildungen zu Sozialassistent*innen oder Erzieher*innen als Querschnittaufgaben verankert und sollen entsprechend auch in die KiTa-Praxis einfließen – doch wie werden sie in den Unterrichtsmodulen tatsächlich thematisiert und integriert? Diese Frage stand im Fokus einer gemeinsamen Fachtagung der AG Didaktik der Sozialpädagogik der Universität Osnabrück, dem CEDER, der Leuphana Universität Lüneburg und dem nifbe im Osnabrücker Schloss.

kubandt hartmannProf. Dr. Melanie Kubandt (li.) und Dr. Magdalena Hartmann begrüßten stellvertretend für die Veranstalter*innen und hatten den "Hut auf"Stellvertretend für die Veranstalter*innen begrüßten Prof. Dr. Melanie Kubandt und Dr. Magdalena Hartmann von der Universität Osnabrück die gut 80 Teilnehmer*innen, die aus Fach- und Hochschulen, Studienkollegs, KiTas, Studienseminaren und dem Kultusministerium zum gemeinsamen Austausch und Dialog zusammengekommen waren.

"In allen pädagogischen Prozessen mitdenken, integrieren und reflektieren"


veenkerZur Einführung beleuchtete Dr. Jaqueline Veenker von der BBS Papenburg die Querschnittaufgaben im Allgemeinen und hier noch einmal die Medienkompetenz im Besonderen. Die Querschnittaufgaben resultieren ihr zufolge insbesondere aus gesellschaftlichen Entwicklungen und Ansprüchen wie zum Beispiel der Migration oder der Umsetzung der UN-Behindertenkonvention und sie „sollten in allen pädagogischen Prozessen mitgedacht, integriert und reflektiert werden“. In den aktuellen Rahmenrichtlinien für die sozialpädagogische Ausbildung sind dabei folgende Querschnitthemen angeführt:
  • Partizipation
  • Inklusion
  • Prävention
  • Sprachliche Bildung
  • Wertevermittlung
  • Bildung für nachhaltige Entwicklung
  • Medienkompetenz

Jaqueline Veenker, die sowohl in einer Berufsschule arbeitet wie auch noch Lehraufträge an Universitäten hat, beleuchtete in der Folge das Thema der Medienkompetenz näher. Hintergrund dieses Querschnittthemas sei „die umfassende Mediatisierung unserer Gesellschaft“, die sie mit aktuellen Zahlen aus der Mini-KIM-Studie untermauerte: Demnach nutzen bereits 44 Prozent der 2-5jährigen Kinder täglich digitale Angebote wie Handys oder Tablets und 10 Prozent haben sogar schon ein eigenes Smartphone. Und 48 Prozent der Eltern möchten sich bei Erzieher*innen über Medienkonsum / Medienbildung informieren. Ziel des Querschnittthemas sei es daher, „Kindern einen aktiven, bewussten und kritisch-reflektierten Umgang mit Medien“ zu vermitteln.

Fokus Medienkompetenz

Im Hinblick auf die tatsächliche Relevanz und Umsetzung in KiTas musste Jaqueline Veenkers konstatieren, dass die Forschung hier noch ein Desiderat bilde und es wenig Erkenntnisse gebe. Bildungspolitisch werde das Thema allerdings forciert, z.B. durch die aktuell noch sehr unterschiedliche Verankerung in Bildungs- und Orientierungsplänen oder wie in Niedersachsen durch das „Rahmencurriculum Kindgerechte Medienbildung (KIM)“ und eine entsprechende Qualifizierungsinitiative. Medienbildung sei damit heute ein Bildungsauftrag für KiTas und entsprechend auch in den Rahmenrichtlinien der sozialpädagogischen Ausbildung verankert. Doch, so Jaqueline Veenker: „Es gibt kaum inhaltliche Ausführungen zur konkreten Implementierung in der Unterrichtspraxis“.

Aus ihrer eigenen qualitativen Studie zu Perspektiven von Erzieher*innen und Fachschullehrer*innen auf die Relevanz von Medienbildung in KiTas präsentierte Jaqueline Veenker eher ernüchternde Ergebnisse. Fachkräfte sehen die KiTa demnach noch immer als einen „analogen Schutzraum“ und haben stark die Entwicklungsrisiken für Kinder durch Medienkonsum im Blick. Die KiTa wird daher als „kompensatorische Instanz“ gesehen und das Nicht-Digitale wird hier präferiert.

Thema droht durchs Rost zu fallen

Bei den Lehrkräften wiederum gebe es zwar eine eindeutige „Einsicht in die Notwendigkeit von Medienbildung“, aber es werde Kritik daran geübt, dass das Thema nicht konkret genug in den Rahmenrichtlinien ausgeführt und kein festes Modul sei. Festzustellen sei bei Lehrkräften eine „Ambivalenz zwischen Interesse und Zuständigkeit“, mit der das Thema durch das Rost zu fallen drohe - zumal das Thema der Digitalisierung auch nicht von Schüler*innen eingebracht werde.

Jaqueline Veenker schloss ihren Vortrag mit einem kurzen Überblick über vorhandene Tools und Apps für die KiTas und unterstrich: „Im Mittelpunkt medienpädagogischer Bildung sollten immer die Kinder und nie die Technik stehen.“ Es gelte „Chancen zu nutzen und Risiken zu minimieren“.
In fünf parallelen Workshops wurden nach dem Vortrag die Querschnittthemen noch einmal im Allgemeinen sowie im Speziellen die Medienkompetenz, Sprachbildung, Partizipation sowie Inklusion und DiversityDiversity|||||Im Deutschen wird der Begriff auch auch als Vielfalt benutzt und meint besonders, dass soziale Vielfalt konstruktiv genutzt wird. Im Diversity Management wird besonders auf eine positive Wertschätzung der individuellen Verschiedenheit eingegangen, um eine produktive Gesamtatmosphäre zu erreichen. näher thematisiert und gemeinsam diskutiert.

Haltung entwickeln und Querschnitthemen leben

podiumVon Peter Keßel (li.) und Meike Sauerjering (re.) moderierte Podiumsdiskussion mit Cornelia Baden , Sabine Schleder, Prof. Dr. Anke Karber, Dr. Jaqueline Veenker, Sandra Langer.
In einer abschließenden, von Peter Keßel und Dr. Meike Sauerhering moderierten Podiumsdiskussion standen die Bedeutung der Querschnittaufgaben und ihre konkrete Umsetzung in der Lehrer*innen- und sozialpädagogischen Ausbildung im Fokus. Unterstrichen wurde, dass die Inhalte dieser Aufgaben den Lehrer*innen und später auch den Erzieher*innen „in Fleisch und Blut übergehen müssen“ und dass diese „mitlaufen müssen, ohne dabei immer explizit sichtbar zu werden“. Es gelte „sie zu leben“ und eine entsprechende Haltung zu entwickeln. Dazu bedürfe es einer „integralen Persönlickeitsentwicklung“ mit entsprechender Selbstreflexions-Kompetenz. Dies bedeute beispielsweise beim Querschnitt Partizipation, dass dieses Thema nicht nur inhaltlich vermittelt wird, sondern dass die Schüler*innen (und später auch die Kinder in der KiTa) sich tatsächlich beteiligen können und ihre Meinung ernst genommen wird.

Rahmen muss vor Ort gefüllt werden

Grundsätzlich stellte Cornelia Baden aus dem Kultusministerium klar, dass die Richtlinien zur sozialpädagogischen Ausbildung den Stellenwert der Querschnittaufgaben unterstreichen, „aber nur einen Rahmen geben, der vor Ort in den Schulen ausgefüllt werden muss“. Es müsse ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, wann welche Themen mitlaufen und aufgegriffen werden können. Hieran anschließend plädierte Sandra Langer, Bildungsleiterin der BBS Bersenbrück, für „eine stärkere Verankerung der Querschnittaufgaben vor Ort, damit diese nicht hinten rüber fallen“ und führte Beispiele aus ihrer Schule für Lernsituationen zur Digitalisierung oder ein Partizipations-Projekt an. Prof. Dr. Anke Karber von der Leuphana Universität gab zu bedenken, dass Lehrkräfte "keine Ausführende des Curriculums, sondern selbst didaktisch argumentierende Menschen“ sind. Sabine Schleder vom Studienseminar Göttingen unterstrich die Bedeutung des exemplarischen Lernens und die Chancen von optionalen Lehrangeboten, die je nach Schule und Lerngruppe gestaltet werden könnten.

Rahmenbedingungen verbesssern und Systeme professionalisieren

Sandra Langer wies aber auch auf die Notwendigkeit von erhöhten Ressourcen für die Curriculums-Entwicklung an den Berufs- und Fachschulen hin. Diese seien überlastet durch die Betreuung der Praxiseinrichtungen und vielen „on top-Aufgaben“ wie die Zertifizierung für die von der Arbeitsagentur bezahlte Umschulung von Quereinsteiger*innen. Zumindest zum letzten Punkt konnte Cornelia Baden Entlastung in Aussicht stellen: Die aufwändige AZAV-Zertifizierung von „Schulen, die ja bereits unter der Schulaufsicht des Landes stehen“ soll auch nach Einschätzung der Landesregierung abgeschafft werden.

Last but not least unterstrich Anke Karber noch die „Notwendigkeit, das gesamte System der frühkindlichen (Aus-) Bildung zu professionalisieren und nicht nur immer die einzelne Fach- oder Lehrkraft in den Blick zu nehmen“.

Deutlich wurde auf dem mittlerweile dritten gemeinsamen Fachtag von Universität Osnabrück, dem CEDER, der Leuphana Universität und dem nifbe, dass nur mit einer guten Verzahnung der Fachschul-Lehrer*innen- und der sozialpädagogischen Ausbildung sowie der Praxisanleitung vor Ort die gesellschaftlich wie pädagogisch so relevanten Querschnittthemen tatsächlich auch in der KiTa-Praxis landen können. Berücksichtigt werden müssen hier auch die Fallstricke der doppelten oder auch dreifachen Theorie-Praxis-Bezüge über die verschiedenen Ebenen des KiTa-Systems hinweg.

Der konstruktive Dialog zwischen universitärer Lehrer*innen- und sozialpädagogischer Ausbildung soll auch im nächsten Jahr mit einer gemeinsamen Fachtagung in Lüneburg fortgesetzt werden.

Tipp:
Das nifbe hat im Auftrag des DKHW ein Seminarkonzept zur kinderrechtebasierten Demokratiebildung in Fachschulen entwickelt. Nähere Infos und Download hier




Karsten Herrmann