BAG-BEK-Stakeholder-Tagung zur Lobbyarbeit
In den letzten Jahren sind eine Unmenge von Petitionen, Positionspapieren und Appellen produziert worden, um die Qualität in der frühkindlichen Bildung zu verbessern und der aktuellen Krise zu begegnen – doch bewirkt worden ist dadurch (fast) nichts. Wie kann also die Wirksamkeit von solchen Aktionen durch gemeinsame Schlagkraft erhöht werden? Diese Frage stand im Fokus einer BAG-BEK-Tagung in der Berliner Repräsentanz der Robert Bosch Stiftung mit Stakeholdern aus Verbänden, Gewerkschaften, Initiativen sowie Vertreter*innen der Aus- und Weiterbildung.In ihrer Begrüßung sagte BAG-BEK-Vorsitzende Prof. Dr. Tina Friederich: „Momentan stellt sich das Gefühl ein, dass alle unsere Anstrengungen verpuffen und wir die Politik immer weniger erreichen. Wir müssen daher Strategien entwickeln, um wirksamer zu sein und uns dabei vernetzen und gemeinsam agieren!“ Sie unterstrich, dass die Frühkindliche Bildung die Grundlagen für die gesamte Bildungs- und Berufsbiographie der Kinder lege und dass auch ökonomisch gesehen mit Investitionen in diesem Bereich die größte Rendite zu erzielen ist. Tina Friederich dankte auch der Robert Bosch-Stiftung für die Unterstützung der Tagung.
Im interaktiven Auftaktvortrag der von Jutta Weimar und ihrem Team moderierten Sitzung gab Thorben Prenzel nähere Einblicke in die Grundlagen einer erfolgreichen Lobby-Arbeit. Lobby-Arbeit diene grundsätzlich dazu, „die eigenen Interessen in den politischen Prozess einzubringen“ und das gleiche dem „Bohren dicker Bretter“, denn Politiker würden tagtäglich mit unzähligen Forderungen und Wünschen bombardiert.
Lobbyarbeit ist Beziehungs- und Vertrauensarbeit
Für die Lobby-Arbeit, so Thorben Prenzel, benötige es Strategie, Ressourcen, Monitoring, ein Netzwerk und Prozesskenntnisse - so seien Minister und Staatssekretäre oftmals nichts die wichtigsten Ansprechpartner*innen, sondern Abteilungsleiter*innen und Referent*innen in der Administration. 70 Prozent der Lobbyarbeit diene letztlich dem Aufbau von Vertrauen und der Beziehungspflege, 20 Prozent dem eigentlichen Thema und nur 10 Prozent dem konkreten Anliegen. Grundsätzlich gelte es sich immer wieder klar zu machen, dass auch Politiker nur Menschen sind und „nur mit Wasser kochen“. Es gelte daher auch im Gespräch nicht fordernd aufzutreten, sondern nett und offen zu sein."Reden, nicht schreiben"
Eine goldene Regel schrieb der Lobbyist und Politikwissenschaftler den Teilnehmer*innen dabei ganz dick in das Stammbuch: „Nicht schreiben, sondern reden!“ Politiker würden kaum lesen und wenn, muss es kurz und knapp sein: Maximal 3 Punkte oder Argumente sollten daher nur angeführt werden!In der Folge stellte Thorben Prenzel die einzelnen Punkte einer Lobby-Strategie näher vor: So gelte es zunächst eine Vision zu entwickeln und die aktuelle Situation zu analysieren. Dann folgten die Zielsetzung und die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen. Dabei sollte die entscheidende Botschaft immer in einem oder zwei Sätzen formuliert werden und wenn möglich das Gemeinwohl und den gesellschaftlichen Zusammenhalt betreffen – denn die entscheidende Frage sei: Wie erreiche ich die, die keine eigenen Interessen an meinem Thema haben?
Für die Lobby-Arbeit sei es wichtig, aktiv Kontakte zu knüpfen und Netzwerke aufzubauen. Es gelte Gelegenheiten zu nutzen und auch selber zu kreieren. Im Gespräch sei es förderlich, Klischees zu durchbrechen und nicht erwartete Zugänge zu suchen und immer die Frage im Blick zu haben: Was ist für meinen Gesprächspartner interessant? Es dürfe daher nicht vergessen werden, dass der Köder dem Fisch schmecken müsse. Nützlich sei hierfür auch immer ein positives Framing und das Storytelling, also die Einbindung in eine persönliche Geschichte.
Themensondierung und -priorisierung
Nach diesen Einblicken in die Grundlagen der Lobby-Arbeit, nahmen die Teilnehmer*innen der Tagung ihr eigenes Feld in den Blick und scannten Themen, die gerade brodeln und virulent sind. Heraus kam ein breites Spektrum von der aktuellen KiTa-Krise und dem Fachkräftemangel über die Aus- und Weiterbildung bis hin zu Ganztag, Inklusion und Demokratiebildung sowie dem aktuell wieder infrage gestellten Qualitätsentwicklungsgesetz.Die Themen wurden in der Folge priorisiert und es bildeten sich drei Arbeitsgruppen zu den Top-Themen, nämlich
- Fachkräftemangel
- Ganztag
- und Qualitätsentwicklungsgesetz
Die Kunst, zu schlagkräftigen Botschaften zu kommen
In den Arbeitsgruppen zeigte sich, wie leicht man auch immer wieder in die Komplexität der verschiedenen Themenbereiche und ihrer vielfachen Dilemmata zurückgeworfen wird und wie schwer es fällt, hier eindeutige Botschaften herauszukristallisieren. Beispiel Fachkräftemangel: Wie gelingt es Qualität aufrecht zu erhalten und trotzdem neue Kräfte in die KiTas zu holen? Was macht ein multiprofessionelles Team aus und wer gehört dazu? Auch der Koch, der viel beschworene Schreiner, die Hauswirtschaftlerin und die Verwaltungsangestellte? Und nicht zuletzt: Wie viel pädagogisches Setting braucht ein Kind, das acht Stunden täglich in der KiTa ist?Einfacher erschien es da, eine zielgerichtete Kampagne für die Weiterführung des aktuell auf der Kippe stehenden Qualitätsentwicklungsgesetzes zu entwerfen. Hier droht die Beteiligung des Bundes an der Qualitätsentwicklung der KiTas in den Ländern um viele Jahre zurückgeworfen zu werden. Eine Ad hoc-Arbeitsgruppe soll daher jetzt die in der Arbeitsgruppe skizzierten Schritte der Lobby- Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in den nächsten Wochen weiter entwickeln und umsetzen.
Auf der BAG-BEK-Tagung wurden erste gemeinsame Schritte zu mehr Schlagkraft gegangen, aber es zeigte sich auch, dass es viele viele weitere braucht, um aus der Stimmenvielfalt und Polyphonie des Feldes herauszukommen – und vielleicht auch den Mut, komplexe Sachverhalte auf einfache, dafür aber packende Claims einzudampfen.
Karsten Herrmann