Die Autor*innen – von Kathrin Hohmann über Lea Wedewardt und Fea Finger bis zu Hergen Sasse – rufen allerdings nicht zu Bildersturm und Umsturz auf, sondern setzen bei der einzelnen Fachkraft an. Ihnen wollen sie Mut zusprechen und die Bedeutung ihrer Arbeit vor Augen halten: „Du bist unfassbar wichtig – das ist die Botschaft unseres Buches“ heißt es so im Vorwort.
Die Autor*innen, die alle mehr oder weniger dem Kontext einer bedürfnisorientierten und konsequent gewaltfreien Pädagogik entstammen, führen aus, was Kinder brauchen, um zu kreativen, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Menschen werden und was die Fachkräfte dazu beitragen können – entgegen aller schlechten (Rahmen-) Bedingungen in den KiTas. In den KiTas brauche es, wie es in einem Beitrag von Kathrin Hohmann heißt, „Menschen, die jedem Kind wohlgesonnen, zugewandt und mit Wertschätzung begegnen“. Es brauche einen „Erziehungsstil, der Kinder als individuelle Persönlichkeiten anerkennt und ihren Autonomiebestrebungen ausreichend Raum schenkt“.
Die Richtung heißt "kinderwärts"
Das Buch setzt so nicht an den vielfach kritisierten Rahmenbedingungen, sondern an der einzelnen Fachkraft und ihrer pädagogischen Haltung und Kompetenz an. „Wenn du etwas veränderst, verändert sich alles“ heißt so ein Beitrag von Anna Noß. Veränderung zeichne sich dadurch aus, dass „es Menschen gibt, die Selbstverständliches hinterfragen und die anfangen, anders zu handeln.“ Die ausgegebene Richtungsänderung geht konsequent „kinderwärts“: „wir benötigen eine Pädagogik, die sich am Kind orientiert und nicht an gesellschaftlichen Erwartungen oder Zwängen“. Es müsse sich „eine Haltung etablieren, in der wir Kinder radikal ernst nehmen“.Lea Wedewardt unterstreicht, dass eine solche Haltungsänderung nicht ohne eine intensive Reflexion der eigenen Werte auskommt: „Damit Kinder lernen, welche Werte wichtig sind, braucht es pädagogische Fachkräfte, die sich ihrer eigenen Werte bewusst werden, um so vorleben zu können, was ihnen am Herzen liegt“. Hergen Sasse verdeutlicht aber auch, „dass Grenzsetzungen eine unabdingbare Voraussetzung für ein gelingendes Miteinander sind. Grenzen zu setzen, bedeutet, Orientierung, Sicherheit und Halt zu geben“ – und dies sei in unserer Zeit doch eine der „größten Herausforderungen“.
"Du bist die Veränderung"
Gegen die Tendenz, den Kopf in den Sand zu stecken, ruft dieses Buch den Fachkräften laut zu „Doch, DU kannst. Du kannst die Veränderung sein“. Mit vielen kleinen Reflexionshilfen, (Sinn-) Sprüchen und Cartoons versucht das Buch, Fachkräfte auf den Weg zu sich selbst zu bringen und dabei die Frage zu klären „Wie will ich als Fachkraft sein?“ Mit viel Herz und Überzeugung zeichnen die Autor*innen eine pädagogische Vision an den Horizont, in der das Kind mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt steht und die KiTa zur Keimzelle einer demokratischen und respektvollen Gesellschaft wird.Dieses Buch macht Mut, für Veränderung und Verbesserung in der KiTa bei sich selbst anzusetzen. Und doch kann das natürlich nur eine Seite der Medaille sein, denn es braucht definitiv auch Entlastung für Fachkräfte und bessere Rahmenbedingungen, um eine bedürfnisorientierte Pädagogik realisieren zu können. Der dafür notwendige gemeinschaftliche und solidarische Druck von Fachkräften, Trägern, Eltern, Verbänden und Wissenschaft kommt in dieser „Kita-(R)Evolution“ allerdings ein bisschen zu kurz.
- Kita R(E)VOLUTION. Zeit für Veränderung. Hrsg. von HERDER und kindergarten heute, 112 S. 15 Euro
Karsten Herrmann