Wie die Erziehungswissenschaftlerin und Leiterin der „Gesellschaft für ganzheitliches Lernen“ weiter ausführte, ist Lachen in der Pädagogik maßlos unterschätzt. Sie wandelte Pestalozzis berühmtes „Lernen mit Hand, Herz und Kopf“ daher auch zu den „großen vier H’s“ um: Lernen mit Hirn, Herz, Hand und Humor. Sie sei in der Pädagogik die erste gewesen, die sich näher mit dem Zusammenhang von Humor und Lernen auseinandergesetzt habe – und zu überraschenden und wegweisenden Ergebnissen gekommen ist. Mit ihnen zeigt sich der „Humor als hochbegabter Lernpartner“ und „als Krisenretter nach Corona“ und in anderen derzeitigen Krisen wie den Ukraine-Krieg.
In der Folge unternahm Charmaine Liebertz einen Streifzug durch die verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen und fasste deren Erkenntnisse zu Humor, Lachen und Lächeln zusammen. Das Lachen sei so „die älteste Ausdrucksform des Menschen“ und auch schon bei Menschenaffen wie Bonobos und Schimpansen zu beobachten. Entscheidend für die Entwicklung des Lachens sei der aufrechte Gang gewesen, mit denen sich Lebewesen erstmals face to face und auf Augenhöhe begegneten. Das menschliche Gesicht sei das ausdrucksstärkste aller Lebewesen und die Augen bildeten dabei zwei kommunikationsstarke „Perlen“. Aus der Hirnforschung sei bekannt, dass das Lachen und Lächeln sich weit vor den beiden Sprachzentren herausgebildet habe und als Kommunikationsinstrument dazu diene „einen Raum oder eine Situation zu befrieden“ und „Bindung herzustellen“.
"Wo gelacht wird, lernt man leicht"
Die Medizin, so die Erziehungswissenschaftlerin, konnte die alte Volksweisheit „Lachen ist gesund“ auch wissenschaftlich untermauern. Ihre Subdisziplin, die seit den 1960er Jahren betriebene Geleotologie, konnte beweisen, dass Lachen den Schmerz verzögert, das Immunsystem stärkt und zur Produktion von Glückshormonen führt. Nicht zuletzt deswegen kämen auf den Kinderstationen der Krankenhäuser oder auch schon in Hospizen Clowns zum Einsatz.Aus der Soziologie berichtete Charmaine Liebertz, dass die Menschen allerdings zu 80 Prozent ohne eine bestimmten kognitiv-mentalen Grund wie einen Witz lachen oder lächeln – und zwar zum einen aus kultureller Konvention wie der Höflichkeit und zum anderen mit dem Ziel Bindung und Beziehung aufzubauen. Und – hier kam die Referentin zum Kern ihres Vortrags – „gelungene Pädagogik ist auf Bindung angewiesen“. Das Lachen und Lächeln sei „sozialer Klebstoff“ und die Brücke vom Ich zum Du und „ein Team oder eine KiTa-Gruppe ohne Lachen und Lächeln hat ein Problem!“
„Wo gelacht wird, lernt man leicht“ unterstrich Charmaine Liebertz und Aufgabe der Pädagog*innen sei es, die natürliche kindliche Lern- und Lebensfreude aufzugreifen und zu fördern – denn bis zum Eintritt in die Schule würden Kinder wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge unglaubliche 400 Mal pro Tag lachen oder lächeln. Wichtig in der Pädagogik wie auch in anderen Lebensbereichen sei dabei die „Authentizität“ und dass der verbale Haupttext und der mimische Subtext zusammen passen.
Mit ihrem rheinländischen Humor, der sich auch mal gerne selber auf die Schippe nimmt, trug Charmaine Liebertz den Teilnehmer*innen schließlich eine herrliche Garderoben-Geschichte rund um ein Paar Gummistiefel vor und zeigte ihnen erstaunliche Fingerübungen, um fit und fröhlich bei der Arbeit zu bleiben. In der Folge entspannte sich noch eine intensive Diskussion um „falsches“ und „echtes“ Lachen sowie die Frage, ob es denn ein „Humor-Gen“ gebe oder ob Humor erlernbar sei – und hier war für die Referentin völlig klar, dass jeder (gesunde) Mensch lernen kann auf der virtuosen Klaviatur von Humor, Lachen und Lächeln zu spielen.
Handout zum Vortrag
Karsten Herrmann