Einleitend führte Renate Zimmer aus, dass die Bewegung für Kinder der Ausgangspunkt für die Aneignung der Welt ist: „Kinder erfahren und erleben ihre Welt leiblich, über den Körper und die Sinne.“ Im Sinne von Humboldt interpretierte sie Bildung als die „lebendige Auseinandersetzung mit der Welt“. Bildung sei so als forschendes und entdeckendes Handeln ein eigenaktiver Prozess des Kindes, zugleich sei Bildung aber auch ein ko-konstruktiver und sozialer Prozess, weil Kinder die Resonanz von Erwachsenen benötigten.
Planschen in der Pfütze und Baden im Herbstlaub
In der Folge zeigte die langjährige nifbe-Vorsitzende Renate Zimmer mit vielen Bild- und Videobeispielen auf, wie diese Art der Bildung sich im sinnlichen und sinnvollen Spiel der Kinder in der Natur vollziehen kann: Beim Planschen in der Pfütze, beim Baden im Herbstlaub, beim lustvollen Matschen im Schlamm oder beim Sandburgen bauen.„In der Natur“, so Renate Zimmer, „können alle Sinne angesprochen und geübt werden“. Von den Fernsinnen des Sehens und Hörens über die Nahsinne wie Schmecken, Riechen oder Fühlen bis zu den weniger bekannten kinästhetischen und taktilen Sinnen. Wie sie in einem kleinen Gleichgewichts-Experiment mit den Teilnehmer*innen vorführte, spielen die Sinne häufig auch zusammen. Die kinästhetische Wahrnehmung ist dabei für das Körperschema, also die Wahrnehmung von Stellung, Bewegung, Krafteinsatz oder Spannung des Körpers verantwortlich und die taktile Wahrnehmung für das insbesondere für Kinder so wichtige „begreifen“ im doppelten Sinne des Wortes.
Wie die Sport- und Erziehungswissenschaftlerin zusammenfasste, bietet die Natur „die kreative Nutzung von natürlichen Materialien und Gelegenheiten ohne Anleitung". In der Natur könnten Kinder ihren Grenzen austesten und Selbstwirksamkeit und Freiheit erleben. Zugleich erfordere die Natur aber auch ein Einlassen und Anpassen an die jeweilige Umgebung und die Wetterverhältnisse.
Authentisches Lernen in der Natur versus digitale Erfahrungen?
Abschließend hob Renate Zimmer noch einmal das authentische Lernen in der Natur und das Entdecken und Erforschen der realen Welt von einem zunehmenden digitalen Medienkonsum der Kinder ab. Kritisch interpretierte sie dabei das Bild eines Jungen im Wald, der unter der Überschrift „Kitas digital fit machen“ mit dem Tablet ein Foto macht und räumte emotional ein: „Das Bild hat mich wirklich aufgeregt“.An dieser Stelle brach Moderatorin Gerlinde Schmidt-Hood aber auch eine Lanze für ein „sowohl als auch“, für ein sinnvolles Miteinander und das sich Ergänzen von Naturerfahrungen und dem Einsatz digitaler Medien – beispielsweise zur Dokumentation, zum Benennen von Pflanzen und Tieren, dem Erforschen der Unterwasserwelten mit einer endoskopischen Kamera oder einem digitalen Mikroskop. Wie sich in der Diskussion zeigte, kommt es hier entscheidend auf die pädagogische Zielsetzung der Naturerkundung und im KiTa-Alltag ganz grundsätzlich auf das Primat des Pädagogischen vor der (digitalen) Technik an.
Karsten Herrmann