Wie Medienerziehung von Anfang an gelingen kann

Ob Smartphone, Tablet oder Smart Speaker: Schon die Kleinsten wachsen in einer digitalisierten Welt auf. Sie bekommen früh mit, wie Eltern und Geschwister digitale Geräte nutzen und sind neugierig, selbst zu entdecken. Die Erlebnisse und Erfahrungen mit Medien nehmen Kinder auch in ihren Kitaalltag mit. Wie lässt sich frühkindliche Medienerziehung in Zusammenarbeit zwischen pädagogischen Einrichtungen wie Kitas und Familien gestalten? Dieser zentralen Frage ist das viereinhalbjährige Forschungs- und Praxisprojekt Medienerziehung im Dialog nachgegangen. Über das Projekt, das die Stiftung Digitale Chancen in Kooperation mit der Stiftung Ravensburger Verlag gemeinsam mit zehn Kitas aus Berlin, Brandenburg und Niedersachsen durchgeführt hat, sprachen wir mit Matthias Röck, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt.

  • Worum geht es im Projekt Medienerziehung im Dialog?
Wie der Titel des Projekts nahelegt, liegt der Fokus auf dem Dialog zwischen Kita und Familie. Dieser Austausch ist essenziell, um Kinder beim Aufwachsen in einer digitalen Welt bestmöglich zu begleiten. Nur, wenn Fachkräfte und Eltern Medienerziehung als gemeinsame Aufgabe begreifen, kann diese auch nachhaltig Erfolg haben. Das Elternhaus ist nicht nur der wichtigste Bildungsort der frühen Kindheit, sondern auch der Ort, an dem Kinder am häufigsten mit Medien in Berührung kommen. Eine wichtige Aufgabe der Kita ist es deshalb Eltern bei ihrer häuslichen Mediennutzung zu unterstützten und Kindern die Kompetenzen zu vermitteln, die sie brauchen, um gut und sicher in einer digitalen Gesellschaft aufwachsen zu können.

  • Welche Bedeutung spielen (digitale) Medien im frühkindlichen Alter?
Digitale Medien spielen im familiären Alltag eine immer wichtigere Rolle. Das wird besonders deutlich, wenn wir einen Blick in die aktuelle miniKIM-Studie werfen, die Basisdaten zur Mediennutzung von Kindern im Alter zwischen zwei und fünf Jahren zusammenträgt. Die Studie zeigt, dass Kinder heute zunehmend in Haushalten aufwachsen, in denen es ein sehr breites Repertoire an Mediengeräten gibt, angefangen bei Smartphones, Tablets über Fernsehgeräte, Laptops bis hin zu Spielekonsolen. Kinder sind von Geburt an von Medien umgeben und erleben, wie Erwachsene Medien nutzen. Das beginnt bereits damit, dass von ihnen Babybilder aufgenommen und mit Verwandten und Freunden geteilt werden. Mit zunehmenden Alter nutzen Kinder Medien aber auch selbst, verbringen regelmäßig Zeit mit Bewegtbildangeboten, Hörspielen, Podcast und digitalen Spielen. Entsprechend groß ist auch der Markt digitaler Medienangebote speziell für Kinder.

Kitas, die medienerzieherisch arbeiten, reagieren auf die medialen Veränderungen des Familienalltags, die nicht vor den Türen der Kindertagesstätten Halt machen. Kinder bringen ihre Medienerfahrungen mit in die Kita und verarbeiten sie in der Fantasie und im Spiel, erzählen von den Held:innen ihrer Lieblingsserien oder wünschen sich dementsprechendes Spielzeug. Kitafachkräfte können bereits hier ansetzen und Kinder bei der Verarbeitung ihrer Medienerlebnisse unterstützen und sie an einen kreativ gestalterischen Umgang mit Medien heranführen, bei dem sie nicht nur erste Medienkompetenzen erlangen, sondern auch Selbstwirksamkeitserfahrungen machen können. Die Art und Weise, wie Medien in der pädagogischen Arbeit genutzt werden, unterscheidet sich dabei wesentlich von der konsumorientierten Mediennutzung.

  • Vor welchen Herausforderungen stehen Kitas, wenn es um das Thema Nutzung digitaler Medien geht?
Zunächst einmal besteht eine Herausforderung darin, den Eltern und auch dem Team zu vermitteln, weshalb und mit welchem Ziel medienerzieherisch gearbeitet wird. So verbinden viele Eltern aber auch Fachkräfte mit dem Thema die Vorstellung, dass Kinder vor den Bildschirmen geparkt werden, sich weniger bewegen oder andere Bildungsbereiche vernachlässigt werden. Auch ergeben sich zahlreiche Fragen, was die konzeptuelle Ausgestaltung des Bildungsbereichs, die Auswahl von Geräten oder den Datenschutz angeht. Hier braucht es eine klare Verteilung von Zuständigkeiten und verlässliche Strukturen, um die Herausforderungen, die sich auf dem Weg zur Medienkita stellen, stemmen zu können. Für viele Kitas beginnt dieser Weg meist mit dem Engagement motivierter Einzelpersonen. Das sind Fachkräfte, die sich besonders für das Thema interessieren, die medienaffin sind oder erkannt haben, wie wichtig das Thema heute ist.

Um Medienerziehung nachhaltig in den Kitas zu verankern und die medienpädagogische Arbeit auch den Eltern gegenüber vertreten zu können, bedarf es jedoch der Unterstützung des gesamten Teams. Es ist deshalb wichtig Ängste und Vorbehalte innerhalb des Teams abzubauen und auch kritischen Stimmen Gehör zu schenken. Auch die Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von Medienerziehung und die Klärung gemeinsamer Ziele ist essenziell, damit sich Fachkräfte in ihrem medienpädagogischen Handeln kompetent fühlen und gegenüber den Eltern sicher auftreten können. Es müssen jedoch nicht alle im Team gleichermaßen medienpädagogisch tätig sein. So hat sich in unseren Projektkitas vor allem die Arbeit in medienpädagogischen Fachteams bewährt, die sich der Thematik annehmen, Konzepte ausarbeiten, Geräte, Anwendungen und Materialien recherchieren und das gewonnene Wissen ins Gesamtteam tragen.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, mit den Eltern in einen Dialog zu treten, sie wertschätzend für ihre Vorbildrolle zu sensibilisieren und sie in ihrer häuslichen Mediennutzung zu unterstützen. Unsere Projektkitas haben da ganz unterschiedliche Wege gefunden, um mit Eltern in einen Austausch zu kommen. Dabei hat sich gezeigt, dass sich informelle Austauschformate, wie Eltern-Kind-Nachmittage oder Elterncafés, bei denen die Eltern selbst aktiv werden, meist mehr eignen als frontale Austauschformate, wie z. B. der klassische Elternabend. Beim Thema Datenschutz und Geräteauswahl sind auch die Träger gefragt, den Kitas ausreichend Hilfestellung zu bieten, damit sich diese auf die medienpädagogische Arbeit mit den Kindern konzentrieren zu können.

  • Wie können pädagogische Fachkräfte in Kitas und KindertagespflegeKindertagespflege|||||Kindertagespflege oder Tagespflege umfasst eine zeitweilige Betreuung von Jungen und Mädchen bei Tagesmüttern oder Tagesvätern. Nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz von 2004 ist die Tagespflege neben der Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen eine gleichwertige Form der Kindertagesbetreuung. einrichtungen Kitakinder gut an Medien heranführen?
Indem sie an ihre bestehenden Konzepte anknüpfen und Medienerziehung als eine Querschnittsaufgabe begreifen, die sich mit allen anderen Bildungsbereichen verknüpfen lässt. Zudem ist es empfehlenswert niedrigschwellig einzusteigen und zu identifizieren, was bereits an medienpädagogischer Arbeit in der Kita und an Knowhow im Team vorhanden ist. Ein besonders niedrigschwelliger Einstieg wäre z. B. die Arbeit mit Sprachließen, also kleinen Aufnahmegeräten, die von Kindern besprochen werden können und die man an der Wand anbringen und abspielen kann. Aber auch mit Tablets in speziellen Kinderschutzhüllen können kleine kreative Projekte umgesetzt werden, wie z. B. das Aufnehmen von Bildern auf Spaziergängen und das anschließende Erstellen von Herbst-Collagen. Je nach Ausrichtung des pädagogischen Konzeptes kann auch mit Bee-Bots, also mit kindgerechten Robotern gearbeitet werden, über die Kinder erste Erfahrungen im Programmieren sammeln können.

Wichtig ist, dass es nicht bei einmaligen Aktionen bleibt, sondern, dass die Arbeit mit Medien situativ und zweckbestimmt in den pädagogischen Alltag eingebunden wird. Wenn eine Kita z. B. einen Naturschwerpunkt hat, können die Fachkräfte gemeinsam mit den Kindern über Pflanzenbestimmungsapps oder digitale Mikroskope bei Spaziergängen die Umgebung noch einmal ganz anders erkunden. Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass die Arbeit mit Medien begleitet stattfindet, sich an dem Entwicklungsstand der Kinder orientiert, die Interaktion zwischen Kind und Fachkraft fördert und einem konkreten pädagogischen Ziel dient.

  • Wie kann Medienerziehung gemeinschaftlich gelingen?
Die häusliche Mediennutzung ist für viele Eltern ein sensibles Thema, das mit vielen Unsicherheiten verbunden ist. Die Frage, wie ein kompetenter Umgang mit Medien aussieht und wie man einen solchen Umgang seinen eigenen Kindern vermittelt, stellt Eltern nicht selten vor Herausforderungen. Oftmals besteht ein eher restriktives Verständnis von Medienerziehung, das mehr auf die Begrenzung der Bildschirmzeiten als auf die Vermittlung von Medienkompetenzen abzielt.

Damit Eltern sich trauen, über Probleme und Schwierigkeiten hinsichtlich der häuslichen Mediennutzung zu sprechen, ist eine offene und wertschätzende Haltung seitens der Fachkräfte unerlässlich. Das bedeutet vor allem, dass man die Eltern nicht verurteilt und ihnen nicht mit dem „erhobenen pädagogischen Zeigefinger“ begegnet. Vielmehr sollte es darum gehen, an ihren Bedarfen und Haltungen anzuknüpfen und sie individuell zu unterstützen. Wie bereits erwähnt, erreicht man Eltern am besten über informelle Austauschformate, wie Eltern-Kind-Nachmittage oder Elterncafés. Die lockere Atmosphäre trägt meist dazu bei, dass sich auch ängstliche oder skeptische Eltern öffnen und auch Probleme, die sich bei ihrer häuslichen Mediennutzung ergeben, ansprechen. Um Vorbehalte seitens der Eltern anzubauen, ist es zudem hilfreich die Kinder aktiv in die Austauschformate einzubeziehen. So können die Kinder beispielswiese ihren Eltern zeigen, mit welchen Geräten sie in der Kita abreiten und so als kleine Expert:innen auftreten. Wichtig ist, dass ein Austausch auf Augenhöhe zustande kommt und die Eltern in der Kita eine kompetente Ansprechpartnerin sehen, die ihnen auch bei Problemen zur Seite steht. Auf einer solchen Basis können medienerzieherische Ziel festgelegt und gemeinsam verfolgt werden.

  • Wie können Eltern ihre Kinder bei einem souveränen und selbstbestimmten Umgang mit (digitalen) Medien unterstützen?
Eine wichtige Voraussetzung, um Kinder an einen selbstbestimmten Umgang mit Medien heranzuführen, ist zunächst einmal, dass sich Eltern ihrer eigenen Vorbildrolle bewusst werden. Das geht, indem sie auch mal die Kinderperspektive einnehmen und ihre eigene Mediennutzung reflektieren. Wann und wie werden Medien im Alltag genutzt? Werden Nachrichten und Anrufe immer gleich beantwortet oder gibt es auch Augenblicke und Zeiten, zu denen Medien bewusst nicht oder gezielt genutzt werden?

Die Omnipräsenz digitaler Medien erfordert ein erhöhtes Maß an Reflektion und Eigenverantwortung, auch seitens der Eltern. Kinder lernen am Modell und beziehen ihre Vorstellung davon, welche Alltagspraktiken normal sind, durch die Beobachtung wichtiger Bezugspersonen. Umso wichtiger ist es, dass Kinder eine gezielte und reflektierte Mediennutzung vorgelebt bekommen. Bei der häuslichen Mediennutzung sollte es aber auch darum gehen, gemeinsame Momente zu schaffen. So nehmen Rituale in vielen Familien eine wichtige Rolle ein, wie z. B. das abendliche Sandmann-Gucken. Aber auch das gemeinsame Anschauen von Bildern und Videos, um sich an gemeinsame Erlebnisse oder Urlaube zu erinnern, fördert die Interaktion zwischen Eltern und Kind. Auf diese Weise können Eltern ihre Kinder dabei unterstützen eine gezielte und zweckbestimmte Mediennutzung zu erlernen.

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Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung von
"Gutes Aufwachsen mit Medien"