Zur Begrüßung konstatierte die Wiff-Leiterin Prof. Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin, dass es nicht zuletzt aufgrund des Fachkräftemangels „still geworden ist um das Thema der Akademisierung“. Nach anfänglich enormen Aufwuchs stagnierten die Zahlen der kindheitspädagogischen Studiengänge seit knapp zehn Jahren bei rund 2.500 Absolvent*innen pro Jahr. Mit 2,1 Prozent bildeten die Kindheitspädagog*innen nach wie vor eine „sehr kleine Berufsgruppe“ unter den KiTa-Fachkräften.
Stagnation der Absolvent*innen-Zahlen
Im Auftrag der WiFF hat Prof. Dr. Peer Pasternack, Direktor des Instituts für Hochschulforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, nun die Entwicklung der Disziplin der Kindheitspädagogik unter die Lupe genommen und konstatierte: „Die Kindheitspädagogik ist eine Disziplin im Werden“. Das sei 17 Jahre nach ihrem Entstehen und mit ihren zahlreichen Schnittstellen zu Pädagogik, Psychologie, Soziologie und anderen Disziplinen aber auch keine Überraschung.In der Folge umriss der Sozialwissenschaftler zunächst die zentralen Merkmale einer wissenschaftlichen Disziplin. Im Hinblick auf Forschung seien dies unter anderem:
- Ein Set geteilter Fragestellungen und Forschungsmethoden
- Ein akzeptierter Wissenskorpus
- Standardisiertes Forschungshandeln und fachliche Standards
Im Hinblick auf Rahmen und Organisation zeichne sich eine Disziplin unter anderem aus durch:
- Studiengänge mit vergleichbaren CurriculaCurricula|||||Ein Curriculum ist ein Lehrplan, Modulplan oder Lehrprogramm, das Aussagen über Lehrziele und Ablauf des Lehr- Lern – Arrangement gibt und auf einer Didaktik aufbaut.
- Außerwissenschaftliche Berufsrollen und entsprechende Nachfrage
- Spezifische akademische Karrierestrukturen
- Akademische und professionelle Fachgesellschaften
Auf dem Weg zur Profession
In einer kompakten Feldanalyse hat Peer Pasternack mit seinem Team nun diese Merkmale mit dem Stand der Kindheitspädagogik abgeglichen. Durchgesetzt habe sich so beispielsweise eine einheitliche Berufsbezeichnung und in Arbeit sei die Homogenisierung der Studiengänge. Als quasi Fachgesellschaften könnten die DGfE-Kommission Pädagogik der frühen Kindheit und der Studiengangstag Pädagogik der Kindheit gelten. Die Wissenschafts-Praxis-Vernetzung finde durch die Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Entwicklung in der Kindheit (BAG-BEK) statt. Noch unklar sei die durchgängige Umsetzung des Forschungsbezugs in den Studiengängen und die Verknüpfung mit bzw. die Abgrenzung von der Sozialen Arbeit.Wie Peer Pasternack weiter ausführte, bestehe die wissenschaftliche Community aktuell aus 135 Professor*innen mit einschlägiger Denomination. Die DGeF-Kommission sei dynamisch auf 384 Mitglieder gewachsen und in ihrer Nachwuchsorganisation seien 150 Nachwuchs-Wissenschaftler*innen aktiv. Die schwer exakt zu eruierende Zahl der Promovenden liege bei 150 – 200. Als relativ gering sei mit nur 20 Prozent die Übergangquote vom Bachelor ins Masterstudium anzusehen. Im Kern der wissenschaftlichen Community stünden, so Peer Pastenack, mit entsprechenden kontinuierlichen Forschungsergebnissen und Veröffentlichungen rund 30 Professor*innen.
Nachholbedarf gegenüber der Schulbildung
Im Vergleich zur Schulbildung und der Anzahl der jeweiligen Klient*innen sah der Sozialwissenschaftler die Kindheitspädagogik und die entsprechende Forschungsleistung deutlich unterentwickelt - was nicht zuletzt auch an ihrer starken Verankerung an den praxisorientierten HAWK’s liege. Um hier gleichzuziehen, müsste es 352 Universitäts-Professor*innen oder sage und schreibe 1056 HAK-Professor*innen der Kindheitspädagogik geben.Entsprechend der geringeren Forschungsleistung konstatierte Peer Pasternack im Feld der Kindheitspädagogik auch noch ein breites Spektrum marginalisierter Themen – von der Nutzung institutionalisierter Bildungs- und Betreuungsangebote über Geschlecht und DiversityDiversity|||||Im Deutschen wird der Begriff auch auch als Vielfalt benutzt und meint besonders, dass soziale Vielfalt konstruktiv genutzt wird. Im Diversity Management wird besonders auf eine positive Wertschätzung der individuellen Verschiedenheit eingegangen, um eine produktive Gesamtatmosphäre zu erreichen. bis zur Digitalisierung oder Bildung für nachhaltige Entwicklung.
Ein Fragezeichen musste Peer Pasternack abschließend auch hinter die Frage setzen, ob eine Verankerung der Berufsrolle in der KiTa-Praxis und eine entsprechende Professionsbildung gelingen wird. Dafür müsste das Thema der Akademisierung und ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden. aber wohl erst wieder auf der bildungspolitischen Agenda nach oben rücken und darf nicht weiterhin vom Fachkräftemangel und entsprechenden Notlösungen überlagert werden.
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BAG-BEK-Broschüre Kindheitspädagog*innen im Arbeitsfeld KiTa
Karsten Herrmann