Wie können KiTa-Leitung und ihre Teams den seit nun über einem Jahr anhaltenden Herausforderungen durch die Corona-Pandemie begegnen und dabei zugleich gesund und leistungsfähig bleiben? Antworten auf diese Frage leitete Dr. Katrin Lattner im Rahmen der kostenlosen Zoom-Vortragsreihe „KiTa in Corona-Zeiten“ aus einer von ihr durchgeführten Studie ab. Vorab fragten die nifbe-Moderatorinnen Gerlinde Schmidt-Hood und Michaela Kruse die rund 250 Teilnehmer*innen nach ihren Strategien und bekamen ein breites Spektrum genannt: Von Ruhe bewahren, Lachen oder Humor reichte es über Optimismus und Austausch mit anderen Menschen bis zum Sport und guten Essen – und beinhaltete damit auch schon einige entscheidende ResilienzResilienz|||||Resilienz kann als "seelische Widerstandsfähigkeit" verstanden werden mit der Fähigkeit Krisen zu meistern und diese als Anlass für Selbstentwicklungen zu nutzen. In der Resilienzförderung geht es speziell darum die Widerstandsfähigkeit von Kindern und Erwachsenen in belasteten und risikobehafteten Lebenssituationen durch schützende Faktoren zu entwicklen, zu ermutigen und zu stärken. Ein verwandter Begriff ist der der Salutogenese. faktoren.

"Nicht vorhersehbare Anforderungskrise"

Zum Auftakt ihres Vortrag umriss Katrin Lattner noch einmal kurz die Ausgangslage von KiTas, die mir der Aufgabentrias von Bildung, Betreuung und Erziehung ein „hochkomplexes Anforderungsprofil“ zu erfüllen habe, in dem Wissen, Haltung und Können zusammen fließen müssten. Durch Corona seien Leitung und Fachkräfte unter „massiven Handlungsdruck“ geraten und hätten ohne Vorbereitung auf einen Modus des Krisen-Managements und der Krisen-Kommunikation umschalten müssen. Dies sei eine klassische „nicht vorhersehbare Anforderungskrise“ gewesen, mit der „Kontrollverlust, Verunsicherung und Ungewissheit“ verbunden gewesen seien.

In ihrer qualitativen Studie hat die Kindheitspädagogin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Leipzig nun 26 Fach- und Leitungskräfte aus 21 KiTas in Form von leitfadengestützten Interviews im Hinblick auf ihre Erfahrungen und ihren Umgang mit der Krise befragt.

In den Teams konnte sie einerseits solche mit „positiver Atmosphäre“ und einer Grundhaltung der Gelassenheit und Ruhe ausmachen sowie solche mit „negativer Atmosphäre“ und einer Grundhaltung aus Angst, Unsicherheit und Ärger. In anderen eher positiv ausgerichteten Teams fielen nur einzelne Mitarbeiter*innen durch große Ängste und Unsicherheiten auf.

Diverse Spannungsfelder

Aus der Befragung kristallisierten sich eine Reihe von Spannungsfeldern mit ganz unterschiedlichen Bewertungen der Befragten heraus - von der schlechten oder guten Unterstützung durch den Träger über die belastete oder verständnisvolle Kommunikation mit den Eltern bis hin zur Einschätzung der aktuellen Arbeitssituation als „relativ entspannt“ oder „so stressig wie nie“.

KiTa-Leitungen haben, so Katrin Lattner, grundsätzlich vor der Herausforderung gestanden trotz der eigenen Unsicherheiten und Ängste Gelassenheit und Sicherheit auszustrahlen und ihre Teams, Eltern und Kinder zu beruhigen. Sie mussten sich mit „unklaren Verordnungen“ herumschlagen und als „nicht sinnhaft“ empfundene Maßnahmen umsetzen. Beklagt wurden die Kurzfristigkeit der neuen Verordnungen, die regelmäßig erst am Freitagsnachmittag für die neue Woche eintrafen, sowie ein hoher Aufwand durch starke Bürokratisierung. Zusätzlich kam ein Widerspruch der Verordnungen und Infektionsschutzmaßnahmen zum pädagogischen Selbstverständnis der KiTa-Leitungen und Teams hinzu.

Mit welchen Ressourcen konnten diese zahlreichen Anforderungs- und Umsetzungsprobleme oder Dilemmata nun bewältigt werden? Hier führte Katrin Lattner insbesondere die „Emotionale Kompetenz“, die „Sozial-kommunikative Kompetenz“, die „Fachlichkeit“ sowie die „Praxiserfahrung“ an. Starke KiTa-Leitungen hätten sich ausgezeichnet durch:
  • Gelassenheit, innere Ruhe und Selbststeuerung
  • Zuversicht, Optimismus, Selbstwirksamkeit
  • Organisations-Fähigkeit
  • Strukturieren, Priorisieren und Zielorientierung
  • Wissensmanagement

"Positiver Bewertungsstil" als zentraler Resilienzfaktor

Als zentralen individuellen Resilienz-Faktor hob Katrin Lattner einen „positiven Bewertungsstil“ sowie für die Team-Resilienz „Improvisation“, „Flexibilität“ und „Anpassung“ heraus. Mit diesen Eigenschaften konnte die Corona-Pandemie nicht so sehr als Bedrohung, sondern vielmehr als „Wachstumschance“ gesehen werden.

Wie sich in der anschließenden Diskussion mit den Teilnehmer*innen zeigte, wird die Aufrechterhaltung der Resilienzfaktoren mit zunehmender Dauer der Corona-Pandemie allerdings immer schwieriger. Zu Anfang einer Krise, so Katrin Lattner, würden alle Energien mobilisiert, aber dieses Level können nicht auf Dauer aufrechterhalten werden – zumal viele Fachkräfte zuhause zusätzlich durch Kinderbetreuung und Homeschooling belastet seien. Entsprechend, so die Rückmeldungen einiger Diskussionsteilnehmer*innen, scheinen jetzt auch die Krankmeldungen von Fachkräften und Leitungen deutlich zuzunehmen.
An diesem Punkt wies Katrin Lattner auf der strukturellen Ebene auch auf die Bedeutung von Unterstützungssystemen bzw. -Netzwerken sowie funktionierenden Kommunikationswegen hin. Hier sei in erster Linie der Träger und die Fachberatung z.B. für die „Übersetzung“ von Verordnungen oder auch ganz praktische Hilfen wie Arbeitsvorlagen gefragt. Daneben seien aber auch Leitungsrunden und Vernetzungen zu anderen Einrichtungen und Dienstleistern wichtig. In diesem Sinne gilt es sich schon jetzt auf die nächste „nicht vorhersehbare Anforderungskrise“ vorzubereiten.

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Karsten Herrmann