41LbUR13uQL. SY264 BO1204203200 QL40 ML2 Wie geht man in der KiTa oder zuhause mit der Wut und den Aggressionen von Kindern um? Wie kann man Situationen entschärfen, vor denen man oft hilflos steht und aus immer wieder kehrenden Teufelskreisen „Engelskreise“ machen? Dies zeigt Kathrin Hohmann in ihrem Buch „Gemeinsam durch die Wut“ ebenso praxisnah wie wissenschaftlich fundiert auf.

Gleich zu Beginn unterstreicht die Kindheitspädagogin und ehemalige Kindergartenleiterin, dass der konstruktive Umgang mit Wut und Aggression eine Frage der achtsamen Haltung ist und einer bewussten Entscheidung gegen Gewalt bedarf. Ihr erklärtes „Ziel ist es, Gelassenheit zu spüren und Selbstregulation zu erlangen.“

In der Folge zeigt die Autorin die sozialen Bewertungen und entwicklungspsychologischen Hintergründe von Emotionen wie Wut und Aggression sowie dahinter stehende Bedürfnisse auf. Sie stellt klar, dass Erwachsene diese Gefühle bei Kindern nicht ablehnen sollten, denn das „Unterdrücken von starken Gefühlen kann ihre emotionale Gesundheit gefährden.“ Jeder Mensch müsse lernen „seine Gefühle wahrzunehmen, zu erkennen und zu verstehen, was er braucht. Sperren wir sie ein, unterdrücken wir wichtige Gefühle und verlieren den Kontakt zu uns selbst“.

Die Botschaft hinter dem Verhalten

Für Erwachsene sei es in Konfliktsituationen entscheidend, „das Verhalten eines Kindes nicht als Angriff zu sehen, sondern als eine Botschaft“ – in diesem Sinne stecke hinter jedem Wutanfall und jeder Aggression eines Kindes immer ein Grund und ein Bedürfnis. Zielführend sei es daher, „feinfühlig, offen und wertfrei in einen kommunikativen Prozess [zu] treten und die kindlichen Bedürfnisse und Gefühle [zu] übersetzen“.

Entwicklungspsychologisch führt Kathrin Hohmann aus, ab wann Kinder zu Perspektivübernahme und Empathie (Theory of Mind) in der Lage sind und geht ausführlich auf die herausfordernde und gerne so benannte „Trotzphase“ ein: Denn ab dem zweiten Lebensjahr entdecken Kinder ihren eigenen Willen und bauen schrittweise ihre Selbständigkeit und Autonomie aus. In dieser Phase fühlten Kinder durch eine Verweigerung oder Unterbrechung ihrer Aktivitäten sich „nicht nur gestört und unglücklich, sondern oftmals ohnmächtig und wütend“ – und bräuchten grade dann entsprechende feinfühlige Begleitung und Unterstützung der Erwachsenen.

Grundsätzlich sei es für Kinder entscheidend, Selbstwirksamkeit zu erfahren und zu erlangen und „Am Besten kann ein Kind Selbstwirksamkeit […] in einer vertrauensvollen Umgebung und Beziehung aufbauen. Bestärkend sind Menschen, die es spüren lassen: Ich glaube an dich und vertraue in deine Fähigkeiten“.

Von der Selbstregulation zur Co-Regulation

Um feinfühlig, offen und wertfrei auf Wut und Aggression von Kindern reagieren zu können und sie zu co-regulieren braucht es aber zunächst einmal die Fähigkeit der Erwachsenen zur Selbstregulation, zur Steuerung der eigenen Impulse und Emotionen. Dafür, so Kathrin Hohmann, ist es wichtig sich aktiv mit seinen eigenen und oftmals noch aus der Kindheit stammenden „Schemata“, Triggerpunkten oder Stressoren auseinander zu setzen: „Mit etwas Übung und Reflexion kann es uns als Menschen gelingen, aus diesen alten Mustern auszubrechen“ und sich neue Reaktions- und Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen. Sie unterstreicht: Nicht, was ein anderer Mensch tue, mache uns wütend, „sondern unsere eigenen Bewertungen des Verhaltens“.

In diesem Sinne zeigt die Autorin methodische Wege auf, die eigene Selbstregulation zu verbessern und im Alltag in der Folge eine entsprechende kompetente Haltung zu entwickeln. In einem zweiten Schritt werden dann Herangehensweisen für die Co-Regulation von Kindern und für einen konstruktiven Dialog mit ihnen aufgezeigt – unter anderem mit der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg.

„Gemeinsam durch die Wut“ ist ein mit viel Herzblut und persönlicher Überzeugung geschriebenes Buch für einen gewaltfreien und konstruktiven Umgang mit Kindern in Konfliktsituationen. Die Leser*innen werden persönlich mit „du“ angesprochen und die Autorin erzählt auch von den eigenen Erfahrungen und Zwickmühlen. Das Buch ist locker und mit vielen Heraushebungen gestaltet und angereichert mit Praxisbeispielen, Merksätzen und Reflexionsfragen sowie sehr ansprechenden Grafiken. Das Buch eignet sich so gleichermaßen für Pädagogische Fachkräfte im Kontext KiTa und Tagespflege wie auch für Eltern als praxisnaher Wegweiser und es ist in überzeugender Weise von einer Haltung des grundsätzlich achtsamen Umgangs mit Kindern getragen.

  • Kathrin Hohmann: Gemeinsam durch die Wut: Wie ein achtsamer Umgang mit kindlichen Aggressionen die Beziehung stärkt. edition claus, 252 S., 19 Euro

Karsten Herrmann