Die Corona-Krise belastet Fachkräfte, Kinder und ihre Eltern gleichermaßen und fordert ihre psychische Widerstandskraft oder auch ResilienzResilienz|||||Resilienz kann als "seelische Widerstandsfähigkeit" verstanden werden mit der Fähigkeit Krisen zu meistern und diese als Anlass für Selbstentwicklungen zu nutzen. In der Resilienzförderung geht es speziell darum die Widerstandsfähigkeit von Kindern und Erwachsenen in belasteten und risikobehafteten Lebenssituationen durch schützende Faktoren zu entwicklen, zu ermutigen und zu stärken. Ein verwandter Begriff ist der der Salutogenese.  heraus. Was ist diese Resilienz aber genau und wie kann sie in einer Krisensituation gezielt gestärkt werden? Und wie können Erwachsenen den Kindern Sicherheit vermitteln, auch wenn sie selbst erschüttert und belastet sind? Diese Fragen erläuterte Anne Kuhnert im Rahmen der kostenlosen digitalen nifbe-Vortragsreihe „KiTa in Corona-Zeiten“.

Gleich zu Beginn der mit 500 Teilnehmer*innen komplett ausgebuchten und von den nifbe-Transfermanager*innen Inga Doll und Sandra Köper-Jocksch moderierten Veranstaltung war dann auch gleich die Resilienz der Referentin gefragt – bis eine Minute vor Beginn des Vortrags war bei ihr zuhause in Berlin das Internet ausgefallen und als sie dann endlich online war, konnte sie auch gleich ein Grundfaktor der Resilienz vor Augen führen: „Wir müssen an Krisen positiv herangehen und optimistisch bleiben“ unterstrich sie und wirkte dabei ganz entspannt.

"Die Kraft ein Kaktus zu sein"

In der Folge führte Anne Kuhnert zunächst aus, was unter Resilienz oder „der Kraft ein Kaktus zu sein“ zu verstehen ist. Seinen Ursprung hat der Begriff in der Materialforschung und wird unter anderem als „psychische Widerstandskraft bzw. Fähigkeit schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen“ umschrieben. Es geht darum, in stressreichen, frustrierenden, schwierigen oder belastenden Situationen angemessen und flexibel zu reagieren und diese Fähigkeit kann tendenziell auch erlernt und trainiert werden. Wie Anne Kuhnert ergänzte, trägt das Überstehen von Krisensituationen auch die Dimension einer inneren Weiterentwicklung und Stärkung in sich – so wie zum Beispiel beim (gelungenen) Übergang der Kinder von der KiTa in die Grundschule. Allerdings, so die erfahrenen Weiterbildnerin, könne es bei aller Bedeutung der ressourcenorientierten Resilienz nicht nur um die individuelle Stärkung von Kindern oder auch Erwachsenen gehen, sondern es komme auch gesellschaftlich darauf an „Risikosituationen und Barrieren abzubauen“.

Die Säulen der Resilienz

Anhand der Modelle von Jutta Heller und der APA, der Vereinigung der amerikanischen Psychologen, stellte Anne Kuhnert die Säulen der Resilienz vor. Neben dem gleich zu Beginn des Vortrags angesprochenen Faktor „Optimismus“ sind dies unter anderem „positive Selbstwahrnehmung“, „Akzeptanz“, „Zukunftsplanung“ oder auch „Selbstreflexion“. Die Säulen stellen damit eine Mischung dar aus Persönlichkeitsmerkmalen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen und die Liste der APA bietet in seiner Ausdifferenzierung einige konkrete Handlungsempfehlungen bzw. Ansatzpunkte.
Seiten aus Vortrag Anne Kuhnert Resilienz und Denkmuster in Krisenzeiten 2

An dem „Bounce Back“ und „Bounce Forward“-Modell von Florian Roth griff Anne Kuhnert die bereits zu Anfang angerissene Dimension der (Weiter-) Entwicklung in Krisensituationen auf. In einer Phase der Erschütterung könne es so nicht nur zu einer Rückbesinnung, sondern auch zu einem „Sprung nach vorne“ mit neuen Ideen, Strategien und Innovationen gehen – so auch zum Beispiel mit der rasanten Entwicklung der digitalen Kommunikations- und Weiterbildungsmöglichkeiten in der Corona-Krise. „Die Krise gibt Gelegenheit wie mit einem Brennglas auf gewohnte oder auch problematische Dinge zu schauen und neue kreative Lösungen zu finden“ resümierte Anne Kuhnert.

Zentrale Schutzfaktoren in der Entwicklung

Im Rückgriff auf die Forschungen der Entwicklungspsychologin Emmy Werner und ihrer Langzeitstudie an 700 Kindern auf Hawai führte Anne Kuhnert entscheidende Schutzfaktoren für die Ausbildung von Resilienz aus. Zentral ist demnach eine feste emotionale Bindung an mindestens eine erwachsene Bezugsperson, ein positives Selbstbild sowie die gesellschaftliche Unterstützung und der Halt von außen. Wie Emmy Werner herausgefunden hat, entfalten Schutzfaktoren ihre Wirkung „in einem Prozess, in welchem sie die kindlichen Reaktionen gegenüber einer Stress-Situation oder länger dauernden belastenden Lebensumständen abpufferten oder verbesserten, so dass die Anpassung des Kindes erfolgreicher war, als sie es bei Abwesenheit dieser protektiven Faktoren gewesen wäre“.

Auf die KiTa und die pädagogische Arbeit von Fachkräften runtergebrochen, zeigen sich folgende zentrale Bereiche für die Stärkung der Widerstandskraft:

Seiten aus Vortrag Anne Kuhnert Resilienz und Denkmuster in Krisenzeiten

Kinder, so Anne Kuhnert, bräuchten in erster Linie die „Fähigkeit, ihre Gedanken und Gefühle wahrzunehmen und zu benennen, eine Selbstwirksamkeitsüberzeugung und vielfache Gelegenheiten zu inklusiven sozialen Interaktionen wie auch Konfliktlösungen“.

Balance halten auf der "Ambivalenzachse"

Zum Abschluss ihres Vortrags beleuchtete Anne Kuhnert dann noch die „Ambivalenzachse“: Wie können Fackkräfte bei eigener Erschütterung und Unsicherheit den Kindern Sicherheit vermitteln? Wie kann der Spagat zwischen eigenem Erleben und professionellem Handeln gelingen? Auch hier gilt letztlich, was Kindern bei der Entwicklung von Resilienz hilft:
  • Die Unterstützung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung und Handlungsfähigkeit („Ich kann etwas tun!“)
  • die bewusste Gestaltung von positiven Beziehungen
  • das Annehmen von Hilfe oder auch die Bitte darum
  • Reflexion und Perspektivwechsel (über Austausch und feedback)
  • Das Etablieren eigener Netzwerke innerhalb und außerhalb der Organisation und das „Thinking outside the box)
Und hierzu ergänzend legte Anne Kuhnert den Teilnehmer*innen noch nahe in Krisensituationen wie der gegenwärtigen Corona-Pandemie „nicht die Geduld zu verlieren, fehlerfreundlich mit sich und anderen zu sein sowie auch mal den 'Mut zur Lücke‘ zu zeigen".

Karsten Herrmann


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Zur Aufzeichnung des Vortrags: