- und dämpft zugleich die Hoffnung auf schnelle Verbesserungen im System KiTa


Auf einer zweiten KiTa-Online-Kundgebung hat ver.di jetzt den beim ersten Mal aufgrund von technischen Problemen ausgefallenen Austausch mit Niedersachsens Kultusminister Grant-Hendrik Tonne nachgeholt und ihm einen dringenden Handlungsbedarf im System KiTa aufgezeigt.

Zur Einführung schilderten Katja Wigelewski und Sylvia Milsch von ver.di so eine nicht zuletzt aufgrund von Corona „immer schwieriger werdende Situation in den KiTas“. Seit Jahren würden die Anforderungen an die Fachkräfte steigen und die Rahmenbedingungen nicht verbessert. Zusammen mit einem akuten Fachkräftemangel „ist jetzt die Belastungsgrenze erreicht und bei vielen schon überschritten“. In diesem Sinne stellte ver.di seine durch 15.000 Unterschriften untermauerte Forderungen auf: „Nie allein in der Gruppe“, „Bessere Personalschlüssel“, „Mehr Zeit für unmittelbare pädagogische Arbeit“, „Vorbereitungszeit für Leitungstätigkeit“ und „Bezahlte Ausbildung“.

An der Belastungsgrenze 

In der Folge schilderten Fachkräfte eindringlich ihre Arbeitssituation vor und während der Corona-Pandemie. Derzeit müssten sie einen „großen Spagat“ machen zwischen Infektionsschutz und widersprüchlichen Verordnungen, den Eltern, Kindern sowie ihren eigenen pädagogischen Ansprüchen. In vielen KiTas könnte der Betrieb nur noch aufrechterhalten werden, weil ständig gegen Gesetze und Verordnungen verstoßen werde. Auf wenig Verständnis traf hier auch die Entscheidung des Landes, die verpflichtende 3. Fachkraft in Krippen um fünf Jahre zu verschieben. „Das System KiTa ist heruntergewirtschaftet und ich möchte jetzt Taten sehen“ - so brachte eine Erzieherin den geballten Unmut über die derzeitige Situation auf den Punkt.

Kultusminister Grant-Hendrik Tonne beschrieb in seiner Entgegnung eine komplexe Gemengelage mit einem massiven Ausbau der KiTa-Plätze auf der einen Seite und den Forderungen nach einem besseren Personalschlüssel, mehr Verfügungszeit und einer vergüteten Ausbildung auf der anderen Seite. Erschwert werde diese Lage noch durch den Fachkräftemangel und die Auswirkungen der Corona-Pandemie. „Die nächsten Jahre“, so Tonne, „werden alles andere als ein Zuckerschlecken“.

Qualitätsstandards sollen erhalten bleiben

Grundsätzlich bekräftige Tonne aber den Anspruch, die hohen Qualitätsstandards und damit den DQRDQR|||||Der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen soll umfassende, bildungsbereichsübergreifende Kompetenzen, die in Deutschland erworbenen wurden, erfassen. Als nationale Realisierung des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) soll er die Besonderheiten des deutschen Bildungssystems berücksichtigen und zur angemessenen Bewertung und Vergleichbarkeit deutscher Qualifikationen in Europa beitragen. Zunächst sollen formale Qualifikationen des deutschen Bildungssystems in den Bereichen Schule, Berufliche Bildung, Hochschulbildung und Weiterbildung einbezogen werden. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. In weiteren Schritten werden die informellen und nonformalen Kompetenzen ebenfalls berücksichtigt. 6-Level in der Erzieher*innen-Ausbildung aufrechtzuerhalten. Mit der „Richtlinie Qualität“ sei das Land auch einen ersten Schritt in Richtung bezahlte Ausbildung gegangen, der jetzt ausgewertet werden solle. Eine grundsätzlich bezahlte Ausbildung würde dem Land allerdings jährlich 160 Millionen Euro kosten. Als attraktive  Alternative zur bezahlen Ausbildung wertete er das neue Aufstiegs-Bafög mit bis zu 1.400 Euro monatlich für eine vollzeitschulische Erzieher*innen-Ausbildung.

Im Hinblick auf die durch zahlreiche zusätzliche Anforderungen wie Beobachtung, Dokumentation, Elternarbeit oder sozialräumliche Vernetzung dringend notwendige Erhöhung der Verfügungszeit wies der Kultusminister darauf hin, dass das Land den Trägern schon jetzt mehr als die gesetzlich vorgeschriebene Verfügungszeit refinanziere.

Bessere Personalschlüssel nicht in Sicht

Eine zentrale Rolle nahm in der Diskussion ein besserer Personalschlüssel und das aus Sicht der Praxis fatale Signal einer Verschiebung der gesetzlich verankerten dritten Krippen-Kraft ein. „Wir verheizen gerade unser junges engagierte Personal“ schrieb eine KiTa-Leiterin und Elke Alsago von ver.di wies darauf hin, dass 25 Prozent der Berufsanfänger nach fünf Jahren das Arbeitsfeld KiTa wieder verlassen. Ein verbesserter Personalschlüssel sei auch entscheidend für die zukünftige Fachkräftegewinnung.

Grant-Hendrik Tonne entgegnete, dass zwar die gesetzliche Verankerung verschoben sei, dass das Land aber weiterhin die dritte Krippen-Kraft finanziere – soweit diese Stellen angesichts des Fachkräftemangels besetzt werden können. Weitere Maßnahmen zur Verbesserung des Personalschlüssel seien über die Richtlinie Qualität möglich und hier komme es darauf an, die Finanzierungsgrundlage – nämlich das „Gute KiTa“-Gesetz des Bundes – zu verstetigen.

An dieser Stelle wurde von den Teilnehmer*innen vehement ein „Masterplan für die frühkindliche Bildung“ und „eine verlässliche Perspektive statt Finanzierung nach Haushaltslage“ eingefordert. Kultusminister Tonne spielte den Ball hier jedoch elegant weiter und forderte seinerseits „eine nachhaltige und strukturell bessere
Finanzierung des KiTa-Systems über die Bundesebene“. Hierfür brachte er auch eine „Steuer für Bildung“ oder einen „Bildungssoli“ ins Gespräch.

Corona verschärft die Lage

Zum Abschluss der Diskussion rückte noch einmal das Thema Corona und der aktuelle Arbeits- und Gesundheitsschutz der Fachkräfte in den Vordergrund. Unverständnis wurde aus der Praxis darüber geäußert, dass hier gravierende Unterschiede zwischen Schulen und KiTas gemacht würden: „Schulklassen werden geteilt, KiTa-Gruppen bleiben voll“ hieß es so beispielsweise oder „Schulen bekommen Millionen extra wegen Corona, KiTas nichts“. Kultusminister Tonne wies hier einerseits auf unterschiedliche rechtliche Zuständigkeiten für den Schul- und KiTa-Bereich und andererseits auf den vom Land vorgelegten Rahmenhygieneplan hin. Nach derzeitigen Erkenntnissen sei die Infektionsgefahr von Kindern und durch Kinder auch eher gering und Infektionen würden eher durch die Erwachsenen in die KiTa getragen. Tonne zeigte aber großes Verständnis für die Sorgen der Fachkräfte um ihre Gesundheit und stellte heraus, dass diese in der Teststrategie des Landes eine prioritäre Rolle spielen.

Ernüchternde Bilanz

Im Ergebnis lieferte die „2. Kita-Online-Kundgebung“ von ver.di eine eher ernüchternde Bilanz. Kultusminister Grant-Hendrik Tonne wollte und konnte ausdrücklich keine konkreten Versprechungen machen und hinterließ letztlich wenig Hoffnung auf große Sprünge und eine schnelle Verbesserung der Lage im System KiTa. Hinweise darauf lieferte auch die jetzt vorliegende Entwurfsfassung für ein neues KiTaG, in der keine konkreten Verbesserungen im Hinblick auf Personalschlüssel oder Verfügungszeit verankert sind und die von den Teilnehmer*innen der Veranstaltung entsprechend mit Enttäuschung quittiert wurde.

Karsten Herrmann