„Aber im Moment geht es eher darum irgendwie die Betreuung abzusichern, also mit Bildung hat das gerade gar nicht mehr viel zu tun [...].“

Mit Sätzen wie diesem beschreiben Expert*innen in einer parallel zum Ländermonitor Frühkindliche Bildung erschienenen Studie die aktuelle Situation in deutschen KiTas. Pädagogisch Tätige unterstreichen hier den täglich zu vollbringenden „Spagat“ zwischen professionellen Ansprüchen und verfügbaren Ressourcen. An der von der Fernuniversität Hagen durchgeführten Studie „Professionelles Handeln im System. Perspektiven pädagogischer Akteur*innen auf die Personalsituation in Kindertageseinrichtungen“ (HiSKiTa) haben 128 Leitungen, Fachberatungen und pädagogische Fachkräfte mitgewirkt. Sie finden deutliche Worte, mit denen sie auf die angespannte Lage in KiTas aufmerksam machen: Bildung bleibt hier aktuell oft auf der Strecke.
 

Reduzierung der Arbeit auf die Aufsichtspflicht

Zum Beispiel berichten die Befragten, dass sich ihr Fokus durch Personalmangel oft auf die Erfüllung der Aufsichtspflicht reduziert. Entsprechend schwindet der Raum für Bildungsprozesse. Den individuellen Bedürfnissen der Kinder und ihrem Entwicklungsstand kann infolge von Hektik und Druck nicht ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt werden. „In dieser Situation geraten das einzelne Kind und seine Bedürfnisse schnell aus dem Blick“, fassen Dr. Lena Rosenkranz und Dr. Stefan Klusemann aus dem Lehrgebiet Empirische Bildungsforschung zusammen.

Gleichzeitig lenken die Befragten die Aufmerksamkeit auch auf die Konsequenzen, die sich für Kinder, Eltern, Fachkräfte, aber auch unsere Gesellschaft insgesamt, ergeben. Die KiTa-Akteure, die sich in der Studie zu Wort gemeldet haben, bestätigen, dass sie dem Bildungsanspruch unter den gegebenen personellen Strukturen häufig nicht mehr gerecht werden können. Dies sei oftmals noch nicht einmal mit den gesetzlich definierten Personalressourcen zu leisten. Hinzu kommen aber noch weitere Erschwernisse wie unbesetzte Stellen oder unzureichend qualifizierte Beschäftigte.


Vor dem Hintergrund, dass KiTas einen gesetzlichen Bildungsauftrag zu erfüllen haben, sind die aktuellen Befunde hoch brisant. Chancengerechtigkeit für alle Kinder braucht professionelle frühkindliche Bildungssysteme, die über ausreichende personelle und zeitliche Ressourcen verfügen. Die gesetzlichen Regelungen müssen so ausgestaltet sein, dass sie jeder KiTa die Erfüllung dieses Bildungsauftrages ermöglichen. Es ist notwendig, dass wissenschaftliche Standards, wie sie für den FBBE-Bereich seit vielen Jahren vorliegen, als Maßstab für die Bemessung der für Betreuung, Erziehung und Bildung notwendigen Personalkapazitäten herangezogen werden.

Werden professionelle Rahmenbedingungen frühpädagogischen Arbeitens untergraben oder fehlen sie gar, können Kindeswohlgefährdungen begünstigt werden, und auch das Wohl der KiTa- Fachkräfte steht auf dem Spiel. Auch darauf weisen die Befunde der hier vorliegenden Studie hin.

Engagement geht oftmals über die persönlichen Grenzen hinaus

Eindrucksvoll schildern die Fachkräfte ihre Bemühungen, dem Bildungsversprechen der KiTa gerecht zu werden – oftmals, indem sie über ihre eigenen (auch gesundheitlichen) Grenzen hinausgehen. In und mit ihren Teams versuchen sie einen Spagat, um ihrem professionellen Anspruch unter gleichzeitig schwierigen Arbeitsbedingungen gerecht zu werden. Die Sicherung professioneller Handlungsfähigkeit durch persönliches und kollegiales Engagement ist ihnen hoch anzurechnen, kann und darf jedoch keine dauerhafte und alleinige Lösung sein, um strukturelle Missstände in der Personalsituation abzubauen.

Die HiSKiTa-Studie ist eingebettet in das Projekt FachkräfteZOOM, mit dem die Bertelsmann-Stiftung es uns auf die Fahne geschrieben hat, nicht über, sondern mit den Fachkräften zu sprechen. Mit dem FachkräfteZOOM sollen die Bedarfe und Bedürfnisse der KiTa-Fachkräfte transparent gemacht werden, um die Stimme der Praxis als gleichwertige Perspektive in den aktuellen DiskursDiskurs|||||Der Begriff Diskurs kann verschiedene Bedeutungen haben, wurde ursprünglich jedoch als  „hin und her gehendes Gespräch“ verwendet. Weitere Bedeutungen sind: theoretische Erörterung, systematische, methodische Abhandlung, gesellschaftliche Auseinandersetzung, Erörterung. Sinnverwandt sind auch Debatte, Diskussion, Disput.  um ‚gute‘ Kita-Qualität einzubringen.

Zum Download der Studie


Quelle: Bertelsmann-Stiftung / Fernuniversität Hagen