Bamberger Pädagoginnen befragen Familien mit kleinen Kindern und Kita-Fachkräfte. Jetzt gibt es erste Ergebnisse.

Seit Kitas wegen des Coronavirus geschlossen sind, hat sich das Leben von Familien mit kleinen Kindern in Deutschland stark verändert. Wie wirkt sich die Schließzeit auf den Familienalltag und die Arbeitssituation der Kita-Fachkräfte aus? Das untersucht der Lehrstuhl für Elementar- und Familienpädagogik der Universität Bamberg. Zwischenergebnisse der Studie liegen jetzt vor. Die Wissenschaftlerinnen haben unter anderem herausgefunden: Von den Familien, die ihre Kinder bisher in Kitas untergebracht haben, nimmt etwa jede zehnte die Notbetreuung in Anspruch. Positiv finden viele Befragte, dass sie mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Für die meisten ist es aber besonders herausfordernd, Beruf und Familie zu vereinen.

„Es ist gut, dass viele Kitas Kontakt zu den Familien halten, da die frühpädagogischen Fachkräfte wichtige Ansprechpartner und Vertrauenspersonen für die Familien und Kinder sind, und sie in dieser schwierigen Zeit unterstützen. Viele Familien wünschen sich Tipps und Anregungen für Aktivitäten zu Hause“, bemerkt Lehrstuhlinhaberin Prof. Dr. Yvonne Anders, die das Forschungsprojekt mit Dr. Franziska Cohen und Dr. Elisa Oppermann durchführt. Es besteht aus zwei Teilstudien: Familien-Studie und Kita-Studie. Bis zum 24. Mai können interessierte Eltern und Fachkräfte weiterhin an den Befragungen teilnehmen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf erste Zwischenergebnisse.

Was Eltern von Kita-Schließungen halten

Die Familien-Studie befragt Familien mit Kindern, die regulär eine Kinderbetreuungseinrichtung besuchen. Bis zum 22. April 2020 nahmen 3.191 Eltern an der Befragung teil, davon 80 Prozent Frauen und sechs Prozent Alleinerziehende. Sie stammen aus allen Bundesländern. Am stärksten sind Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Berlin vertreten. Vor Corona-Zeiten ließen 97 Prozent der Eltern ihre Kinder betreuen und 81 Prozent waren erwerbstätig. Nun arbeiten noch 66 Prozent in Voll- oder Teilzeit, rund zwei Drittel davon im Homeoffice. Neun Prozent geben ihre Kinder in eine Betreuungseinrichtung, überwiegend Eltern in sogenannten systemrelevanten Berufen.

Viele Eltern finden es positiv, dass sie mehr Zeit für ihre Kinder (85 Prozent) und ihre Familie (80 Prozent) haben. Andererseits gibt es auch negative Auswirkungen: Eltern sind oft am Ende ihrer Kräfte (66 Prozent), finden die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besonders herausfordernd (85 Prozent) und fühlen sich häufig gestresst (73 Prozent). Nahezu allen (94 Prozent) fehlt der Kontakt zu Verwandten und Freunden. Yvonne Anders erläutert: „Auffällig ist, dass Eltern die positiven Auswirkungen unabhängig von Erwerbstätigkeit, finanziellen Problemen oder Familienstand berichten. Anders bei den negativen Auswirkungen: Erwerbstätige Eltern im Homeoffice und Eltern mit finanziellen Problemen stimmen häufiger der Aussage zu, oft am Ende ihrer Kräfte zu sein.“

Empfehlungen für Eltern

Die Ergebnisse seien laut Yvonne Anders nicht überraschend: „Fehlende Strukturen im Alltag und kaum vorhandene Ausweichmöglichkeiten können das Konfliktpotential in der Familie erhöhen. Dies bringt für Familien ein hohes Belastungspotential mit sich und ist für alle Familien ein ernstzunehmendes Problem.“ Entweder werden Eltern von Erwerbsarbeit abgehalten und laufen Gefahr, in finanzielle Engpässe zu kommen. Oder sie können sich nicht mit gleicher Kraft und Konzentration Arbeit und Kindern widmen. Yvonne Anders empfiehlt daher: „Eltern sollten sich Zustände von Überlastung eingestehen und versuchen, Unterstützungsmöglichkeiten und Beratungsangebote zu nutzen.“ Auch die Politik sei gefordert, diesen Familien Unterstützung zu bieten, zum Beispiel durch finanzielle Unterstützung zur Kompensation der Kinderbetreuung. Und es sollten Konzepte entstehen, wie man Familien erreichen und unterstützen könnte, in denen die Probleme zu schweren Konflikten und Eskalationen führen.

Ein weiteres vorläufiges Ergebnis der Familien-Studie: Die Hälfte der Eltern wünscht sich von Kitas Hinweise zur Förderung ihres Kindes, etwa Beschäftigungsideen. „Wünschenswert wäre hier zum Beispiel die Organisation eines (digitalen) Austauschs mit anderen Kindern und Familien, Anregungen zur Förderung der sprachlichen Entwicklung, Reime, Lieder oder auch Bastelanleitungen“, schlägt Yvonne Anders vor. Denn: „Vor allem Kinder, die zu Hause eine andere Familiensprache als Deutsch sprechen, laufen Gefahr in ihrer deutschsprachlichen Entwicklung zurückzufallen, wenn über Monate kaum Kontakt zur deutschen Sprache hergestellt wird.“

Wie Kita-Fachkräfte die Arbeitssituation beurteilen

Knapp 80 Prozent der Eltern haben Kontakt zur Kita, was sie überwiegend positiv bewerten. Umgekehrt geben auch mehr als 80 Prozent der Fachkräfte an, dass sie zu den Eltern Kontakt aufgenommen haben – eine Zahl, die aus der Kita-Studie stammt. 3.030 Fachkräfte nahmen bis zum 22. April 2020 an der Befragung zu ihrer aktuellen Arbeitssituation teil, davon 95 Prozent Frauen. Sie stammen aus allen Bundesländern, vorwiegend aus Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen. Von ihnen ist ein Drittel in Notbetreuungen tätig, ein Viertel im Homeoffice und 15 Prozent in ihrer Einrichtung ohne direkten Kontakt zu Kindern. 40 Prozent der Fachkräfte betreuen zu Hause eigene Kinder.

„Gerade die Fachkräfte, die im Homeoffice arbeiten müssen, weil sie beispielsweise selbst zur Risikogruppe gehören, können sich unter anderem dem wichtigen Feld der Elternzusammenarbeit widmen“, erläutert Yvonne Anders. „Die Fachkräfte benötigen an dieser Stelle aber umfassende fachliche Unterstützung, da es sich auch für sie um ein neues Aufgabenfeld in einer besonderen Situation handelt.“ Ihre aktuelle Arbeitssituation empfinden etwa 45 Prozent der Fachkräfte als sinnvoll. 84 Prozent befürworten, Kitas zu schließen, um das Virus einzudämmen.

Weitere Informationen zu den Befragungen finden Sie unter:
www.uni-bamberg.de/efp/forschung/laufend/situation-von-fruehpaedagogischen-fachkraeften-und-familien-mit-kita-kindern-in-der-corona-zeit
 
Quelle: Otto-Friedrich-Universität Bamberg