Petition im Wortlaut:
In Niedersachsen gibt es bundesweit den mit Abstand höchsten Anteil an Plätzen in heilpädagogischen Kindergärten. Von deutschlandweit insgesamt 6500 Plätzen in Sondereinrichtungen befinden sich über 4300 in Niedersachsen. Immer noch besuchen hier 46,2 % der Kinder mit Förderbedarf eine heilpädagogische Kita. Bundesweit liegt die Quote bei 7,8 %.[1] Vielerorts werden Kinder mit Taxis in weit entfernte Sondereinrichtungen gefahren, weil es keine Integrationsplätze gibt. In Niedersachsen haben Kinder mit Behinderung immer noch kein Recht auf den Besuch einer integrativen Einrichtung.Für die Förderung eines Kindes mit Behinderung durch heilpädagogische Fachkräfte in einer Kita wird eine Eingliederungshilfe gezahlt. Wenn ein Kind mit Behinderung eine Integrationsgruppe besucht, ist dieser Betrag jedoch oft deutlich niedriger als in einem heilpädagogischen Kindergarten.
Eltern müssen eine gleichwertige Förderung einklagen und bekommen nach einem langwierigen Verfahren auch Recht. Aber nur wenige wagen diesen Schritt. In Zeiten von Inklusion darf das nicht so sein.
Zur Mitzeichnung der Petition von Mittendrin e.V.
Zur Begründung der Petition:
Niedersachsen bekennt sich zur UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Im Aktionsplan Inklusion 2017/18 heißt es: „Das Recht auf Bildung für Menschen mit Behinderungen können die Staaten gemäß UN-BRK am besten mit einem inklusiven Bildungssystem verwirklichen. Dabei ist Inklusion Pflicht für alle Ebenen der Bildung.“ Dies schließt ein, dass jedes Kind mit Behinderung einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz des „allgemeinen Bildungssystems“ hat und dort ausreichend Unterstützung erhält, um Teilhabe und Partizipation sicherzustellen.Bei der Bemessung von Leistungen zur Teilhabe an Bildung wird jedoch in Niedersachsen immer noch mit zweierlei Maß gemessen. Die Pauschalen für den Besuch in einer Kita sind niedriger als in einer heilpädagogischen Kita.
Ein Beispiel: Für ein Kind mit frühkindlichem Autismus erhält eine Sondereinrichtung 3.020,28 €/Monat. Wird das gleiche Kind im Rahmen einer Einzelintegration betreut, werden monatlich nur 1.536,72 €/Monat gezahlt, in der Integrationsgruppe ist es nur geringfügig mehr, je nach tatsächlichen Personalkosten der Heilpädagogin. Wenn das Kind nun eine Einrichtung besucht, die ausschließlich Kinder mit Autismus aufnimmt und die autismusspezifische Therapie anbietet, werden monatlich sogar bis zu 5.500 € gezahlt.
Die Mittel für die Förderung der Kinder bzw. für das notwendige Personal sind unterschiedlich hoch, das wirkt sich direkt auf den Umfang und die Qualität der Förderung und Teilhabeunterstützung aus. Wir halten das für nicht hinnehmbar: Hier wird Inklusion strukturell behindert.
Das Sozialministerium stellt die Gleichwertigkeit der Leistungen fest: „Die heilpädagogische Förderung in der Einzelintegration dient dem gleichen Zweck wie die Förderung in einem Sonderkindergarten für Kinder mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung. Diese Leistungen in der Einzelintegration bzw. in einem Sonderkindergarten sind gleichartig und gleichermaßen bedarfsdeckend.“[2]
Zur Begründung der finanziellen Ungleichbehandlung gibt es hingegen keine Informationen. Wir fordern die Landesregierung auf, den Rechtsanspruch auf einen integrativen Kindergartenplatz in § 12 des KitaG aufzunehmen. Seit Ratifizierung der UN-BRK gilt er faktisch und ist im Landesgesetz nicht festgeschrieben.
Wir fordern eine bedarfsgerechte Eingliederungshilfe an jedem Lernort, wie es das Bundesteilhabegesetz vorsieht - mindestens aber, die Pauschalen der Landesrahmenverträge analog auch den integrativ arbeitenden Gruppen zuzuweisen.
Anmerkungen:
[1] Siehe: www.laendermonitor.de VERGLEICH | Bundesländer-DatenKinder und Eltern: Teilhabe sichern InklusionKinder mit Eingliederungshilfe in KiTas nach Betreuungsform
[2] Siehe: www.soziales.niedersachsen.de Einzelintegration im Regelkindergarten
Quelle: Mittendrin e.V.
Lesetipp zum Thema:
Stolpersteine auf dem Weg zur Inklusion