Die Kita-Qualität verbessert sich, die Unterschiede zwischen den Ländern bleiben enorm. Wie groß das Gefälle zwischen und innerhalb der Bundesländer ist, zeigt der neue Ländermonitor frühkindliche Bildungssysteme. Für faire Bildungschancen und gleichwertige Lebensverhältnisse braucht es bundeseinheitliche Standards und eine dauerhafte sowie ausreichende Finanzbeteiligung des Bundes.

Die Qualität von Kitas hat sich – gemessen an den Personalschlüsseln und der Leitungsausstattung – im bundesweiten Mittel in den vergangenen Jahren verbessert. Am 1. März 2012 war eine pädagogische Fachkraft in Krippen rein rechnerisch noch für 4,8 ganztagsbetreute Kinder zuständig, am 1. März 2017 waren es 4,3 Kinder. In Kindergartengruppen verantworteten Erzieherinnen und Erzieher 2012 die Förderung von 9,8 Kindern, im Jahr 2017 waren es nur noch 9,1 Kinder. Merklich verbessert hat sich auch der Anteil der Kitas, die über Personalressourcen für die Einrichtungsleitung verfügen. Demnach gaben 2014 noch 17 Prozent der Kitas an, keine Zeit für Leitungsaufgaben zu haben, 2017 waren es nur rund elf Prozent. Gleichzeitig stieg die Zahl der betreuten unter Dreijährigen zwischen 2012 und 2017 um 36 Prozent.
 

Immense Qualitätsunterschiede

Trotz des quantitativen und qualitativen Ausbaus in den vergangenen Jahren bleiben die immensen Qualitätsunterschiede zwischen den Bundesländern bestehen – besonders im Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland. So kamen im Osten 2012 6,4 Kinder auf eine Krippenfachkraft, im Westen hingegen 3,9. Fünf Jahre später waren es in den neuen Bundesländern durchschnittlich 6,0 Kinder, im Westen 3,6. Nicht anders sieht es in den Kindergärten aus: Während in Ostdeutschland im Jahr 2012 12,8 Kinder auf eine Erzieherin kamen, waren es im Westen 9,2 Kinder. Fünf Jahre später waren es im Osten 11,9 und im Westen 8,4 Kindergartenkinder. Die Zahlen müssen allerdings vor dem Hintergrund gewertet werden, dass in Ostdeutschland traditionell deutlich mehr Kinder unter drei Jahren in Krippen betreut werden. Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, fasst die Ergebnisse zusammen: „Die Kita-Qualität hat sich bundesweit verbessert – die Kluft zwischen Ost- und Westdeutschland ist allerdings geblieben.“ Zudem stagniere seit zwei Jahren die Ausbaudynamik. Seit 2015 hat sich in elf Bundesländern im Krippenbereich der Personalschlüssel nicht weiter verbessert.

Fokus Niedersachsen

In Niedersachsen wurden laut Ländermonitor zum Stichtag 01.03.2017 in 5.243 Kitas rund 50.000 Kinder unter drei Jahren und gut 217.000 Kinder ab 3 Jahren von 52.500 pädagogischen Fachkräften betreut. Unter drei Jahren lag die Bildungsbeteiligung dabei bei 23 Prozent und bei den 3-6jährigen bei 92 Prozent. Der Personlschlüssel in Krippengruppen liegt bei 1 : 3,8 und in Kindergartengruppen bei 1:8,2. In Niedersachsen steht in 16,5 Prozent der KiTas keine gesonderte Zeit für Leitung zur Verfügung. In den übrigen KiTas liegt der Durchschnitt für Leitungszeit bei 2,1 Stunden pro Pädagogisch Tätiger.

Für den Qualitätsausbau entsprechend der von der Bertelsmann-Stiftung empfohlenen Leitungsausstattung und Personalschlüssel in Krippen und Kindergärten würden in Niedersachsen rund 250 Millionen Euro zu Buche schlagen und knapp 5.000 zusätzliche pädagogische Fachkräfte in Vollzeit benöltigt. Die Zahlen für Niedersachsen auf einen Blick hat die Bertelsmann-Stiftung auf einem Plakat zusammengefasst (Download).

Ohne Nachbesserung verschärft das Gute-Kita-Gesetz die Qualitätskluft

Die Bundesregierung will mit dem Gute-Kita-Gesetz die Qualität der Einrichtungen verbessern und gleichwertige Lebensverhältnisse herstellen. Genau das scheint der aktuelle Gesetzesentwurf allerdings nicht einzulösen. Es drohe, so Dräger, eine Verschärfung der Situation. Das Gesetz sähe zwar eine Vielzahl von Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung vor, definiere allerdings keine bundeseinheitlichen Standards. Dräger fordert die Bundesregierung deshalb auf, nachzubessern. „Ohne bundesweit einheitliche und gesetzlich geregelte Standards bleibt der Flickenteppich bei der Kita-Qualität.“

Die derzeit geplante Verteilung der Bundesmittel im Gute-Kita-Gesetz über das Finanzausgleichsgesetz berücksichtigt nicht die Zahl der betreuten Kinder. Dadurch werden jene Länder mit vielen Kindern in Kitas und Kindertagespflege benachteiligt, traditionell Ostdeutschland. Die Bertelsmann Stiftung schlägt deshalb vor, die Bundesmittel gemessen an der Anzahl der Kinder in Kindertagesbetreuung zu verteilen. Die ostdeutschen Länder würden danach 2021 und 2022 jährlich 449 Millionen Euro erhalten. Damit würden rund 14 Prozent des jährlichen Finanzbedarfs für bessere Personalschlüssel und Leitungsausstattung abgedeckt. „Gerade die ostdeutschen Länder brauchen mehr finanzielle Mittel, um bei der Kita-Qualität aufzuholen“, sagt Dräger.

Bundesweite Standards in Bund-Länder-Vereinbarungen verankern

Bund und Länder sollten sich in den anstehenden Verhandlungen, so Dräger, „auf eine Verbesserung der Personalschlüssel und Leitungsausstattung konzentrieren.“ Nur so ließen sich bundesweit einheitliche Bildungschancen und faire Arbeitsbedingungen für die Fachkräfte unabhängig vom Wohnort erreichen. Den Fokus auf die Beitragsfreiheit zu richten, wie es derzeit viele Bundesländer tun, hält Dräger „für ein falsches Signal.“ Er mahnt deshalb: „Die Qualität der Kitas leidet unter der Beitragsfreiheit.“ Die bereits für den Qualitätsausbau zu geringen Mittel des Bundes sollten nicht für eine Abschaffung von Kitabeiträgen eingesetzt werden, sondern vielmehr für eine Befreiung der Familien unterhalb der Armutsrisikogrenze.

Für 2021 und 2022 ist eine jährliche Zuwendung des Bundes von rund zwei Milliarden Euro vorgesehen. Um allerdings einen qualitativ hochwertigen Ausbau der Kitas zu stemmen, sind jährlich insgesamt 8,7 Milliarden Euro nötig. Zudem besteht ab 2023 keine gesicherte Bundesfinanzierung. Dies lässt offen, ob sich die Bundesländer überhaupt dauerhaft auf eine Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen verpflichten oder die Mittel eher in kurzfristige Maßnahmen investieren. Dräger sieht den Bund in der Pflicht, die Finanzzusagen langfristig zu sichern. „Die Länder brauchen eine dauerhafte und auskömmliche finanzielle Perspektive, um die Kita-Qualität zu verbessern.“


Zusatzinformationen

Grundlage des jährlich aktualisierten Ländermonitorings Frühkindliche Bildungssysteme sind Auswertungen von Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik und weiteren amtlichen Statistiken. Stichtag für die Datenerhebung war der 1. März 2017. Die Berechnungen wurden von der Bertelsmann Stiftung durchgeführt. Die aktuellen Daten und Fakten zu den frühkindlichen Bildungssystemen mit den Länderprofilen finden Sie unter www.laendermonitor.de. Zu den Länderprofilen für jedes Bundesland gelangen Sie über www.laendermonitor.de/laenderprofile. Zuletzt hat die Bertelsmann Stiftung die Kosten für eine komplette Beitragsfreiheit im ElternZOOM 2018 berechnet.


Personalschlüssel und Leitungsaustattung
Der Personalschlüssel sowie die Leitungsausstattung sind zwei zentrale strukturelle Qualitätsmerkmale von Kitas. Nach Empfehlung der Bertelsmann Stiftung sind für eine gute Kita auch Standards für berufsbegleitende Beratung sowie Aus-, Fort- und Weiterbildung der Fachkräfte und eine gute Mittagsverpflegung wichtig. Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt für eine kindgerechte frühkindliche Bildung in Krippen einen Personalschlüssel von 1 zu 3 und in Kindergärten von 1 zu 7,5. Für eine angemessene Leitungsausstattung wird für jede Einrichtung eine Grundausstattung von 20 Wochenstunden plus 0,35 Stunden pro rechnerisch ganztagsbetreuten Kind empfohlen. Auf Basis dieser Standards sind die erforderlichen Mittel für den Qualitätsausbau berechnet worden.

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Quelle: Presseinfo Bertelsmann-Stiftung / Redaktion