Wie Prof. Dr. Bernhard Kalicki vom DJI in seinem Grußwort heraushob, „ist Kindheit und das entsprechende Bild vom Kind immer sozial konstruiert“ und hier gebe es einen schleichenden Wandel über die Generationen hinweg. Grundlegend für die ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden. pädagogischer Fachkräfte sei es, diesen Wandel stetig zu reflektieren und mit dem eigenen Bild vom Kind abzugleichen.
In Beziehung zueinander Welt gestalten
Mit starkem Bezug zu Annedore Prengel und ihrer WiFF-Expertise Bildungsteilhabe und Partizipation in Kindertageseinrichtungen führte WIFF-Leiterin Prof. Dr. Anke König vertiefend in das Thema ein. Als rechtlichen Rahmen für die Inklusion und die entsprechende Verpflichtung zu Partizipation und Teilhabe aller Kinder verwies sie auf die UN-Kinderrechts- und Behindertenkonvention. Hier seien einerseits das Recht der Kinder als eigenständige Subjekte und Akteure auf ihre Persönlichkeitsentwicklung und Autonomie und andererseits auf ihre soziale Integration verankert. König unterstrich dabei einen „weiten Inklusionsbegriff“, der nicht nur auf Kinder mit Behinderungen abziele, sondern die verschiedenen individuellen, kulturellen und sozio-ökonomischen Heterogenitätsdimensionen berücksichtige. KiTas als „zentrale Orte des Aufwachsens“ müssten sich dieser Herausforderung stellen und in ihrer Pädagogik von den pluralen Lebensformen der Kinder ausgehen.Im Rekurs auf anthropologische Erkenntnisse und die Philosophin Hanna Ahrend resümierte sie: „Wir müssen der Wirkmacht der Kinder, ihren Zeigegesten und der damit verbundenen Intention folgen und so ihre Autonomie anerkennen.“ So werde eine soziale Perspektive eingenommen und in dialogisch entwickelten Interaktionsprozessen entstehe intersubjektiv geteiltes Wissen: „Erst in der Beziehung zueinander gestalten wir Welt“ fasste sie zusammen. Unter diesen Prämissen bedeute Partizipation das „Teilnehmen“ und „Teilhaben“ und damit die „Möglichkeit der Kindern in ihren Lebens- und Lernzusammenhängen Einfluss zu nehmen.“
"Arenen der Mitbestimmung öffnen"
In einem großen „World-Café“ diskutierten die aus den verschiedenen Ebenen der Frühkindlichen Bildung stammenden KongressteilnehmerInnen dann zunächst die Frage, was gute Partizipation ausmache bzw. welche Stolpersteine ihr entgegenstehen. In einem weiteren Durchgang fanden sich jeweils die VertreterInnen der verschiedenen Ebenen von der KiTa über Fachberatung, Träger, Weiterbildung, Ausbildung und Hochschule bis zur Steuerung zusammen und diskutierten, was sie jeweils zur Realisierung der Partizipation beitragen könnten.In den Diskussionsrunden wurde deutlich, dass Partizipation nicht auf das System KiTa reduziert werden können, sondern in einem systemischen und letztlich gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang gesehen werden müsse. Wie sollten so z.B. frisch ausgebildete ErzieherInnen in der KiTa die Partizipation vorbildhaft leben und umsetzen, wenn sie diese selber in der Ausbildung nicht erfahren haben? In diesem Sinne, so einhellige Meinung, müssten auf allen Ebenen „Arenen für Mitbestimmung und dialogischen Austausch“ eröffnet und die Vernetzung verstärkt werden.
Haltung und (Selbst-) Reflexion als zentrale Voraussetzung
Grundsätzlich wurde von allen Ebenen die Bedeutung der Haltung und der (Selbst-) Reflexion hervorgehoben. Auf der individuellen und kulturellen Ebene müssten pädagogische Fachkräfte und das Team sich intensiv mit ihrer eigenen Biographie, ihrem Bild vom Kind und dem Stand der Partizipationskultur in ihrer Organisationen auseinandersetzen. Strukturell müssten dafür Räume für die (Selbst-) Reflexion geschaffen und auch entsprechende finanzielle Ressourcen z.B. für Supervision oder Coaching zur Verfügung gestellt werden. Nur so könnten pädagogische Fachkräfte eine „Vorbildfunktion“ für Partizipation und eine dialogische Grundhaltung einnehmen und auch die Fähigkeit zum „Perspektivwechsel“ entwickeln.Zur Ethik pädagogischer Beziehungen
In sieben Workshop-Sessions konnten sich die TeilnehmerInnen nach dem World-Cafe näher mit Forschungsergebnissen und Ansätzen rund um die Partizipation in KiTa, Aus- und Weiterbildung oder auch auf der Trägerebene informieren und auseinandersetzen. In einer Session stellte Ursula Winklhofer vom DJI gemeinsam mit Anke König die „Reckahner Reflexionen“ und die daraus formulierte Ethik pädagogischer Beziehungen vor. Grundsätzlich unterstrich Ursula Winklhofer gute pädagogische Beziehungen als „das Fundament von Leben, Lernen und demokratischer Sozialisation“ und damit auch für Partizipation und Inklusion. Während körperliche Verletzungen spätestens im Zuge des in Deutschland im Jahre 2000 formulierten „Rechts auf gewaltfreie Erziehung“ in pädagogischen Settings eine Ausnahme darstellten, „kommen seelische Verletzungen zu oft vor und werden zu wenig beachtet“. Empirische Grundlage für diese Aussage bildeten die im Rahmen des Projektnetzes INTAKT seit 2002 gesammelten und ausgewerteten 12.000 Feldvignetten zu sozialen Interaktionen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern in KiTa und Grundschule. Demnach waren in den (beobachteten!) pädagogischen Interaktionen 20 Prozent leicht bis stark verletzend. Vor diesem Hintergrund wurden von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe die „Reckahner Reflexionen“ mit zehn ethischen Leitlinien für pädagogische Interaktionen und gute Beziehungen formuliert: Kernelemente sind hier:- Kinder wertschätzend ansprechen und behandeln; Kinder nicht diskriminierend, respektlos, demütigend oder übergriffig behandeln
- Anleitung zur Selbstachtung der Kinder und Anerkennung der anderen
Das inklusive Potenzial des Spiels
Zum Abschluss der Tagung beleuchtete Prof. Dr. Ulrich Heimelich die „Partizipation und Teilhabe im freien Spiel“. Mit Verweis auf aktuelle kindliche Spielwelten rund um Barbie, Smartphone und Nintendo warnte er davor, das Spiel zu romantisieren und konstatierte, dass es bis heute „keine schlüssige Definition des Spiels gibt“. Zentrale Merkmale seien aber ohne Zweifel die Intrinsische Motivation, die Phantasie und die Selbstkontrolle. Über das Spiel werde die kindliche Entwicklung und die Entfaltung der kindlichen Individualität ganz wesentlich vorangetrieben und „daher gehört das Spiel in den Mittelpunkt pädagogischer Konzeptionen“.Wie Heimlich weiter ausführte, müssten inklusive Spielsituationen in Peergroups nicht nur das „Teilhaben“ aller Kinder, sondern auch das „Beitragen“ aller Kinder ermöglichen. Faktoren für inklusive Spielsituationen seien „Spielraum“, „Spielmittel“, „Spielthema“ und „Spielzeit“. Da Spielsituationen in Peergroups nicht automatisch inklusiv seinen, brauche es dabei auch der (vorsichtigen) Unterstützung, der „geführten Partizipation“ von pädagogischen Fachkräften. Dafür müssten die Fachkräfte sich aber zunächst „in das Spiel der Kinder hineinversetzen und die Interaktionsregeln begreifen“. Als wichtig hob Heimlich auch die systematische Beobachtung und Dokumentation von Spielen zum Beispiel durch Spieltagesbücher, Spielprotokolle oder auch eine Spielkooperationsskala heraus. Abschließend hob Heimlich noch einmal das „Spiel in Peergroups als Motor der Entwicklung“ heraus und sprach dem Spiel generell ein „hohes inklusives Potenzial“ zu.
Karsten Herrmann
Fotos: WiFF/Fotografin: Sabine Münch
Fotos: WiFF/Fotografin: Sabine Münch