Wie können ErzieherInnen im Alltag lange fit und gesund bleiben?
Dass „Kinderlärm“ so laut wie ein Rasenmäher ist, hat im Volksmund inzwischen die Runde gemacht. Nicht selten klagen Anwohner von Kitas und Spielplätzen gegen diese vor Gericht auf Grund von Lautstärke. Wie hoch die psychischen und physischen Belastungen am Arbeitsplatz Kita wirklich sind und wie Mitarbeiterinnen von Kindertagesstätten aktiv ihre Gesundheit fördern können untersuchten von 2010 bis 2012 MitarbeiterInnen der Alice –Salomon-Hochschule Berlin in nordrhein-westfälischen Kitas (STEGE-Studie).
STEGE-Studie als Grundlage
In ihrer Veröffentlichung „Arbeitsplatz Kita - Belastungen erkennen, Gesundheit fördern“ stellen Susanne Viernickel, Anja Voss und Elvira Mauz ausführlich die Ergebnisse der STEGE-Studie dar, die auch aus Mitteln der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung gefördert wurde. Das Buch umfasst rund 220 Seiten und ist bei Beltz Juventa erschienen.
Die AutorInnen beschreiben zunächst den Arbeitsplatz Kita sowie die Gesundheit der Fachkräfte unter Berücksichtigung der Veränderungen der letzten Jahre. Dabei nehmen sie Bezug auf andere Berufsgruppen und weitere Studien und statistische Daten z.B. von Krankenkassen. Im 3. Kapitel wird – wie bei Studien üblich- die Forschungsfrage und das Studiendesign erläutert. Im folgenden Kapitel werden dann die erhobenen Strukturdaten der Kitas wie Träger, Größe, Öffnungszeiten u.ä. dargestellt. Danach wird auf Gesundheit und Krankheit von pädagogischem Personal eingegangen. Untersucht wurden also rein sächliche Gegebenheiten der Arbeitsumgebung genauso wie persönliche Faktoren und eigenes Gesundheitsverhalten der KollegInnen. Im abschließenden Kapitel sowohl das Erkennen von Belastungen als auch gesundheitsfördernde Maßnahmen beschrieben.
Je schlechter die Arbeitsbedingungen, desto kränker die Fachkräfte
Alarmierend ist, dass Kita-Fachkräfte nicht nur über die „üblichen Zipperlein“ wie Rückenschmerzen klagen, sondern auch über Müdigkeit, Mattigkeit, Grübelei, Schlafstörungen und Reizbarkeit. Mit dem Altern nehmen die Beschwerden oft noch zu. Weiterhin sind Leitungen häufiger betroffen, als die Fachkräfte, sie haben somit ein höheres Risiko für ein „Burn-Out“. In Kitas mit allgemein schlechten Rahmenbedingungen ist das Risiko zu erkranken doppelt so hoch, wie in Kitas mit guter räumlicher und personeller Ausstattung, mit kompetenter Leitung und gutem Team.Das Buch endet mit 12 Eckpunkten eines betrieblichen Gesundheitsmanagements, die auch als Forderungen an alle Beteiligten zu verstehen sind, sowie einem beispielhaften Evaluationsbogen für Einrichtungen (auch online verfügbar).
Fazit und Ausblick
Das vorliegende Buch ist nicht nur eine rein wissenschaftliche Publikation, sondern gut geeignet für LeserInnen, die weniger Erfahrung mit wissenschaftlichen Texten haben, da die AutorInnen auf optische Gestaltungsmerkmale wie blau hinterlegte Kästchen mit Zusammenfassungen zurückgreifen.Ein weiteres Gestaltungselement sind unterschiedliche Schriftfarben. In rot sind belastende Aspekte gedruckt, in grau neutrale und in grün hilfreiche und gesundheitsfördernde Faktoren. So erschließen sich dem Lesenden die wichtigsten Aussagen schnell und einprägsam. Der Verlag bietet zudem zusätzlich Online-Materialen an, mit der eine Fachberatung oder Kita-Leitung weiter arbeiten kann.
Insidern – nicht nur aus dem Arbeitsfeld Kita, auch aus anderen sozialen Berufen- werden viele Ergebnisse bekannt vorkommen: Mangelnde Ausstattung, ein schlechter Personalschlüssel und Lärm sind nicht gesundheitsfördernd! Ein sicherer Arbeitsplatz, große Eigenverantwortlichkeit, Vertrauen, gute Kommunikation sowie Fortbildung und Supervision dagegen tragen viel zur persönlichen Gesundheit bei. Ebenso viel wie ein guter Stuhl, ein Wickeltisch in der richtigen Höhe und Schallschutzmaßnahmen im Gebäude im Alltag allen Beteiligten helfen. Der Unterscheid ist nun, dass es auch wissenschaftlich untersucht ist.
Die AutorInnen weisen darauf hin, dass oftmals zügiger kleine Maßnahmen umgesetzt werden können. Somit können Leitungen und ErziehrInnen auch selber im Alltag erste Schritte einleiten. Laut der Studie nehmen aber nur sehr wenige Kitas -und Träger-dafür professionelle Beratung in Anspruch. Nicht zu unterschätzen sind insbesondere psychologische Faktoren, die den Fachkräften das Gefühl geben, dass Arbeit und Wertschätzung, und damit ist nicht nur das Gehalt gemeint, im Gleichgewicht sind.
Für alles andere sind meist noch ein langer Atem und Durchhaltevermögen bei Verhandlungen mit Trägern und Kommunen gefragt. Auch der Personalschlüssel liegt nicht in der Verantwortung der Beteiligten, sondern bei politischen Akteuren. Diese gilt es weiter stetig dafür zu sensibilisieren, dass gute Bildung, Betreuung und Erziehung der Jüngsten nicht auf Kosten der Gesundheit von Fachkräften und auch nicht ohne Anstrengung aller Beteiligten zu haben ist.
- Susanne Viernickel / Anja Voss / Elvira Mauz: Arbeitsplatz Kita. Belastungen erkennen, Gesundheit fördern. Mit Online-Materialien. Beltz Juventa, 202 S., 16,95 Euro
Iris Hofmann