

"Musterbeispiel an Empathie und Menschlichkeit"

Auch angesichts zunehmend kritischer werdender Töne unterstrich er im Rückblick auf die Bewältigung der sogenannten „Füchtlingskrise“: „Wir sollten auf dieses unglaubliche bürgerschaftliche Engagement und dieses Musterbeispiel an Empathie und Menschlichkeit stolz sein“. Noch heute würden mehr Menschen den geflüchteten Menschen helfen als die AFD wählen.
Zur Integration seien die deutsche Sprache und das „Vermitteln von unseren Werten, Regeln und Gesetzen“ von entscheidender Bedeutung. Eine „vorbildhafte Rolle“ könnten dabei Sport, Spiel und Bewegung einnehmen. Dies habe er selber schon in den 1960er Jahren als kleiner Junge im Osnabrücker Stadtteil Schinkel erfahren, in den viele türkische, spanische und italienische Gastarbeiter gekommen seien und deren Kinder sich gemeinsam mit den deutschen auf dem Fußballplatz zum „völkerverbindenden Bolzen“ trafen.
"Im Spiel zur Sprache kommen"
Hieran anknüpfend führte Prof. Dr. Renate Zimmer in ihrem Eröffnungsvortrag „die Potenziale von Bewegung, Spiel und Sport für die soziokulturelle Integration von Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung“ aus. Mit diesen Ansätzen könnten Sprach- und Kulturgrenzen überwunden werden und die Kinder und Jugendlichen aus der erzwungenen Passivität in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften entfliehen. Die im nifbe entwickelten Konzepte zur bewegten Sprachförderung böten hier die Möglichkeit, „in einer positiv und aktiv gestalteten Situation die deutsche Sprache quasi nebenbei zu lernen“.„Im Spiel zur Sprache kommen“ sei auch das Ziel von niedrigschwelligen Spiel- und Vorleseangeboten für Kinder und deren Eltern in der Osnabrücker Erstaufnahmeeinrichtung. Hier würden mit Sing- und Fingerspielen oder Bilderbüchern erste positive Erfahrungen mit der deutschen Sprache vermittelt und Sicherheit und Orientierung geboten. „Aber zuallererst dürfen Kinder hier einfach wieder Kinder sein“ unterstrich Zimmer.
„Mit unseren Angeboten“, so Zimmer, „wollen wir in erster Linie die Hilflosigkeit und ‚doppelte Sprachlosigkeit‘ der Kinder und Jugendlichen mit Fluchterfahrungen überwinden und ihnen Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglichen“. Es komme darauf an, die „vielfältigen Potenziale und Ressourcen zu erkennen und zu nutzen“. Beispielhaft konnten die TagungsteilnehmerInnen dieses an einem Kurzfilm über Amro Alhaida nachvollziehen, der auf dem Landweg aus Syrien geflohen war und für den es nach seiner Ankunft im Osnabrücker Flüchtlingshaus lange Zeit „keinen Grund gab aufzustehen, keinen Grund gab rauszugehen“. Dann nahm er an einem SMOF-Sportangebot teil und lernte dabei auch schnell die deutsche Sprache. Heute leitet er eine Ballsportgruppe des SMOF und macht seinen Übungsleiterschein, „um in Bewegungs- und Sportangeboten anderen Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrungen das zurückzugeben, was ich bekommen habe.“
Sicherheit bieten, Ressourcen aufbauen

Wie Eckert weiter ausführte, mache Traumapädagogik im Grunde das aus, was jede gute Pädagogik ausmache: Ein sicherer Ort, Bindung und Beziehung, Selbstwirksamkeitserfahrungen und Ressourcenaufbau. Psychomotorische Interventionen ermöglichten dabei einen „vitalen körperlichen Ausdruck“, „symbolische Inszenierungen“ wie das kreative Bauen und Zerstören von (Papp-) Häusern und „Selbstermächtigung“. Wichtig sei hier die „spiegelnde und haltende Beziehung“ der pädagogischen Fachkraft. Grundsätzlich sei „nichts anderes so geeignet traumatische Erlebnisse zu verarbeiten wie das begleitete Spiel“, unterstrich sie.
Eindringlich ging Eckert auch auf den notwendigen Selbstschutz und die Selbstfürsorge der Helfenden ein. Statt cool gelte es hier „wachsam und sensibel für sich selbst zu sein“, sich Pausen zu gönnen und Sport und Bewegung auch für sich alleine als Ausgleich zu nutzen.

In elf verschiedenen Workshops konnten die TagungsteilnehmerInnen am Nachmittag konkrete Sport-, Spiel und Bewegungs-Ansätze für die Arbeit mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen kennen lernen und häufig ganz hautnah erfahren – von Traumasensibler Pädagogik und Psychomotorik über faires Kämpfen, Tanz und Theater oder Spiele ohne Grenzen bis zur bewegten Sprachförderung und handlungsorientierten Vorleseangeboten.
Text: Karsten Herrmann
Fotos: Rosanna Terberger