Bundeskongress des WiFFWiFF|||||WiFF ist ein Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Robert Bosch Stiftung und des Deutschen Jugendinstituts e.V. Die drei Partner setzen sich dafür ein, im frühpädagogischen Weiterbildungssystem in Deutschland mehr Transparenz herzustellen, die Qualität der Angebote zu sichern und anschlussfähige Bildungswege zu fördern. zeigt Herausforderungen und Perspektiven auf


Die (deutsche) Sprache ist der Schlüssel zur Bildung und zur Teilhabe und damit unabdingbar für ein inklusives Bildungssystem. In diesem Sinne stand die „Sprachliche Bildung unter dem Anspruch der Inklusion“ auch im Fokus des WiFF-Bundeskongresses in der Berliner Repräsentanz der Robert Bosch Stiftung.


scharsich 150In ihrem Grußwort wies Antje Scharsich vom BMBF anlässlich der aktuellen PISA-Ergebnisse auf „die zentrale Herausforderung“ hin, Kinder mit Migrations- oder Fluchthintergrund über Bildung zu integrieren. Grundlage dafür sei die Vermittlung der deutschen Sprache und entsprechend stelle der Bund beispielsweise mit den Programmen der Schwerpunkt-Kitas Sprache und Integration (2011 -2015) und der Sprach-KiTas (2016-2019) hierfür auch erhebliche Mittel zur Verfügung. Ziel sei entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention ein inklusives Bildungssystem. „Inklusion ist für KiTas eigentlich auch nichts Neues“ unterstrich Scharsich, wies aber zugleich auf Herausforderungen wie eine zunehmende Heterogenität, multiprofessionelle Teams oder die Zusammenarbeit mit Eltern hin. Sie lobte in dieser Hinsicht auch die „ertragreiche Arbeit des WiFF“, die fundierte Wissensbestände erarbeite und den interdisziplinären Austausch rund um die Professionalisierung des Feldes auf Bundesebene fördere.

Sozial geprägter Spracherwerb

koenig 150In einer grundlegenden Einführung stellten WiFF-Leiterin Prof. Dr. Anke König und Dr. Tina Friedrich die Entwicklungen und Herausforderungen der Sprachlichen Bildung und der Inklusion vor. Mit den Post-PISA-Reformen, so Anke König, habe es in allen Bundesländern einen starken Trend zur Sprachdiagnostik und Sprachstandsfeststellung und damit auch „einen Bruch mit der pädagogischen Tradition der KiTas“ gegeben. In einer zweiten Entwicklungslinie folgte dann die Auseinandersetzung um eine (in oftmals separierten Settings) stattfindende additive oder alltagsintegrierte Sprachförderung. Der Trend zu letzterer sei heute eindeutig und hänge auch mit dem neuen Bild vom Kind als Akteur seiner eigenen Entwicklung zusammen.

Als Ursprung der Kommunikation hob Anke König das „Zeigen“ hervor, wodurch etwas zur „gemeinsamen Sache“ werde. Mit dem „Zeigen“ würden Intentionen oder Wünsche geäußert und erkannt. So sei der Wortschatz von Zweijährigen auch stark von Wünschen geprägt und der Spracherwerb grundsätzlich sozial motiviert. Forschungen hätten dabei auch eine starke Korrelation von sprachlich-kognitiver und sozialer Entwicklung erwiesen.

Angesicht der Tatsache, dass bei 64 Prozent der 4-5jährigen in Deutschland die Familiensprache von der Umgebungssprache abweicht, forderte sie „jedes Kind in der Vielfalt seiner sprachlichen Kompetenzen wahrzunehmen, wertzuschätzen und anzuerkennen“. Mehrsprachigkeit sei „kein Risikofaktor“, sondern „ein Repertoire und Teil der Identität.“


Recht auf Bildung und Teilhabe für alle

friedrich 150Im Anschluss fasste Dr. Tina Friedrich vom WiFF die Grundzüge der Inklusion zusammen. Inklusion beinhalte im Kern das „Recht auf Bildung und Teilhabe für alle“. Es gebe dabei nur ein System „und dieses muss sich auf jedes einzelne Kind mit seinen individuellen Eigenschaften einstellen.“ Im Anklang an Annedore Prengel und ihre WiFF-Expertise formulierte sie im Hinblick auf den Ausgangspunkt der Heterogenität folgende Kernsätze:

  • Verzicht auf bewertende Kategorisierung
  • Berücksichtigung von Mehrfachzugehörigkeiten
  • Anerkennung der „Egalitären Differenz“
Bei der Inklusion gehe es nicht nur darum, dabei zu sein, sondern tatsächlich teilzuhaben. Voraussetzung dafür seien zunächst einmal Sicherheit, Schutz und gute Beziehungen. Ein ganz zentrales Mittel zur Teilhabe sei dann die Sprache, denn diese sei entscheidend für den späteren schulischen oder beruflichen Erfolg. In diesem Sinne resümierte Tina Friedrich: „Inklusion und Sprache gehört genuin zusammen.“


In vier parallelen Foren konnten sich die Kongress-TeilnehmerInnen dann intensiver zur „Sprache im KiTa-Alltag“, zur „Sprachbildung und Inklusion in der Fachkräfte-Ausbildung“, zu „Weiterbildungen zum Thema Sprachbildung“ und zu neuen Befunden aus der Forschung „Wie Fachkräfte ein- und mehrsprachige Kinder ideal fördern können“ informieren und gemeinsam diskutieren.

Im Forum zu den neuen Forschungsbefunden verdeutlichte eine Fragebogenerhebung von Dr. Tobias Ruhrberg in Bremen die nicht ausreichenden Kompetenzen der Fachkräfte im Bereich der Sprachbeobachtung: „Die Aus- und Weiterbildung der Fachkräfte scheint nicht ausreichend, um qualitative hochwertige Sprachbeobachtung und daraus abgeleitete Sprachbildung durchzuführen“ resümierte er und machte „Handlungsbedarf“ aus. Zugleich wurde bei der Vorstellung von zwei aktuellen Studienprojekten (BIVEM und KOMPASS) deutlich, wie schwierig es im komplexen System KiTa trotz teils sehr umfangreicher Analysen ist, zu erkenntnisfördernden Ergebnissen zu kommen. Im BIVEM-Projekt wurden dabei ein additives Sprachförderangebot mit einer alltagsintegrierten Sprachförderung und im KOMPASS-Projekt die Effekte einer umfangreichen Weiterbildung zur alltagsintegrierten Sprachbildung mit und ohne anschließendes Coaching verglichen. Insbesondere die Ergebnisse der BIVEM-Studie warfen dabei mehr Fragen auf, als dass sie Antworten geben konnten.

Fehlende Evidenzbasierung

eckhartdt 150Im Gesamtblick auf bisherige Studien zur Wirksamkeit von Sprachförderung musste Prof. Dr. Andrea Eckhardt von der Hochschule Zittau/Görlitz eine „oftmals fehlende Evidenzbasierung“ beklagen. Aus einem Forschungsüberblick mit 4.000 Publikationen hätten letztlich nur acht Studien unter Vorbehalt die Evidenzstandards erfüllt und nur drei hätten dabei Effektstärken ausgewiesen. Diese hätten gezeigt, dass alltagsintegrierte Sprachförderung gerade im U3-Bereich erfolgversprechend seien. Inkonsistente Ergebnisse hätte es hingegen für additive Maßnahmen gegeben.

Zentrale Erkenntnisse zur Sprachförderung

Im Blick auf die Ergebnisse des Bundesprogramms „Schwerpunkt-KiTas Sprache und Integration“ (zur Evaluation) führte sie folgende zentrale Erkenntnisse zu einer gelingenden alltagsintegrierten Sprachförderung an:

  • Intensiver Fachlicher Dialog im Team
  • Intensive Zusammenarbeit mit Eltern
  • Alltagsintegrierte Sprachliche Bildung als Einrichtungskonzept (mit der Gesamtverantwortung der KiTa-Leitung und der Verantwortung jeder einzelnen Fachkraft für die bewusste und systematische Gestaltung der sprachpädagogischen Arbeit wie z.B. Schaffung und Nutzung von Sprachanlässen, Dokumentation und Kooperation mit den Eltern)

Mehrsprachiges Aufwachsen als Lebensrealität

pana 150 kopie kopie kopie kopieEinen intensiven Einblick in das Thema Mehrsprachigkeit gewährte Prof. Dr. Argyro Panagiatopolou von der Universität zu Köln. Sie forderte, das mehrsprachige Aufwachsen als Lebensrealität wahrzunehmen und anzuerkennen und mehrsprachige Kinder nicht als Problem- oder Risikokinder zu stigmatisieren. Sie führte die dynamische Sprachentwicklung bei mehrsprachigen Kindern vor Augen, die „quer durch die Sprachen hindurch handeln und lernen“. Ihr mehrsprachiges Repertoire müsse als integrales Ganzes begriffen und dürfe nicht an monolingualen Maßstäben gemessen werden. Problematisch seien so die Sprachstandserhebungen in Deutsch und einsprachige Logiken von Institutionen. Argyro Panagiaotopolou, die gerade auch eine in Kürze erscheinende WiFF-Expertise zum Thema verfasst hat, plädierte demgegenüber für die „Inklusion aller Sprachpraktiken aller Kinder“ und in diesem Sinne für eine „alltagsintegrierte Mehr- und Quersprachigkeit“. Fachkräfte sollten entsprechend quersprachig die Handlungen der Kinder begleiten, quersprachig Gespräche mit ihnen führen und quersprachig dialogisch Bilderbücher mit den Kindern lesen und betrachten. Dafür müssten allerdings auch zunehmend mehrsprachige Fachkräfte in den KiTas arbeiten. Inwiefern eine solche Quer-und Mehrsprachigkeit insbesondere auch im Hinblick auf die Vermittlung des Deutschen in solchen Kitas funktionieren kann, in denen bis zu 90% der Kinder Migrationshintergrund und zahlreiche Erstsprachen haben, blieb dabei allerdings unbeantwortet.

Vernetzung und Kooperation unabdingbar

sallat 150Aus einer Podiumsdiskussion mit ExpertInnen aus verschiedenen Bereichen und in einem Abschlussvortrag von Prof. Dr. Stephan Sallat zur „Gestaltung von Inklusion an den Schnittstellen von Sprachlicher Bildung, Sprachförderung und Sprachtherapie“ wurden schließlich folgende zentrale Herausforderungen für die umfassende inklusive Professionalisierung des Gesamtsystems der frühkindlichen Bildung und Entwicklung deutlich:
  • Sprachliche Bildung unter dem Anspruch von Inklusion erfordert:
  • Interdisziplinarität und Vernetzung auf allen Ebenen
  • Verzahnung von parallelen Förderstrukturen und die Abstimmung von Zuständigkeiten
  • eine ganzheitliche Therapie- und Präventionsplanung
  • eine Abkehr von der Institutions- und Systemperspektive und eine Zuwendung hin zum einzelnen Kind und seinen Bedarfen

Zur Dokumentation des Kongresses


Text: Karsten Herrmann
Fotos: WiFF