Kita-Leitung als Beruf?
Ein Kompetenzprofil unter der persönlichen Lupe
Kita-Leitung zu sein ist eine herausfordernde, vielfältige aber auch erfüllende Tätigkeit: Von Verwaltungsaufgaben über Teamarbeit, sozialpädagogische Arbeit mit den Familien und eigenem pädagogischen Handeln den Kindern gegenüber – als Leitung ist man überall gefordert. Dies alles zu vereinen und für sich selbst eine Arbeitszufriedenheit zu finden, ist oftmals ein Balanceakt. Durch die politische Diskussion haben sich Kindertageseinrichtungen zu öffentlich wahrnehmbaren Bildungseinrichtungen entwickelt. In diesem Zusammenhang wird die Aufgabe von Führung und Leitung eines Hauses prägnanter und das Profil der Einrichtungsleitung immer komplexer.Lassen Sie mich mit einer fiktiven Stellenausschreibung beginnen: »Sind Sie äußerst flexibel und verantwortungsbewusst? Diplomatisch und doch entscheidungsfreudig? Haben Sie ausreichend Fachkenntnisse in den Bereichen Verwaltung, Betriebswirtschaft, Personalführung und Pädagogik? Sind Sie kreativ, innovativ und ein Organisationstalent? Natürlich erwarten wir auch höchste nervliche und körperliche Belastbarkeit. Eingebettet in ein höchst anspruchsvolles Wertegerüst sollten Sie eine ausgeprägte Freude daran haben, auf Menschen zuzugehen. Engagiert wie sie sind, schaffen sie das zusätzlich zu ihren üblichen Aufgaben als Pädagoge/Pädagogin in einem minimalen Zeitfenster«.
Kita-Leitung als Beruf
Haben Sie sich als Leitung wiedererkannt? Ich gebe zu, diese Beschreibung ist etwas bissig und überspitzt. Aber was bringt uns wirklich dazu, die Leitungsfunktion zu übernehmen und in diesem Beruf zu bleiben? Der gesellschaftliche Wandel stellte die Kindertageseinrichtungen in den letzten Jahren vor große Herausforderungen. Die Angebote der Träger haben sich den familiären Bedürfnissen und veränderten Lebensmodellen von Eltern und Familien angepasst und stellen sich weitgehend dem Dienstleistungsgedanken. Das kann einerseits die Verlängerung von Öffnungs- und Schließzeiten entsprechend der Arbeits- und Lebenswirklichkeit sein, verbunden mit einer Ganztagebetreuung und vielschichten zusätzlichen Bildungsangeboten.Neue Forschungsergebnisse und Erkenntnisse im Bereich der Kleinstkindpädagogik haben zu vielfältigen pädagogischen Konzepten in der Kita-Landschaft geführt und setzen ein flexibles und erweitertes Verständnis von Bildung und Erziehung voraus. Dazu zählt die Altersöffnung im Regelkindergarten für Kinder unter 3 Jahre genauso wie auch die Inklusion in all ihren Facetten. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, als Teil der sich verändernden Gesellschaft, stellen neue Erwartungen und Anforderung an ihren Arbeitgeber. Flexibilität für die Umsetzung des eigenen Lebensmodells und hieraus entstehende neue Arbeitszeitmodelle machen auch vor Kindertageseinrichtungen nicht Halt. Und nicht zu vergessen sind Umgestaltungen in der Gesetzgebung, wie z.B. die Einführung der Elternzeit, des Elterngeldes und nicht zuletzt der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Dies alles sind sich stetig verändernde Anforderungen und Bedingungen, denen sich Kindertagesstätten stellen müssen.
Die Umstellung des Gehaltsgefüges vom ehemaligen BAT auf den markt- und qualitätsbezogenen TvöD beispielsweise führte zu großen Umbrüchen und einem veränderten Blick auf unseren Beruf im sozialen Dienstleistungssektor. Somit wurden die Aufgaben und Verantwortungen für Träger und Leitungen immer komplexer. Daraus wurde in meinen Augen die weitaus größte Herausforderung im sozialen Bereich. Denn die so entstandenen gesellschaftlichen Vorstellungen von Bildung wiedersprechen oftmals den sehr hohen eigenen pädagogischen Ansprüchen.
Auch die betriebswirtschaftlichen Interessen und das Wissen um ideale Rahmenbedingung klaffen immer mehr auseinander.
Die Rahmenbedingungen für viele Leitungskräfte haben sich leider den hohen Ansprüchen nicht angepasst, sodass jede zusätzliche Aufgabe oft eine weitere Belastung darstellt und damit auch zu persönlicher Unzufriedenheit führt. Ermüdungs- und Erschöpfungszustände bis hin zum Burn-out sind in unserem Bereich keine Seltenheit. Dies führt oftmals dazu, dass Kolleginnen und Kollegen frühzeitig in andere Berufsfelder wechseln oder gar ganz den sozialen Bereich verlassen. Warum arbeite ich in einem sozialen Beruf? Oder besser gesagt: Warum übernehme ich Führungsverantwortung in einem sozialen Berufsfeld? Der betriebswirtschaftliche Gedanke ist sicherlich der letzte, den ich bei der Berufswahl habe. In einen sozialen Beruf gehen »Mann« und »Frau« aus einem moralischen Kontext heraus, d.h. aus dem Wunsch mit Menschen und FÜR den Menschen zu arbeiten.
Was muss eine Leitung können?
Ich sehe meine Hauptaufgabe darin, ein sensibles und tragfähiges Miteinander zu schaffen, sodass sich alle Beteiligten im Haus sicher fühlen und Vertrauen in die Einrichtung haben. Grundsätzlich gibt es für mich vier große Bereiche, in denen sich Leitungen täglich verantworten müssen:- rechtlich gegenüber dem Träger,
- als Führungskraft gegenüber dem Team,
- als Pädagogin gegenüber den Kindern,
- als Bildungseinrichtung gegenüber den Eltern und der Gesellschaft.
Es ist immer mehr von multiprofessionellen Teams die Rede, von vermehrter Teilzeitarbeit in den Einrichtungen, von externen Bewerbern und Nachqualifizierung. Hier gibt es die unterschiedlichsten Modelle, die fast alle aus der Not des Fachkräftemangels heraus entstanden sind. Jedes Modell hat hier sicherlich seine Berechtigung. Für mich als Leitung bedeutet es, noch viel mehr den Blick auf das Team zu richten als bisher. Teamstrukturen zu erkennen, Schwierigkeiten im Miteinander zu klären und ein Miteinander zu schaffen, sind mit die schwierigsten Aufgaben überhaupt. Es bedeutet, jede neue Kollegin und jeden neuen Kollegen gut in das bestehende Team einzuführen und einzuarbeiten. Genau hinzusehen, wie mit Kindern und Eltern gearbeitet wird, welche Haltung gezeigt wird und dies alles auf Basis der hauseigenen Konzeption. Dabei dürfen die langjährigen Kolleginnen und Kollegen nicht vergessen werden. Die einzelnen Mitarbeiter/innen zu stärken, mit ihnen persönliche Ziele zu vereinbaren um auf lange Zeit Zufriedenheit im Beruf zu schaffen ist sehr wichtig.
Neben dem Team spielen natürlich auch die Eltern eine große Rolle. Uns als Pädagoginnen und Pädagogen wird mit den Kindern das Wertvollste anvertraut, was die Eltern haben. Wenn man sich den großen Leistungsdruck in der Gesellschaft ansieht, ergeben sich daraus selbstverständlich auch hohe Erwartungen an die Bildung der Kinder. »Familienergänzend« ist das Schlagwort und hier als Leitung sensibel auf Wünsche, Bedürfnisse und Ansprüche aller Beteiligten einzugehen und die Waage für Mitarbeiter/innen, Eltern und Kinder zu finden ist nicht immer einfach.
Auch »Up-To-Date« zu sein halte ich für eine wichtige Leitungskomponente. Das kann bedeuten, über die neuesten Strömungen in der pädagogischen Landschaft informiert zu sein bzw. Kenntnisse von Entwicklungen und Forschungsergebnissen zu haben, um neue Ansätze abzuwägen und zu entscheiden, ob diese für das eigene Haus relevant sind. Dazu gehören sicherlich auch politische und arbeitsrechtliche Informationen, aber auch die Kenntnis und der Umgang mit zeitgemäßen Begrifflichkeiten.
Auch ein gewisses praktisches Talent kann in unserm Beruf nicht schaden. Lampen müssen ausgewechselt werden? Türen klemmen? Drucker zeigen Fehlermeldungen? Gerade diese Kleinigkeiten machen den Alltag oftmals turbulent und bringen Tages- und Zeitpläne durcheinander. Diese Zeitfresser kommen in den wenigsten Arbeitsbeschreibungen vor und dennoch zeigen sie, wie wichtig es ist, als Leitung vor Ort und präsent zu sein.
Leitungsprofil – Was bedeutet das?
Die große Herausforderung ist, dass es kein klassisches und damit auch kein einheitliches Leitungsprofil gibt. Vielen Kolleginnen und Kollegen ist das zu Beginn der Leitungstätigkeit gar nicht bewusst und so entsteht das eigene Berufsprofill oftmals durch »Learnig by Doing«. Doch warum ist das so?Die große Vielfalt der Kindertageseinrichtungen bringt ein unendliches Feld an Möglichkeiten und Varianten in der Leitungsfunktion mit sich. Das Spektrum ist groß und geht vom kleinen Landkindergarten bis hin zu großen Trägerverbünden. Genauso vielfältig ist die Trägerlandschaft geworden. Die private, eingruppige Elterninitiative hat hier genauso ihren Platz wie die klassischen großen Träger wie Städte und Gemeinde, die kirchlichen Träger und auch die als gGmbH organisierten privaten Träger. Alteingesessene Häuser mit ihren gewachsenen Strukturen stehen somit gleichberechtigt neben neu entstandenen Einrichtungen mit innovativen Dienstleitungskonzepten.
Die Spezialisierung und Differenzierung von Konzpten der Kindertagesstätten wie Fröbel, Montessori, Wald-, Sport- oder Sprachkindergarten und vielen mehr haben schon immer eine große Auswahl geschaffen und dadurch ergibt sich ein breites Feld, um sich selbst mit seinen Talenten, Haltungen und Vorstellungen von Leitungsarbeit wiederzufinden.
Freiheit auf der einen Seite bringt jedoch viel Unklarheit und damit verbundene Unsicherheit auf der andren Seite mit sich. Was sind Trägeraufgaben im Einzelnen? Wie gehe ich damit um, wenn ich als Leitung Aufgaben erhalte, die ich nicht verantworten kann und auch nicht will?
Ist man als Leitung zusätzlich als Gruppenleitung tätig, stellt einen das tagtäglich vor neue Herausforderungen. Dieses Modell ist (leider) noch immer das gängige Modell im Kita-Bereich. Für mich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, welche Bedeutung die Funktion der Kita-Leitung überhaupt hat, wenn ich für die große Führungsaufgabe »Leitung« nur ein minimales Stundenkontingent zur Verfügung gestellt bekomme. Der Begriff der »Freistellung der Leitung« in diesem Zusammenhang empfinde ich als eine der unglücklichsten und ungeschicktesten im pädagogischen Sprachgebrauch.
Wie kann ich als Gruppenleitung und gleichzeitig als Hausleitung mit dieser Zerrissenheit umgehen? Es ist eine große Herausforderung, hier Möglichkeiten der eigenen Abgrenzung zu finden. Aus meiner eigenen Erfahrung heraus weiß ich noch, wie schwer es ist, mit dieser ständigen Doppelbelastung umzugehen. Ich erinnere mich, wie mir oft im Morgenkreis mit den Kindern Aufgaben aus dem Büro eingefallen sind, und wenn ich am Schreibtisch saß, war ich oft mit Gedanken bei den Kindern und meinen pädagogischen Aufgaben. Am schwierigsten aber ist die Herausforderung, Vorgesetzte und Kollegin zugleich zu sein. Dies ist eine tägliche Zerreißprobe.
Andererseits gibt es Häuser mit Leitung ohne mittelbare Arbeit am und mit dem Kind. Dies ist oftmals bei Gesamtleitungen in Verbünden und sehr großen Häusern der Fall. Hier ist die Gefahr, sich vom pädagogischen Alltag zu weit zu entfernen und so den direkten Kontakt mit den Kindern, den Eltern und auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verlieren. Hier ist es die große Herausforderung, die Waage zu finden zwischen den Arbeiten im Büro und den Zeiten im pädagogischen Alltag oder in Projekten mit den Kindern.
Wie werde ich von außen wahrgenommen? Als Pädagogin, die auch mal im Büro arbeitet? Oder als Leitung, die ab und zu bei den Kindern ist? Und wie sehe ich mich in meiner Position? Bin ich die Person, welche die ungeliebten bürokratischen Aufgaben erledigen muss oder bin ich die Kollegin, die aus irgendeinem Grund auch die Leitung hat, weil sonst niemand gefunden wurde? Die Wahrheit liegt wahrscheinlich – wie so oft – in der Mitte.
FRAGEN ZUR POSITIONIERUNG ALS KITALEITUNG
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Was brauche ich als Leitung? Ein Ausblick
Jeder große Trägerverband und viele öffentliche und private Fortbildungsträger bieten Weiterbildungsmöglichkeiten zur Leitungsqualifizierung an. Diese sind unterschiedlich lang, unterschiedlich in ihren Inhalten und unterschiedlich in ihren Kosten, denn es gibt kein einheitliches Curriculum für die Leitungsfunktion. Jeder Träger entscheidet für sich, wie und an wen er die Leitungsposition übergibt.Im Interview (KiTa-Leitung: Über Aufgaben, Kompetenzen und (Doppel-) Rollenmit) mit dem Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) hat Frau Prof. Dr. Petra Strehmel die Kernaufgaben der Kita-Leitung zusammengefasst:
- Die pädagogische Leitung und die Betriebsführung,
- die Führung und Förderung der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
- die Zusammenarbeit im Team, mit Eltern und Kooperationspartnern im Sozialraum (z.B. mit Schulen, Kindertagespflege, kulturellen Einrichtungen, Beratungsstellen, medizinischen und therapeutischen Einrichtungen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Kinderschutzeinrichtungen usw.),
- die Organisationsentwicklung mit allen Beteiligten,
- das Selbstmanagement, zu der die eigene fachliche Positionierung und Fortbildung ebenso gehören wie Arbeitsorganisation, das Zeitmanagement und die Reflexion der eigenen Führungsrolle,
- die Beobachtung von Rahmenbedingungen und Trends und das Ziehen von Schlussfolgerungen für die eigene Einrichtung sowie
- die strategische Planung für das eigene Leitungshandeln.
Wenn ich diese Punkte genauer betrachte, bedeutet es für mich, mich stets selbst zu reflektieren und zu erkennen, welche Themen für mich zur Zeit relevant sind und wo ich Hilfe und Unterstützung brauche und wo ich sie finden kann. Das heißt Fort- und Weiterbildung müssen auch für uns Leitungen selbstverständlich sein. Hier ist das Angebot groß und es ist sicherlich leider auch eine Frage der Budgets, für welchen Anbieter man sich entscheiden kann. Fortbildungsrelevante Themen können sein:
- arbeitsrechtliche Themen inklusive
- Arbeits- und Gesundheitsschutz,
- betriebswirtschaftliche Themenbereiche,
- Kommunikation/Gesprächsführung,
- Methodenfachwissen,
- Qualitätsmanagement,
- Bewerbungsgespräche,
- Selbstfürsorge,
- pädagogische Inhalte.
Was auch in unserem Beruf immer mehr zum Tragen kommen muss, ist die Netzwerkarbeit. Selbst wenn wir schon immer Kontakte zu vielen Interessenpartnern gepflegt haben, geht es beim »Networking« um den gezielt ausgewählten und nicht zufälligen, sondern bewussten Kontakt und Austausch mit Personen und Institutionen. Das Wissen umeinander und das Lernen voneinander können dabei unterstützen, die eigene Arbeit zu stärken und bewusster zu machen. Wenn ich meinen Blick weite und Erfahrungen austausche, bin ich offen für Neues.
Und wir dürfen uns selbst nicht vergessen. Supervision und Coaching müssen ein fester Bestandteil in unserer Arbeitswelt sein. Die Vielfalt und Vielschichtigkeit der Leitungsaufgaben können nur bewältigt werden, wenn wir selbst die Möglichkeit haben, uns mit unserem Beruf und den damit verbundenen Herausforderungen auseinanderzusetzen.
Fazit
Die Leitung einer Kindertageseinrichtung ist eine sehr anspruchsvolle Position, die viel Persönlichkeit erfordert. Als Leiterin trage ich die Verantwortung für die Qualität einer Kindertagesseinrichtung und damit verbunden, wie Werte und Haltungen in einer Einrichtung gelebt werden. Um diese komplexen Aufgaben auch in Zukunft meistern zu können, brauchen wir passende Rahmenbedingungen, die Unterstützung der Politik, den Rückhalt des Trägers und die Anerkennung in der Gesellschaft als eigenständige Bildungseinrichtungen. Dann werden auch in Zukunft junge Pädagoginnen und Pädagogen den Schritt wagen und Freude daran haben, Verantwortung in einer Leitungsposition zu übernehmen.Literaturhinweise
- Kaltenbach, K. (2008): Kita im Wandel – Neue Anforderungen an Leitungskräfte von Tageseinrichtungen für Kinder. Eine empirische Analyse. Berlin.
- Strehmel, P./Ulber, D. (2014): Leitung von Kindertageseinrichtungen. Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte, WIFF-Expertisen, Bd. 39. München.
- https: / / www. fachkraeftebarometer. de/ downloads/
- https: / / www. bertelsmann- stiftung. de/ de/ unsereprojekte/laendermonitoring- fruehkindlichebildungssysteme/projektnachrichten/ kita- leitungunter-druck/
- https: / / www. nifbe.de
Übernahme des Beitrag mit freundlicher Genehmigung aus KiTa aktuell ND 5-2018, S. 100 - 103
- Zuletzt bearbeitet am: Dienstag, 22. Mai 2018 15:21 by Karsten Herrmann