Mikrotransitionen: Kleiner Wechsel, große Wirkung
Übergänge im Krippenalltag sensibel gestalten
Die sog. Mikrotransitionen, also die kleinen Übergänge im Alltag von einer Situation in eine andere, beanspruchen in der Arbeit mit Kindern bis drei Jahren mehr als die Hälfte des gesamten Tagesablaufes. Es lohnt sich also, diese Übergangssituationen genauer in den Blick zu nehmen und sensibel zu gestalten.Mikrotransitionen sind die kleinen Übergänge im Alltag, z. B. vom Essen zum Händewaschen, vom Spielen zum Aufräumen, vom Morgenkreis zum Spiel nach draußen, vom Waschraum zum Schlafen. Diese Übergänge können unterschiedliche Bereiche betreffen:
- Wechsel von Aktivitäten,
- Raumwechsel,
- Wechsel von Spielpartnern,
- Wechsel der Bezugsperson, z. B. beim Schichtwechsel.
Routinen im Tagesablauf als „Drehbuch“
Unter Routinen werden vorhersehbare Aktivitäten verstanden, die mehrfach im Tagesablauf vorkommen. Sie finden zu festen Zeiten statt und haben ein ähnliches Ablaufmuster. In Routinesituationen stehen meist die Grundbedürfnisse von Kindern wie Essen, Trinken oder Hygienemaßnahmen im Zentrum. Die bekanntesten Routinen sind: Händewaschen, Zähneputzen, die Toilette nutzen, aber auch Mahlzeiten einnehmen, Schlafen und Ausruhen, An- und Ausziehen. Wenn es gelingt, Pflegeroutinen sorgfältig zu gestalten und dem Kind dabei Raum zur Kooperation zu geben, dann baut das Kind in ihnen nach und nach Selbstpflegekompetenzen auf. Es wird dadurch zunehmend selbstständiger. Neben der Befriedigung körperlicher Bedürfnisse trägt die beziehungsorientierte Gestaltung der Pflegeroutinen zum emotionalen Wohlbefinden der Kinder bei. Die Kinder bauen durch gleichartig gestaltete Routinen eine Art Drehbuchskript zu jeder einzelnen Situation auf. Sie kennen irgendwann das „Skript“ zum Baden, zum Essen, zum Wickeln, zum Toilettengang, zum Schlafen. Wichtig sind in der Krippe oder Kita aber nicht nur die beziehungsvoll gestalteten Routinen an sich, sondern auch die Wege in diese Routine hinein und wieder hinaus.Wie gelingt es, Kindern die alltäglichen Übergänge zu erleichtern?
Mikrotransitionen bieten viele Lerngelegenheiten. Sie erfordern allerdings eine sorgfältige Planung, damit ihr Bildungspotenzial frei wird und keine Unruhe oder sogar Aggression durch frustrierende Wartezeiten für die Kinder entstehen.1. Übergänge analysieren und planen
Routinen und Übergänge erfordern mindestens die gleiche Intensität in der Planung wie Bildungsangebote. Schließlich handelt es sich dabei meist um Aktivitäten des täglichen Lebens, die zu großen Teilen die spätere Autonomie und Selbstständigkeit eines Menschen mitbestimmen. Gerade hier ist ein Lernen durch aktive Erfahrungen im Alltag (z. B. beim Aufräumen sowie beim An- und Ausziehen) möglich. Bei einer durchdachten Gestaltung von Übergängen (vgl. „Fragen zur Gestaltung von Übergängen“) erleben die Kinder einen Zuwachs an Selbstregulation, Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit. Kinder lernen dabei optimalerweise auch, achtsam sich selbst gegenüber zu sein: Sie erfahren, warum man isst, sich ausruht oder sich einen Schal umbindet, obwohl gerade die Sonne scheint. Die pädagogischen Fachkräfte fragen nach, ob dem Kind warm oder kalt ist, damit es irgendwann selbst spüren kann, ob es dünnere oder dickere Kleidung wählen muss, um die Körpertemperatur optimal zu halten.
2. Stabilität für „kleine Zeitreisende“ schaffen
Wenn der Tagesablauf für Kinder vorhersehbar ist, regt das ihr Zeitgefühl an, das sich erst nach und nach entwickelt. Ein stabiler, regelmäßiger Plan sichert die Umsetzung der geplanten Aktivitäten und schafft einen Bezugsrahmen, der das Sicherheitsgefühl eines Kindes stärkt. Für die meisten Kinder ist es genau diese Vorhersehbarkeit in den täglichen Routinen in der Kita, die ihnen die notwendige Ruhe und Sicherheit gibt. Für pädagogische Fachkräfte gilt auch aus diesem Grund: Hochwertige Transitionen machen den Unterschied zwischen einem anstrengenden und schwierigen oder einem harmonischen Tag! Es ist daher ratsam, für den zeitlichen Ablauf jeder Aktivität fünf Minuten mehr Zeit einzuräumen: Das schafft eine harmonische Atmosphäre und wirkt einem Klima der Eile entgegen.
3. Wartezeiten reduzieren bzw. vermeiden
Übergänge zwischen Pflege- und Spielsituationen sind oft mit Wartezeiten verbunden, die für viele Kinder frustrierend sind. Sie suchen daher oft Stimulation und Ablenkung in der Kindergruppe und agieren Unruhe in Bewegung aus. Viele Kinder sind es zudem nicht gewohnt, Bedürfnisse länger aufzuschieben. Um negative Wirkungen des Wartens auszuschließen, sollten pädagogische Fachkräfte große Gruppenbewegungen vermeiden. Besser ist es, gezielt zu gruppieren, also z. B. die Gesamtgruppe beim Gang zum Händewaschen zu halbieren. Situationen, in denen alle Kinder die gleichen Aufgaben zur gleichen Zeit verrichten, sind nicht ratsam. Dennoch entstehende Wartesituationen lassen sich oft zur Partizipation nutzen: Pädagogische Fachkräfte können die Kinder ihren Kompetenzen entsprechend zum Mithelfen anregen. Grundsätzlich sollten die Gruppenfachkräfte an der Reduktion von Wartezeiten gezielt arbeiten und die Anzahl der Transitionen insgesamt begrenzt halten.
Fragen zur Gestaltung von Übergängen
| ||
Zum Weiterlesen:
Vom Freispiel bis zum Mittagsschlaf
Literatur:
- Gutknecht, D. (2012). Bildung in der Kinderkrippe. Stuttgart: Kohlhammer.
- Malenfant, N. (2006). Routines & Transitions. A Guide for Early Childhood Professionals. St. Paul, USA: Redleaf Press.
Erstveröffentlichung: Gutknecht, D. (2013) Kleiner Wechsel, große Wirkung. Übergänge im Krippenalltag sensibel gestalten. In: Entdeckungskiste, 1/13, S. 34-35. Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Herder-Verlages.
- Zuletzt bearbeitet am: Dienstag, 09. August 2022 09:16 by Karsten Herrmann